Neue Diuretika-Strategie bei akuter Herzinsuffizienz untersucht

Die aktuell geltenden ESC-Behandlungsempfehlungen bei akut dekompensierter Herzinsuffizienz wurden auf dem HFA-Kongress 2023 zur Diskussion gestellt. Bereits 2021 wurde in einem HFA-Positionspapier eine Erneuerung der Behandlungsstrategie empfohlen. In der prospektiven ENACT-HF-Studie zeigte sich 24 Stunden nach Therapiebeginn eine um 64 % erhöhte Natriurese verglichen mit dem Standardprotokoll. Es gilt jedoch Limitationen der Studie zu beachten.

Von Dr. Annabelle Eckert

Senior-Editor Prof. Dr. Johann Bauersachs

 

25.05.2023

Die akute Herzinsuffizienz ist gekennzeichnet durch das plötzliche Auftreten bzw. durch eine Zunahme der typischen Herzinsuffizienz-Symptome. Die akute Herzinsuffizienz mit Volumenüberladung wird gemäß der aktuell geltenden ESC-Leitlinien aus dem Jahr 2021 mit Schleifendiuretika behandelt.(1) Die Dosierung und Art der Verabreichung der Schleifendiuretika beruht hierbei jedoch hauptsächlich auf Expertenmeinungen.2 Ein Protokoll zur schrittweisen Diuretikagabe wurde bereits in einem Positionspapier der Heart Failure Association (HFA) vorgeschlagen. Das Ziel dieser Diuretika-Strategie war eine Erhöhung der diuretischen Wirkung zur schnellen Entstauung der betroffenen Patientinnen und Patienten. Dieses Konzept wurde nun erstmalig in der ENACT-HF-Studie prospektiv untersucht.(2,3)

Prospektive ENACT-HF-Studie prüft neue Diuretika-Strategie

Bei der ENACT-HF-Studie handelt es sich um eine prospektive, internationale, multizentrische, nicht-randomisierte, offene Studie. Die insgesamt 401 Studienteilnehmenden litten unter akut dekompensierter Herzinsuffizienz, hatten bereits eine chronische Schleifendiuretika-Therapie erhalten und waren zur intravenösen Schleifendiuretika-Therapie in ein Krankenhaus eingewiesen worden. Für den Studieneinschluss mussten folgende Kriterien erfüllt sein:

 

  • Mindestens ein Zeichen von Volumenüberladung (Ödem, Aszites oder Pleuraerguss)
  • Einnahme von ≥ 40 mg Furosemid oder eines äquivalenten Medikaments seit > 1 Monat
  • BNP > 250 ng/L oder N-terminales natriuretisches Peptid vom Pro-B-Typ > 1000 pg/Kubikliter

Frühes Therapieansprechen wird mittels Urintest geprüft

Die ENACT-HF-Studie verlief in zwei zeitlich getrennten Phasen mit zwei Therapiegruppen. In der ersten Phase wurde ein Teil der Studienteilnehmenden (n = 254) nach dem lokalen Behandlungsstandard therapiert. In der zweiten Phase erfolgte die Behandlung der erst später hierfür rekrutierten Studienteilnehmenden (n = 147) nach einem standardisierten Diuretika-Protokoll, nach dem im HFA-Positionspapier vorgeschlagenen Algorithmus. Gemäß der neuen Diuretika-Strategie erhielten die Patient:innen i.v. die doppelte Dosis der vorherigen oralen Dosis. Zur frühzeitigen Bewertung eines Therapieansprechens erfolgten Spot-Messungen des Natriums im Urin nach 2 und nach 6 Stunden. Falls 6 Stunden nach Therapiebeginn das Urin-Natrium < 50 mmol/L betrug oder die Urinausscheidung < 100 ml/h lag, erfolgte eine erneute Verdoppelung der Diuretika-Dosis (siehe Abbildung 1). Am zweiten Tag wurde geprüft, ob die Urinausscheidung unter bzw. über 3 Liter lag. Für den ersten Fall wurde die Dosis erneut verdoppelt. Für den zweiten Fall wurde die bisherige Therapie beibehalten. Der primäre Endpunkt der ENACT-HF-Studie war die Natriurese nach einem Tag.(3)

