Die Studie von Huang et al. ist interessant und reiht sich ein in Studien, die Umweltfaktoren wie Lärm, Temperatur und Luftverschmutzung im Zusammenhang mit dem Risiko eines Myokardinfarkts untersucht haben. Die Daten zeigen, dass eine niedrige Außentemperatur mit einem erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt einhergeht und dass dieses Risiko etwas höher für MINOCA als für MI-CAD ist.
Beim Lesen der Studie fallen zunächst die Einschlusskriterien auf. Patientinnen und Patienten mit MINOCA durften keine Vorgeschichte einer stenosierenden KHK haben und auch bisher keine koronare Revaskularisation. Darüber hinaus durften die MINOCA-Patientinnen und -Patienten keine epikardialen Stenosen >50 % aufweisen. Auch wenn die Grenze von 50 % für viele Studien und Definitionen für MINOCA verwendet wird, ist sie wahrscheinlich doch nicht gut geeignet, um eine saubere Klassifikation durchzuführen. Es ist schon lange bekannt, dass epikardiale Stenosen <50 % hämodynamisch relevant und im Gegenzug epikardiale Stenosen >50 % hämodynamisch nicht relevant sein können.3 Für eine saubere Analyse wäre daher auch ein Vergleich von Patientinnen und Patienten mit epikardialen Stenosen <20 % und solchen >90 % interessant gewesen. Die Einschlusskriterien für MI-CAD sind ebenfalls erwähnenswert. Dies war definiert als Patientinnen und Patienten mit Vorgeschichte einer stenosierenden KHK, einer erfolgten Revaskularisation oder einer Stenose >50 % in den Koronararterien. Gemeint waren wahrscheinlich Patientinnen und Patienten, die alle 3 Einschlusskriterien erfüllen, wie Abbildung 1 der Arbeit suggeriert.
Der Blick ins Supplementary Material lohnt sich, um die beiden Gruppen besser zu verstehen. Klinisch als STEMI präsentierten sich 27 % der MINOCA- im Vergleich zu 62% der MI-CAD-Gruppe. Dies erklärt auch eine deutlich längere Zeit von Symptombeginn bis zur Herzkatheteruntersuchung bei den MINOCA- im Vergleich zu den MI-CAD-Patientinnen und -Patienten (957 vs. 686 Minuten). Darüber hinaus waren in der MINOCA-Gruppe fast doppelt so viele COPD-Fälle im Vergleich zur MI-CAD-Gruppe.
Auch wenn die Prävalenz von MINOCA in der vorliegenden Studie von 9 % im Bereich der internationalen Literatur liegt, kann die Studie leider keine weitere Differenzierung der Mechanismen für die akute klinische Präsentation liefern. Hierzu zählen Koronarspasmen, eine mikrovaskuläre Dysfunktion, eine Spontandissektion der epikardialen Gefäße, eine Koronarembolie, etc. Somit bleibt unklar, ob eine dieser Entitäten besonders „empfindlich“ für niedrige Außentemperaturen ist. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass Koronarspasmen bei Menschen aus Asien besonders häufig die Ursache für MINOCA sind. Dies wurde in der Studie aber nicht untersucht und leider wurde die Häufigkeit der Verschreibung von Kalziumantagonisten (First-line-Therapie bei Koronarspasmen) in der Entlassmedikation auch nicht angegeben. Überraschenderweise wurden aber 67 % der MINOCA-Gruppe mit einer DAPT (duale Thrombozytenaggregationshemmung) behandelt im Vergleich zu 79 % in der MI-CAD-Gruppe. Beide Zahlen sind überraschend, würde man doch davon ausgehen, dass fast alle Personen der MI-CAD-Gruppe eine DAPT benötigten und im Gegenzug eine DAPT bei MINOCA deutlich seltener indiziert wäre.
Schließlich sollte darauf hingewiesen werden, dass die gefundenen Unterschiede zwischen MINOCA und MI-CAD bei niedrigen Außentemperaturen gering sind (Odds Ratio 1,58 für MINOCA vs. 1,25 für MI-CAD). Trotzdem weisen die Daten darauf hin, dass niedrige Außentemperaturen das Auftreten eines Myokardinfarkts begünstigen können. Dies kann für präventive Maßnahmen von Bedeutung sein.