Quick Dive: Antiarrhythmika

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Practical compendium of antiarrhythmic drugs

Clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the European Society of Cardiology

30.03.2025 | Verfasst von: Merino JL, Tamargo J, Blomström-Lundqvist C, Boriani G, Crijns HJGM, Dobrev D, Goette A, Hohnloser SH, Naccarelli GV, Reiffel JA, Tfelt-Hansen J, Martínez-Cossiani M, Camm AJ, Almendral Garrote JM, Średniawa B, Kułakowski P, Savelieva I, Potpara T, Gorenek B, Zamorano JL


Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

15.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Mitautor

Prof. Andreas Götte, St. Vincenz-Krankenhaus, Paderborn

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Das praktische Kompendium der Europäischen Herzrhythmus-Assoziation (EHRA) zum Gebrauch von Antiarrhythmika (AADs) bietet Ratschläge zu diesen Medikamenten, wobei der Schwerpunkt auf ihrem klinischen Einsatz und der globalen Auswirkung von Herzrhythmusstörungen liegt. Dieses Dokument soll praktischen Anweisungen für Klinikerinnen und Klinikern im Management von Arrhythmien dienen.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Die Pharmakologie von Antiarrhythmika sollte gekannt und bedacht werden.
  2. Die Initiierung von Antiarrhythmika erfordert zum Teil ein Telemetrie-Monitoring oder EKG-Kontrollen.
  3. Proarrhythmogene Wirkungen sind je nach antiarrhythmischer Substanz im Sinusrhythmus oder während einer Tachykardie/Bradykardie deutlich verschieden.
  4. Begleiterkrankungen und Kontraindikationen von antiarryhthmischen Substanzen müssen streng beachtet werden.
  5. Amiodaron-induzierte Hyperthyreosen sollten in AT1 und AT2 unterschieden werden, denn die Therapie inklusive Absetzen von Amiodaron variiert. 
Anwendung und Wirkung von Antiarrhythmika

Abb.: Anwendung und Wirkung von Antiarrhythmika. (Quelle: Merino et al. 2025)

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Neuere Untersuchungen zeigen, dass weltweit die Kenntnis zum Einsatz von Antiarrhythmika abnimmt. Überdosierungen, Unterdosierungen, Anwendung von Substanzen bei Patientinnen und Patienten mit Kontraindikationen sind keine Einzelfälle mehr. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die EHRA ein aktuelles Kompendium erstellt hat, das sämtliche Wirkungen von Antiarrhythmika nach dem neusten Stand der Wissenschaft systematisch erläutert. Hierbei sind die Anwendungen im praktischen Kontext beschrieben, wie zum Beispiel die Notwendigkeit der stationären Therapieeinleitung bei bestimmten Patientengruppen oder auch speziellen Substanzen.  

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Angesichts der nachlassenden Aufmerksamkeit für Antiarrhythmika aufgrund des Auftretens alternativer Therapien wie zum Beispiel die Katheterablation müssen dringlich die möglichen Interaktionen von pharmakologischen mit nicht-pharmakologischen Therapien systematisch evaluiert werden. Dies scheint auch deshalb wichtig, da in neueren Ablationsregistern gezeigt werden konnte, dass fast 50 % aller Patientinnen und Patienten nach Katheterablation auch weiterhin mit einzelnen antiarrhythmischen Substanzen behandelt werden.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Es gibt einige experimentelle therapeutische Ansätze zur pharmakologischen Therapie von Arrhythmien. Hierzu zählen neue Antagonisten von L-Typ-Kalziumkanälen oder HDAC6 oder auch inhalatives Flecainid. Ansätze zur spezifischen antifibrotischen Therapie im Vorhofmyokard oder Vorhofamyloid-reduzierenden Therapie sind sicher ebenfalls spannende Entwicklungen.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

Clinical consensus statement: Practical compendium of antiarrhythmic drugs

Merino JL, Tamargo J, Blomström-Lundqvist C, et al. Practical compendium of antiarrhythmic drugs: a clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the European Society of Cardiology. Europace. 2025;27(8):euaf076. doi:10.1093/europace/euaf076

Zur Person

Prof. Andreas Götte

Prof. Andreas Götte ist Chefarzt für Kardiologie und Innere Intensivmedizin am St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn. Er war von 2011 bis 2013 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Programmausschusses der European Heart Rhythm Association (EHRA), Mitautor von europäischen Vorhofflimmer-Leitlinien sowie mehrerer europäischer und globaler Consensus-Dokumente.


Kurzinfo: Die Formate der ESC-Publikationen

Die ESC Clinical Practice Guidelines geben die offizielle Position der ESC zu wichtigen Themen der Herz-Kreislauf-Medizin wieder. Sie basieren auf der Auswertung von wissenschaftlichen Publikationen und dem Konsens einer unabhängigen Expertengruppe. Die Dokumente enthalten standardisierte Empfehlungen für die klinische Praxis und geben den Grad der Evidenz an.

Die ESC Pocket Guidelines bieten eine kompakte, praxisorientierte Zusammenfassung der ausführlichen Leitlinien, einschließlich aller Empfehlungsklassen und Evidenzgrade.

Clinical Consensus Statements bieten Orientierung für das klinische Management zu Themen, die in bestehenden oder künftigen klinischen Leitlinien der ESC nicht oder nicht ausreichend abgedeckt werden, indem sie wissenschaftliche Erkenntnisse bewerten oder den Konsens von Expertinnen und Experten auf strukturierte Weise untersuchen.

Scientific Consensus Statements interpretieren wissenschaftliche Erkenntnisse und geben eine zusammenfassende Stellungnahme zu einem Thema ab, ohne konkrete Empfehlungen für die klinische Praxis zu geben.

Stellungnahmen umreißen und vermitteln die Position oder Richtlinien der ESC zu nichtmedizinischen Themen wie Bildung, Interessenvertretung und ethischen Überlegungen.

ESC Quality Indicators ermöglichen es Leistungserbringenden im Gesundheitswesen, valide und praktikable Messgrößen zu entwickeln, um die Qualität der kardiovaskulären Versorgung zu messen und zu verbessern sowie in einer bestimmten klinischen Situation Aspekte des Versorgungsprozesses zu beschreiben, deren Durchführung empfohlen (oder nicht empfohlen) wird.

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