Alkohol und Vorhofflimmern: Macht die Trinkfrequenz einen Unterschied?

Je höher der Alkoholkonsum, desto größer ist das Risiko für Vorhofflimmern. Machen die Trinkgewohnheiten dabei einen Unterschied? Eine große koreanische Studie spricht jedenfalls dafür, dass regelmäßiges Trinken problematischer ist als gelegentliches Saufen.

Von: Philipp Grätzel

 

21.10.2019

Der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Vorhofflimmern gilt als recht gut belegt. Studien haben wiederholt einen Zusammenhang zwischen aufgenommener Alkoholmenge und der Häufigkeit von Vorhofflimmern gefunden, zumindest bei Männern und sofern mehr als nur gelegentlich getrunken wird. Eine vor einigen Jahren veröffentlichte Metaanalyse bezifferte den Anstieg des relativen Risikos, an Vorhofflimmern zu erkranken, auf 8 Prozent pro 12 Gramm Alkohol pro Woche. Sprich: Zwei Drinks am Tag verdoppeln das Risiko.

 

Unklar war bisher, ob die individuellen Trinkgewohnheiten das Risiko modifizieren. Was es dazu gibt, ist Kardiologenlatein: Das gerne im Studierendenunterricht bemühte Holiday-Heart-Syndrom beschreibt passagere Vorhofrhythmusstörungen nach Alkoholkonsum. Der Begriff suggeriert, dass es vor allem exzessive Trinkgelage und weniger das kontinuierliche, kontrollierte Trinken sind, die dem Herzrhythmus zu schaffen machen.

Einmal mehr: Viel Alkohol, viel Risiko für Vorhofflimmern

Eine koreanische Studie konnte diesen „Holiday-Heart“-Mythos jetzt nicht bestätigen. Die Studie basiert auf Daten von knapp 10 Millionen Probanden, die an einem dortigen nationalen Gesundheits-Checkup teilgenommen hatten und dabei recht detaillierte Angaben zu ihrem Trinkverhalten machten. In der Studie fand sich in der Gesamtschau kein durchgehend linearer Zusammenhang zwischen Gesamtalkoholmenge und neu aufgetretenem Vorhofflimmern.

 

In der Gruppe derer, die mehr als 210 Gramm Alkohol pro Woche – rund zwei Drinks am Tag – zu sich nahmen, betrug die Inzidenz von Vorhofflimmern 2,7% pro zehn Patientenjahre. Bei Nicht-Trinkern waren es 2,8%, bei leichten Trinkern – weniger als ein Glas pro Tag (105 Gramm pro Woche) – waren es 1,9%.

 

Das waren allerdings nur die nicht adjustierten Häufigkeiten. In der multivariaten Analyse war das relative Risiko, an Vorhofflimmern neu zu erkranken, bei starken Trinkern einmal mehr am deutlich höchsten: Es war um 21,5% höher als bei leichten Trinkern. Nicht-Trinker hatten im Vergleich zu leichten Trinkern ein um relativ 8,6% erhöhtes Risiko nach Adjustierung.

 

Bei Frauen war der Zusammenhang weniger ausgeprägt als bei Männern. Das alles bewegt sich im Rahmen der bisherigen Daten, die in Summe besagen, dass das Vorhofflimmerrisiko durch Alkohol insbesondere bei Männern steigt und vor allem dann, wenn mehr als nur gelegentlich getrunken wird.

 

Ist regelmäßiges Trinken das eigentliche proarrhythmogene Gift?

Anders als bisherige Studien haben sich die Koreaner neben der Gesamttrinkmenge aber auch die Trinkfrequenz und damit indirekt die Trinkmengen pro Trinksession angesehen. Dabei fand sich bei Menschen, die häufiger als zweimal pro Woche Alkohol konsumieren, ein klarer Zusammenhang zwischen der Zahl der „Trinkgelage“ pro Woche und dem Vorhofflimmern-Risiko. Männer, die täglich trinken, hatten nach Adjustierung im Vergleich zu Männern, die zweimal die Woche Alkohol konsumieren, ein 40 Prozent höheres Risiko. Bei Frauen ist der Zusammenhang erneut schwächer.

 

Spannend wurde es, als die Wissenschaftler die Trinkfrequenz pro Woche in das multivariate Modell für das Vorhofflimmerrisiko aufnahmen. Dann verschwand nämlich der Zusammenhang mit der Gesamtalkoholmenge komplett. Mit anderen Worten: Nimmt man die koreanische Studie für bare Münze, dann wäre die Gesamtalkoholmenge für das Vorhofflimmerrisiko weitgehend irrelevant, einzig die Trinkfrequenz macht das Risiko. Wer regelmäßig trinkt, erhöht sein Risiko. Wer dieselbe Menge Alkohol nach Art des Quartalssaufens nur am Wochenende in sich hineinkippt, der fährt, zumindest was Vorhofflimmern angeht, besser.

 

Das Ganze wird gestützt durch eine weitere Analyse, nämlich die Analyse des Zusammenhangs zwischen der Menge Alkohol pro Trinksession und dem Vorhofflimmerrisiko. Hier fand sich keine positive Korrelation, was ebenfalls dafür spricht, dass es die Trinkfrequenz ist, die dem Herzen Probleme macht, und nicht die Gesamtmenge Alkohol. Tatsächlich fand sich sogar eine umgekehrte Korrelation zwischen Trinkmenge pro Session und kardialem Risiko.

 

Dies könnte allerdings auch durch nicht berücksichtigte, andere Variablen bedingt sein. Die Autoren weisen außerdem darauf hin, dass ihre Analyse kein Freibrief für moderates Trinken sei. Auch hier könnten unerkannte Variablen hineinspielen, die das Vorhofflimmern-Risiko bei Nichttrinkern beeinflussen.


Literatur

Kim YG et al. Frequent drinking is a more important risk factor for new-onset atrial fibrillation than binge drinking: a nationwide population-based study. EP Europace 2019. 17. Oktober 2019. euz256

 

Larsson SC, Drca N, Wolk A. Alcohol consumption and risk of atrial fibrillation: a prospective study and dose-response meta-analysis. J Am Coll Cardiol. 2014;64:281-289. doi:10.1016/j.jacc.2014.03.048

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