Vorhofflimmern: Wie sicher ist eine Pill-in-the-Pocket-Therapie?

Unter bestimmten Voraussetzungen können Vorhofflimmern-Patienten ihre antiarrhythmische Behandlung bedarfsgerecht als Pill-in-the-Pocket einnehmen. Neuesten Daten zufolge scheint eine solche Strategie im Alltag auch sicher zu sein, wenngleich ein initiales Monitoring trotzdem für sinnvoll erachtet wird.

Von Veronika Schlimpert

 

16.01.2023

Eine Pill-in-the-Pocket-Strategie mit Klasse IC-Antiarrhythmika scheint für Vorhofflimmern-Patienten im Alltag relativ sicher möglich zu sein. Zu diesem Schluss kommen Kardiologen um Dr. Timothy Markman nach retrospektiver Auswertung klinikinterner Daten.

 

„Unsere Ergebnisse deuten an, dass schwerwiegende unerwünschte Ereignisse selten vorkommen, obwohl, wenn sie auftreten, benötigen sie häufig eine dringende Intervention“, berichten sie über die Details ihrer Analyse.

Pill-in-the-Pocket unter bestimmten Voraussetzungen möglich

Laut Leitlinien kann über eine bedarfsadaptierte Einnahme eines Antiarrhythmikums im Sinne eines Pill-in-the-Pocket bei bestimmten Vorhofflimmern-Patienten nachgedacht werden: und zwar bei Patienten mit selten auftretenden symptomatischen Episoden. Unter diese Voraussetzungen müssen die Patienten also nicht unbedingt eine tägliche Dosis des Medikamentes einnehmen, sondern können die Therapie nur dann beginnen, wenn Arrhythmie-Episoden auftreten. Die initiale Dosis sollte in solchen Fällen allerdings, so wird es jedenfalls von Experten und Leitlinien empfohlen, unter medizinischer Aufsicht erfolgen. Konkrete Dosisangaben für eine Pill-in-the-Pocket-Vorhofflimmern-Therapie werden in den Leitlinien nicht gemacht. In bisherigen Studien wurde überwiegend Flecainid 300 mg oder Propafenon 600 mg eingesetzt.

Die meisten Patienten bekamen initiale Dosis unter ärztlicher Aufsicht

Markman und Kollegen wollten nun einen Einblick gewinnen, inwieweit eine Pill-in-the-Pocket-Strategie zur Behandlung von Vorhofflimmern-Episoden im Alltag sicher ist. Dafür haben sie sich die Daten von 273 Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern, bei denen zwischen 2007 und 2020 an der Universitätsklinik Pennsylvania eine solche Pill-in-the-Pocket-Therapie initiiert worden war, genauer angeschaut. 55% von diesen hatten Flecainid als „Standby“-Therapie mitbekommen, der Rest Propafenon. 61% dieser Patienten hatten die erste Dosis des Medikaments in einem überwachten Setting (Notaufnahme oder während eines Krankenhausaufenthaltes) erhalten.

Schwerwiegende Nebenwirkungen waren selten

Bei 11 Patienten (4%) kam es nach Einnahme der initialen Dosis zu einem unerwünschten Ereignis, in 7 Fällen (3%) handelte es sich um ein schwerwiegendes Problem, darunter Vorhofflattern mit 1:1-Überleitung, Bradykardien, die ein Schrittmacherimplantation erforderten, Synkopen und Hypotensionen, wegen derer Vasopressoren eingesetzt werden mussten. Bei insgesamt vier Personen war angesichts solcher Ereignisse eine dringende Intervention vonnöten. Die Mehrheit der Patienten, bei denen die Behandlung eine schwere Nebenwirkung nach sich zog, hatte die initiale Dosis des Antiarrhythmikums in keinem überwachten Setting eingenommen (5 der insgesamt 7 Patienten).

 

Dieser Umstand spricht nach Ansicht von Markman und sein Team dafür, die initiale Dosis einer Pill-in-the-Pocket-Therapie unter einem Monitoring zu verabreichen. Die aktuellen Leitlinienempfehlungen seien angemessen, so die Kardiologen. Denn selbst wenn Nebenwirkungen selten waren, wenn es dazu kam, äußerten sich diese oft schwerwiegend und erforderten ein dringliches Eingreifen, erläutern sie ihre Ansichten.

Niedrige Dosen waren nebenwirkungsarmer, aber weniger effizient

Ein weiterer interessanter Befund der Studie war, dass jene Patienten, die eine niedrigere Dosis von Flecainid und Propafenon, also weniger als 300 mg bzw. 600 mg, eingenommen hatten, seltener Nebenwirkungen entwickelten (n=127). Allerdings war die niedrigere Dosis auch weniger effizient: Bei 60% der auf diese Weise behandelten Patienten wurde der Sinusrhythmus wiederhergestellt, wohingegen die Kardioversions-Rate in der Gesamtkohorte bei 73% gelegen hat.

 

Trotz allem erachten die Studienautoren das Konzept einer niedrig dosierten Pill-in-the-Pocket-Therapie für attraktiv, da dieses womöglich ohne die Notwendigkeit eines Monitorings eingesetzt werden könne. Sie wünschen sich deshalb die Initiierung prospektiver Studien, in denen die Sicherheit und Effektivität einer solchen Therapie evaluiert wird.  

 

Wichtige Limitationen der aktuellen Studien sind ihr retrospektives und monozentrisches Design.

 


Literatur

Markman T et al. Safety of Pill-in-the-Pocket Class 1C Antiarrhythmic Drugs for Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol EP 2022;8:1515–1520

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