Überlegenheit der mechanischen Thrombektomie?

 

TCT-Kongress 2024 | PEERLESS: Für die Behandlung der akuten Lungenembolie (LE) wurden in den letzten Jahren neue interventionelle Verfahren entwickelt. PEERLESS ist die erste Studie zum direkten Vergleich der mechanischen Large-Bore Thrombektomie (LBMT) gegenüber der kathetergestützten Thrombolyse (CDT) zur Behandlung der akuten mittelschweren LE. Dabei wurde die Hypothese geprüft, ob die LBMT vs. CDT die Inzidenz unerwünschter Ereignisse verringern kann.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar:

Prof. Felix Mahfoud

Universitätsspital Basel

 

31.10.2024

 

Bildquelle (Bild oben): RozenskiP / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Trotz Fortschritte bleibt die Lungenembolie (LE) die dritthäufigste Ursache für kardiovaskuläre Todesfälle. Die Hochrisiko-LE wird derzeit mit der schnellen Reperfusionstherapie behandelt. Angesichts der hohen Blutungsrate, einschließlich intrakranieller Blutungen (ICH), wird dagegen bei einem mittleren Risiko und objektivem Nachweis einer Funktionsstörung des rechten Ventrikels (RV) eine Antikoagulationstherapie empfohlen. Aufgrund der beobachteten hohen Raten an Frühsterblichkeit (3 bis 15 %) und klinischen Verschlechterungen (5 bis 18 %), gibt es jedoch einen dringenden Bedarf für alternative Therapien.

 

Beobachtungsstudien zur mechanischen Thrombektomie im Vergleich zur kathetergestützten Thrombolyse haben bereits positive Ergebnisse bei der Behandlung der LE mit mittlerem Risiko geliefert, aber randomisierte kontrollierte Studien fehlen bisher. Die Lücke konnte die PEERLESS-Studie nun schließen.

Studiendesign

 

In der multizentrischen PEERLESS-Studie wurden 550 Personen mit mittlerem LE-Risiko und rechtsventrikulärer Dilatation entweder mit der mechanischen Large-Bore Thrombektomie (LBMT) oder mit der kathetergesteuerten Thrombolyse (CDT) behandelt. Der primäre Endpunkt war das hierarchische Win Ratio (WR) aus: Gesamtmortalität, intrakraniellen Blutungen, schweren Blutungen, klinischen Verschlechterung und/oder Verschlechterung des klinischen Zustands und/oder Eskalation und postprozedurale Intensivstation-Einweisungen einschließlich Aufenthaltsdauer, bewertet zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung oder 7 Tage nach dem Eingriff. Zusätzlich wurden nach 24 Stunden folgende Parameter erfasst: Atemfrequenz, mMRC-Dyspnoe-Score, NYHA-Klassifikation, RV-Funktion und LV/RV-Ratio-Reduktion, sowie nach 30 Tagen: Hospitalisierungsdauer, Rehospitalisierungen und Gesamtmortalität.

Ergebnisse

 

Der primäre Endpunkt trat in der LBMT-Gruppe signifikant seltener auf gegenüber der CDT-Gruppe: WR 5,01; 95%-KI (3,68-6,97); p < 0,001. Auch klinische Verschlechterungen und/oder Bailouts waren in der LBMT-Gruppe signifikant seltener (1,8 % vs. 5,4 %; p = 0,04) sowie die Notwendigkeit von postprozeduralen IUC-Inanspruchnahmen (p < 0,001), was sowohl IUC-Einweisungen (41,6 % vs. 98,6 %) als auch IUC-Aufenthalte > 24 Stunden (19,3 % vs. 64,5 %) betraf.

Kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen wurde beobachtet für intrakranielle oder größere Blutungen. Auch die Mortalität war in beiden Gruppen vergleichbar gering. Bei der 24-Stunden-Visite war die Atemfrequenz in der LBMT-Gruppe niedriger (18,3±3,3 vs. 20,1±5,1; p < 0,001) und weniger Personen hatten einen mMRC-Score, der einer moderaten bis schweren Dyspnoe entsprach (13,5 % vs. 26,4 %; p < 0,001).

