Wie Sie Herzinsuffizienz-Patienten an der Zunge erkennen

Die Mikroorganismen auf der Zunge unterscheiden sich bei Patienten mit Herzinsuffizienz und gesunden Menschen offenbar deutlich, legt eine chinesische Studie nahe. Möglicherweise kann diese Entdeckung Ärzte bei der Diagnose und Überwachung Betroffener unterstützen.

Von Joana Schmidt

 

26.06.2020

Schon allein vom Aussehen könne man die Zungen von gesunden Menschen und Herzinsuffizienzpatienten klar unterscheiden, so Dr. Tianhui Yuan von der Universität für chinesische Medizin in Guangzhou, der an der neuen Studie zum Mikrobiom der Zunge beteiligt war. Sie wurde bei der virtuellen Jahrestagung der Heart Failure Association 2020 vorgestellt.

 

„Normale Zungen sind hellrot mit einem hellweißen Belag, Patienten mit Herzinsuffizienz haben dagegen eine rötlichere Zunge mit gelbem Belag, deren Aussehen sich bei Fortschreiten der Erkrankung verändert“, erläutert er in einer Pressemitteilung der European Society of Cardiology (ESC). Ihre Studie habe ergeben, dass Menge, Zusammensetzung und die dominanten Bakterien im Zungenbelag bei Herzinsuffizienz-Patienten von denen gesunder Menschen abweichen.

Fördert mikrobielles Ungleichgewicht Entzündungsprozesse?

Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass sich anhand des Mikrobioms der Zunge Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs von gesunden Menschen unterscheiden lassen. Laut der Studienautoren könne dies als früher Marker für die Diagnose von Pankreaskarzinomen dienen. Da bestimmte Bakterien mit einer Immunität assoziiert seien, halten sie es für möglich, dass ein mikrobielles Ungleichgewicht Entzündungsprozesse und Erkrankungen fördern könnte.

 

Entzündungsmarker und Immunantwort spielen auch bei Herzinsuffizienz eine Rolle, sodass es Parallellen zwischen den früheren Befunden und der aktuellen Studie geben könnte. An dieser nahmen 42 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und 28 gesunde Kontrollpersonen teil, deren Zungenmikrobiom analysiert wurde. Personen mit Mund- oder Zahnerkrankungen wurden ausgeschlossen. Den Teilnehmern wurden morgens vor dem Frühstück Proben des Zungenbelags entnommen. Per 16S-rRNA-Gensequenzierung wurden die Bakterien darin identifiziert.

Zungenmikrobiom von Gesunden und Erkrankten völlig unterschiedlich

Das Ergebnis der Forscher: Die Zungen der Patienten mit Herzinsuffizienz waren von den gleichen Bakterien besiedelt, die sich jedoch von denen gesunder Menschen unterschieden, die untereinander ebenfalls die gleichen Mikroben teilten. Zwischen den Gruppen gab es keine Überlappungen.

 

Fünf Bakteriengattungen unterschieden Herzinsuffizienzpatienten von gesunden Personen: Capnocytophaga, TM7-Bakterien incertae sedis, Peptostreptococcus, Solobacterium und Eubacterium. Zudem beobachteten die Forscher eine Abnahme der Konzentration von Eubacterium und Solobacterium mit zunehmend fortgeschrittener Herzinsuffizienz.

 

Die Ergebnisse legen nahe, dass Mikroorganismen der Zunge, die sich leicht entnehmen lassen, bei Screening, Diagnose und langfristiger Überwachung von Herzinsuffizienz hilfreich sein könnten, so Yuan und Kollegen. Weitere Studien seien erforderlich, um die zugrundeliegenden Mechanismen, die das Zungenmikrobiom und die Herzfunktion miteinander verbinden, zu untersuchen.


Literatur

Yuan T et al. Tongue coating microbiome data distinguish patients with chronic heart failure from healthy. Vorgestellt im Rahmen von HFA Discoveries, eine wissenschaftliche Plattform der European Society of Cardiology (ESC) 2020.

 

Lu H et al. Tongue Coating Microbiome Data Distinguish Patients With Pancreatic Head Cancer From Healthy Controls. J Oral Microbiol. 2019;11:1563409.

 

ESC-Pressemitteilung: Tongue microbes provide window to heart health. 23.06.2020.

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