KI in der Stress-Echokardiographie: Potenziale und Grenzen

 

ESC-Kongress 2024 | PROTEUS: Die randomisierte, kontrollierte Studie untersuchte an 2.341 Patientinnen und Patienten, ob KI die klinische Entscheidungsfindung in der Stress-Echokardiographie verbessert. Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede im primären Endpunkt. Die PROTEUS-Studie weist aber darauf hin, dass Künstliche Intelligenz (KI) in der Stress-Echokardiographie (SE) dazu beitragen kann, die diagnostische Genauigkeit von weniger erfahrenen Klinikerinnen und Klinikern zu verbessern.

Von:

Dr. Hannah Billig

Rubrikleiterin Digitale Kardiologie

 

04.09.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Iakov Kalinin / Shutterstock.com

SE ist eine gängige Methode zur nicht-invasiven Beurteilung der koronaren Herzkrankheit. Die Genauigkeit der Diagnostik variiert jedoch stark, abhängig von der Erfahrung der Klinikerinnen und Klinikern sowie der Qualität der Bildgebung, mit Genauigkeitsraten zwischen 60 % und 94 %.

 

Die PROTEUS-Studie wurde initiiert, um zu evaluieren, ob der Einsatz von KI in der SE die klinische Entscheidungsfindung verbessern kann, insbesondere in der Identifikation von Patientinnen und Patienten, die von einer invasiven Untersuchung und Behandlung profitieren könnten.

Methodik 

 

In dieser randomisierten, kontrollierten Studie wurden 2.341 Patientinnen und Patienten in 20 Kliniken in Großbritannien im Verhältnis 1:1 entweder der herkömmlichen klinischen Entscheidungsfindung oder der KI-unterstützten Entscheidungsfindung zugeordnet. Die Patientinnen und Patienten wurden über einen Zeitraum von 6 Monaten nachbeobachtet.

Ergebnisse der PROTEUS-Studie

 

Bei 85 von 2.341 Patientinnen und Patienten wurde die Durchführung einer Koronarangiographie empfohlen (8 %). Es gab keinen signifikanten Unterschied in der Gesamtgenauigkeit zwischen der KI-gestützten und der herkömmlichen Entscheidungsfindung. Von den für eine Koronarangiographie empfohlenen Patientinnen und Patienten waren in der KI-Gruppe 34 von 49 Empfehlungen korrekt für das Vorliegen einer KHK, verglichen mit 27 von 36 in der Kontrollgruppe.

 

Hervorzuheben ist, dass es bei 41 Patientinnen und Patienten, die nicht für eine Koronarangiographie empfohlen wurden, innerhalb des Beobachtungszeitraums zu einem akuten Koronarsyndrom kam. Von diesen Patientinnen und Patienten waren 22 Patientinnen und Patienten in der Kontrollgruppe, während 19 Patientinnen und Patienten dem AI-Arm zugeordnet waren (nicht-signifikant). Die Analyse des sekundären Endpunkts ergab einen Vorteil für die Entscheidungsfindung mittels KI in sog. low-volume Zentren.

Limitationen der Studie

 

Die Studie konnte nicht nachweisen, dass KI der herkömmlichen Methode über- oder unterlegen ist, und es bleibt unklar, wie groß der Nutzen von KI in der breiten klinischen Anwendung ist. Die niedrige Gesamtempfehlungsrate zur Koronarangiographie von 8 % ist hinter den erwarteten 15 % (aus der EVAREST-Studie) zurückgeblieben. 

Fazit 

 

„Die Integration von KI in das Gesundheitswesen birgt großes Potenzial als Werkzeug, um medizinische Fachkräfte bei der schnelleren und genaueren Diagnose zu unterstützen und so eine frühere Behandlung zu ermöglichen“, so der Studienleiter Dr. Ross Upton, University of Oxford. Obwohl die Studie keine signifikanten Unterschiede im primären Endpunkt zeigen konnte, legt sie nahe, dass KI die Entscheidungsfindung für weniger erfahrene Klinikerinnen und Kliniker erleichtern und in Fällen, die eine größere diagnostische Herausforderung darstellen, von Nutzen sein könnte. Insgesamt unterstreicht das Outcome der PROTEUS-Studie die Notwendigkeit weiterer Forschung, um den optimalen Einsatz von KI in der klinischen Praxis zu bestimmen.  

Kommentar

 

Die Ergebnisse der PROTEUS-Studie bleiben hinter den hohen Erwartungen an das Potential der Bildinterpretation mittels KI zurück. Die KI „EchoGo Pro“ wurde auf den Daten der EVAREST-Studie trainiert. Während sie hier eine Sensitivität von 95 % erreichte, konnte sie in der prospektiven Studie lediglich 64 % erzielen. Auch wenn die niedrige Empfehlungsrate zur Koronarangiographie die statistische Interpretation der Ergebnisse erschwert, scheinen die Entscheidungen der KI denen der Ärzte nicht unterlegen zu sein. Das zeigt, dass die KI bereits heute das Potenzial hat, Ärztinnen und Ärzte in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Mit weiteren Trainingsdaten könnte sie in der Lage sein, noch fundiertere und damit den der Klinikerinnen und Klinikern überlegene Entscheidungen zu treffen.

 

In der klinischen Praxis könnte der Einsatz von KI, wie in der PROTEUS-Studie untersucht, insbesondere in besonderen Fällen oder für weniger erfahrene Ärztinnen und Ärzte hilfreich sein.  

Zur Autorin

Dr. Hannah Billig

Dr. Hannah Billig ist seit 2019 Assistenzärztin am Herzzentrum des Universitätsklinikums Bonn. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Aortenklappenstenose sowie der akuten Herzinsuffizienz. Außerdem ist sie stellv. Sprecherin der Young DGK.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

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