Fazit

 

In der PEERLESS-Studie wurde der primäre Endpunkt zugunsten der mechanischen Thrombektomie erreicht, wodurch die Überlegenheit gegenüber der kathetergestützten Thrombolyse nachgewiesen wurde. Die Benefits der mechanischen Thrombektomie waren vor allem auf eine geringere klinische Verschlechterung und weniger Aufenthalte auf der Intensivstation zurückzuführen.

Expertenkommentar von Prof. Felix Mahfoud

 

Die PEERLESS-Studie ist die erste größere randomisierte, kontrollierte Studie die zwei unterschiedliche Kathetersysteme (katheter-basierte Thrombolyse versus Thrombusaspiration mittels Flowtriever System) zur Behandlung der akuten intermediate risk Lungenembolie untersucht hat. Der primäre Endpunkt der Studie (Win Ratio) wurde erreicht, mit mehr „Wins“ in der Thrombusaspiration Gruppe. Schaut man sich die einzelnen Komponenten der Win-Ratio Analyse an, so fällt auf, dass die objektiven Endpunkte wie Gesamtsterblichkeit, intrakranielle Blutungen oder grosse Blutungen nicht unterschiedlich zwischen den Gruppen waren. Insbesondere in den (subjektiveren) Endpunkten der klinischen Verschlechterung bzw. der Inanspruchnahme der Intensivstation war die Behandlung mittels Flowtriever überlegen. Der Aufenthalt auf der Intensivstation ist jedoch vor allem auch durch die unterschiedliche Behandlungsstrategien erklärt, denn in den meisten Zentren werden Patienten für die Dauer einer katheter-basierten Thrombolyse (in der Studie im Mittel 15 Stunden) auf einer Intensivstation überwacht. Nach einer mechanischen Thrombolyse scheint es hingegen sicher zu sein, auf eine Überwachung zu verzichten. Auch zeigte sich nach der mechanischen Thrombektomie eine raschere Verbesserung der klinischen Symptomatik und hämodynamischen Situation (nach 24 Stunden). Dieser Unterschied zwischen den Gruppen war nach 30 Tagen nicht mehr zu sehen. Der klinisch relevante Endpunkt Re-Hospitalisation nach 30 Tagen war in der katheter-basierte Thrombolyse Gruppe signifikant (2,5x) häufiger als in der Flowtriever Gruppe.

 

In der Kontrollgruppe wurden mehrere Systeme zur katheter-basierten Thrombolyse zugelassen (60% Ultraschall-basierte Thrombolyse) die keinem standardisierten Protokoll folgten, was zu einer Heterogenität geführt haben könnte.

 

Die PEERLESS Studie zeigt, dass katheter-basierte Thrombolyse und mechanische Thrombektomie gleichermaßen sicher sind und alternative Ansätze mit unterschiedlichen Merkmalen darstellen (z. B. Behandlungsdauer, Verfahrensanforderungen, sofortige vs. verzögerte Symptombeseitigung, Ressourcennutzung usw.). Die Wahl zwischen diesen Therapien sollte von patientenspezifischen Faktoren, logistischen Überlegungen und den institutionellen Ressourcen abhängen. Die grundlegende Frage, ob eine interventionelle Therapie der Standardbehandlung (konservativ mittels Antikoagulation/systemische Thrombolyse) überlegen ist, bleibt unbeantwortet und wird hoffentlich durch die laufenden HI PEITHO, PEERLESS-II, PE-TRACT und PERSEVERE Studien beantwortet werden.

Prof. Felix Mahfoud

 

Prof. Felix Mahfoud ist als Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Basel tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen u.a. die Präventionsmedizin und die interventionelle Kardiologie. Innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ist er Mitglied der Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin und Chair des Communications Committee der European Society of Cardiology.


Referenzen

 

  1. Jaber AW. Large-bore Mechanical Thrombectomy versus Catheter-directed Thrombolysis in the Management of Intermediate-risk Pulmonary Embolism: Primary Results of the PEERLESS Randomized Controlled Trial. Late-Breaking Clinical Trials: Session II, in Collaboration with The Lancet, TCT2024, 28.10.-30.10.24, Washington
  2. Jaber AW et al. Large-bore Mechanical Thrombectomy versus Catheter-directed Thrombolysis in the Management of Intermediate-risk Pulmonary Embolism: Primary Results of the PEERLESS Randomized Controlled Trial. Circulation. 2024 Oct 29. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.124.072364. Epub ahead of print.

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