Flowchart zur Diuretika-Strategie der ENACT-HF-Studie Abbildung 1: Flowchart der ENACT-HF-Studie. BID: zweimal täglich; IV: intravenös (2,3)

Überzeugende Ergebnisse der neuen Diuretika-Strategie

Die Studienteilnehmenden waren im Durchschnitt rund 70 Jahre alt und vorwiegend männlich (62 %). Ein Tag nach Therapiebeginn mit der neuen Diuretika-Strategie war eine signifikante Verbesserung der Natriurese messbar [95-%-Konfidenzintervall (KI) 1,37–1,95; p < 0,001]: 174 mmol vs. 282 mmol. Dies entsprach einer 64-%-igen Zunahme der Diurese und übertraf damit das Studienziel von 50 %. Vor allem Studienteilnehmende mit einer niedrigen eGFR (< 49 ml/min/1,73 qm) profitierten von der Umstellung auf die neue Diuretika-Strategie. Das neue Behandlungskonzept war zudem sehr sicher. In beiden Therapiearmen kam es nur bei rund 12 % der Studienteilnehmenden zur Hypokaliämie und bei rund 5 % zur Hypotonie.(3)

Limitationen der ENACT-HF-Studie

Durch die geringe Anzahl an Studienteilnehmenden und den kurzen Untersuchungszeitraum von 2 Tagen besaß die Studie nicht die gewünschte Power, um die sekundären Endpunkte zufriedenstellend zu bewerten. Die sekundären Endpunkte waren u. a. eine Veränderung des Stauungs-Scores und des Körpergewichts gewesen. In der Studie zeigte sich – trotz der signifikant erhöhten Natriurese in Phase 2 – kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Therapiegruppen. Möglicherweise kann eine inkorrekte Messung des Körpergewichts durch das medizinische Personal im Krankenhaus einen Bias darstellen. Um Unterschiede hinsichtlich der Entstauung zu sehen, ist zudem ein längerer Untersuchungszeitraum nötig.(3)

Fazit der ENACT-HF-Studie

Die Natriurese-orientierte Diuretika-Strategie der ENACT-HF-Studie war sicher und ging einher mit:

 

  • einer signifikant verbesserten Natriurese bereits 24 Stunden nach Therapiebeginn,
  • einer verkürzten Krankenhausaufenthaltsdauer (um 1 Tag).
  • Allerdings waren klinische Endpunkte wie Stauungs-Scores und Körpergewicht nicht unterschiedlich.(3)

Referenzen

  1. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e.V. (2022). ESC Pocket Guidelines. Akute und chronische Herzinsuffizienz, Version 2021. Börm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald
    Kurzfassung der „2021 ESC Pocket Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure“ (European Heart Journal; 2021 - doi/10.1093/eurheartj/ehab368.
  2. Dauw J. et al. (2021). Rationale and Design of the Efficacy of a Standardized Diuretic Protocol in Acute Heart Failure Study. ESC Heart Fail. 2021 Dec;8(6):4685-4692.
  3. Dauw J. Efficacy of a Standardized Diuretic Protocol in Acute Heart Failure, Vorsitz: Chioncel O., Lindenfeld J., Ponikowski P., Heart Failure and World Congress on Acute Heart Failure 2023, Prag, 22. Mai 2023.

Das könnte Sie auch interessieren

REALIZE-K: Erkennbare Verbesserung durch SZC

AHA-Kongress 2024 | REALIZE-K: Könnte SZC dazu beitragen, den Einsatz von MRA bei HFrEF zu erleichtern? Von Prof. B. Aßmus.

Tirzepatid überzeugt bei HFpEF mit Adipositas

AHA-Kongress 2024 | SUMMIT: Der duale GIP-GLP-1-Agonist Tirzepatid senkte das Risiko für Herzinsuffizienz-Ereignisse signifikant um 38 % über 2 Jahre. Von Prof. J. Bauersachs.

CRISPR-Cas9 bei ATTR-Amyloidose

AHA-Kongress 2024 | Phase-1-Studie zur Behandlung der ATTR-Kardiomyopathie durch Gene Editing mittels Nexiguran ziclumeran. Von PD Dr. D. Lawall.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen