Herzinsuffizienz-Therapie: Wie oft ESC-Leitlinien tatsächlich umgesetzt werden

 

HFA-Kongress 2024 | TITRATE-HF-Studie: Diese erste Analyse über die Umsetzung der ESC-Leitlinien 2021/2023 zur Herzinsuffizienz-Therapie in der Realität in den Niederlanden zeigt eine hohe Rate an 3-fach-Herzinsuffizienztherapie, während die 4-fach-Herzinsuffizienztherapie insgesamt zu wenig appliziert wird. Insbesondere die Dosierung der Medikamente war in der Mehrheit der Fälle unzureichend, ohne dass aus der Dokumentation entsprechende Gründe hierfür ersichtlich waren. An spezialisierten Herzinsuffizienz-Kliniken zeigt sich insgesamt eine schnellere und bessere Umsetzung der Leitlinienempfehlungen. Diese Studie zeigt somit die Notwendigkeit, die Prozesse zur Implementierung der GDMT (Guideline Directed Medical Therapy) in der Realität zu verbessern.

Eine Einordnung der Studienergebnisse lesen Sie abschließend im Kommentar.

Von:

Prof. Birgit Aßmus

Rubrikleiterin Herzinsuffizienz

 

16.05.2024

 

Bildquelle (Bild oben): proslgn / Shutterstock.com

Methodik

 

Titrate-HF ist ein fortlaufendes niederländisches Langzeit-Register zur Therapie der Herzinsuffizienz. Aktuell nahmen 48 Kliniken (d. h. > 70 % der niederländischen Krankenhäuser) am Register teil, so dass diese Daten einen repräsentativen Querschnitt aus den Niederlanden darstellen. Insgesamt ist eine Langzeitbeobachtung über 5 Jahre geplant.

Baseline-Daten

 

Aktuell wurden 4.288 Patientinnen und Patienten zwischen 2022 und 2024 unabhängig von der linksventrikulären Pumpfunktion (LVEF) eingeschlossen und bezüglich ihrer Medikation analysiert. Die Teilnehmenden waren im Median 71 Jahre alt (Interquartilsabstand 63–78 Jahre), 29 % waren weiblich und die mediane LVEF lag bei 35 % (IQR 25–40 %).


Von diesen Teilnehmenden präsentierten sich 1.732 Personen mit De-novo-Herzinsuffizienz (mediane Dauer seit Diagnose 0,9 Monate), 2.240 Personen mit chronischer Herzinsuffizienz (mediane Dauer 45 Monate) und 316 Personen mit instabiler, sich verschlechternder Herzinsuffizienz (mediane Dauer 68 Monate seit Diagnose). Je länger die Herzinsuffizienz bekannt war, umso häufiger lag eine nicht-ischämische Kardiomyopathie vor.

Ergebnisse

 

Insgesamt hatten 44 % der chronischen und der sich verschlechternden Herzinsuffizienz-Betroffenen bereits eine medikamentöse 4-fach-Therapie erreicht, jedoch nur 1 % dieser Personen die Zieldosis in allen Medikamenten. Die Zieldosis war je nach Substanzklasse bei 24 % der RAASi (ACE-Hemmer / AT1-Rezeptorantagonisten), 28 % der ARNI, 13 % der Betablocker, 14 % der MRA und 99 % der SGLT2i erreicht.


Bei 19–36 % der Teilnehmenden mit fehlenden Medikamenten gab es Angaben zu Nebenwirkungen oder Intoleranz, während es bei 60–80 % der Personen aus den klinischen Unterlagen nicht ersichtlich war, ob es einen Auftitrierungsversuch gab oder ob primär Unverträglichkeiten vorgelegen haben.


Bei Patientinnen und Patienten mit neu diagnostizierter Herzinsuffizienz (de novo) erhielten bereits knapp die Hälfte der Personen ein oder mehrere klassische HFrEF-Herzinsuffizienz-Medikamente aus anderen Indiktionen (z.B. arterielle Hypertonie, Vorhofflimmern oder Herzinfarkt).


Bei der Analyse der rekrutierenden Kliniken zeigte sich eine weite Spannbreite der Personen mit 4-fach-Herzinsuffizienz-Therapie, mit 37 % der Patientinnen und Patienten in der allgemeinen Kardiologie und 47 % in spezialisierten Herzinsuffizienz-Kliniken.


Personen mit sich verschlechternder Herzinsuffizienz hatten bezüglich aller Substanzklassen eine signifikant geringere Rate an entsprechender Vor-Medikation. Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt, dass bei Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz überwiegend die Diuretika angepasst wurden. Nur bei 34 % der Patientinnen und Patienten wurde ein zuvor fehlender SGLT-2-Hemmer ergänzt und bei 14 % RAASi auf ARNI umgestellt.

Kommentar 

 

Was bedeuten diese Resultate für Deutschland? Ich vermute, dass bei uns diese Ergebnisse (44 % der Patientinnen und Patienten mit 4-fach-Herzinsuffizienz-Therapie) in der breiten Versorgung noch nicht erreicht sind. Die Studie zeigt auch den Mehrwert von spezialisierten Herzinsuffizienz-Versorgungsschwerpunkten mit der dortigen besseren Umsetzung der empfohlenen Therapie. Die erzielten Ergebnisse weisen jedoch auch darauf hin, dass anhaltend viele Chancen, gerade zur Anpassung und Auftitrierung von Medikamenten bei Personen, die wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert sind, verpasst werden. Es bleibt also eine große Aufgabe für uns Kardiologen und Kardiologinnen, die wir nur gemeinsam in einer optimalen Vernetzungsstruktur zwischen Klinik und Niederlassung bewältigen können.

Zur Autorin

Prof. Birgit Aßmus

Prof. Birgit Aßmus ist leitende Oberärztin und W3-Professorin in der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Gießen (UKGM) sowie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen u. a. Telemedizin sowie evidenzbasierte Versorgungsoptimierung und Pathophysiologie bei Herzinsuffizienz.

Referenzen

 

  • Late-Breaking Clinical Trials 1: Contemporary guideline-directed medical therapy sequencing and titration in de novo, worsening, and chronic heart failure: first data from the TITRATE-HF study. Sprecher: Jasper Brugts. ESC Heart failure 10.–14.5.2024, Lissabon.
  • Malgie J, et al. Contemporary guideline-directed medical therapy in de novo, chronic, and worsening heart failure patients: First data from the TITRATE-HF study. Eur J Heart Fail. 2024 May 12. doi: 10.1002/ejhf.3267.

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