Social Media in Medizin und Kardiologie: Über Nutzung und Nutzen

Social Media gewinnt auch in der medizinischen Welt immer mehr an Bedeutung. Dr. Henrike Hillmann zeigt, wie Social Media Ärztinnen und Ärzten in der Kardiologie helfen kann. Informationsbeschaffung, Networking und Fortbildung – Plattformen wie LinkedIn, Twitter und Facebook bieten viele Vorteile, aber es gilt auch Fallstricke zu beachten.

Von Martin Nölke

 

10.05.2023

Im Rahmen der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) beleuchtete Dr. Henrike Hillmann, Hannover Herzrhythmus Centrum, die Möglichkeiten von Social Media für Kardiologinnen und Kardiologen und verwies auf aktuelle Umfragen und Studien zu dem Thema, wie dem #intEHRAct Survey 2022.

Dr. Hillmann über Social Media in Medizin und Kardiologie Dr. Henrike Hillmann referierte über die Nutzung von Social Media in Medizin und Kardiologie. Bildquelle: Martin Nölke / HKM

Wie Ärztinnen und Ärzte Social Media nutzen

Am #intEHRAct Survey 2022 nahmen 285 Ärztinnen und Ärzte aus 35 Ländern teil. Anhand von 19 Fragen gaben sie Auskunft, wie sie Social Media nutzen. 64 Prozent der Befragten nutzten Social Media sowohl privat als auch beruflich. Besonders beliebt waren dabei LinkedIn, Twitter und Facebook. Während die meisten Nutzerinnen und Nutzer eher passiv blieben und hauptsächlich mitlasen, gab es auch eine kleine Gruppe von unter 10 Prozent der Befragten, die als „Super Userinnen“ und „Super User“ täglich mehrere Stunden auf Social Media aktiv waren, posteten und interagierten.

 

„Die meisten Social-Media-Nutzenden kamen aus Universitätskliniken und machten 58 Prozent der Befragten aus. Der Anteil an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten lag unter 3 Prozent“, erläuterte Hillmann.

Vielfältige Gründe für die Nutzung von Social Media

Als Hauptgründe für die Verbreitung von Social Media nannte Hillmann unter anderem die kostenfreie Verfügbarkeit, die Möglichkeit zum Austauschen in Echtzeit und das einfache Überwinden räumlicher Distanzen. Die berufliche Nutzung von Twitter und Co vertiefte sie anhand von drei zentralen Aspekten:

 

  • „Spread the word“ –Verbreitung von Informationen
  • „Interact“ – Networking mithilfe von Social Media
  • „Become an expert“ – Fortbildung durch soziale Medien

„Spread the word“ – Wissenschaftliche Erkenntnisse schnell verbreiten

Laut dem #intEHRAct Survey 2022 nutzten Ärztinnen und Ärzte Social Media insbesondere, um sich bei aktuellen Studien (66 Prozent) auf dem Laufenden zu halten. Fachzeitschriften wie „The New England Journal of Medicine“ haben die Vorteile von Social Media erkannt und nutzen Twitter und andere Social-Media-Kanäle, um ihre Publikationen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Hillmann zeigte anhand eines Beispiels, wie Journals, Autorinnen und Autoren sowie interessierte Dritte durch das Teilen der Publikationen über ihre Social-Media-Accounts die Sichtbarkeit von Arbeiten erhöhen.

 

Als Beleg für den Nutzen des Twitterns führte Hillmann eine Studie von Ladeiras-Lopes et al. (2022) an. Dort wurde randomisiert mit knapp 700 Papern aus der ESC-Journal-Familie getestet: Eine Hälfte wurde ohne Twitter-Aktivität publiziert, die andere Hälfte inklusive der Verbreitung über Twitter. Die Zitierungsraten der getwitterten Artikel waren durchschnittlich um 12 Prozent erhöht (95-%-KI: 1,08–1,15).

 

Des Weiteren wies Hillmann auf Zusatzinhalte auf den Social-Media-Kanälen der Journals hin. So werden dort ergänzende Fachinhalte wie Podcasts oder kurze Videos zu spezifischen Themen angeboten, die Interessierte nutzen können.

Social Media vor, während und nach Kongressen

Der „Spread the word“-Aspekt spielt auch bei Kongressen eine große Rolle: Während Kongressen ist auf Social Media ein erhöhter Traffic zu verzeichnen, so Hillmann. Viele Nutzerinnen und Nutzer verfolgen Kongressinhalte asynchron, also nach dem Kongress, und verwenden die Hashtags der jeweiligen Kongresse, um auch nach der Veranstaltung auf Beiträge zuzugreifen. Dabei organisieren Fachgesellschaften wie DGK auf ihren Kongressen Social-Media-Botschafter und -Botschafterinnen, „Ambassadors“, die zu ihren Themen posten und als Multiplikatoren fungieren.

 

„Neben jeder Session gibt es viele weitere Sessions, in der wir gerne wären, aber man kann nicht überall sein. Durch die Ambassadors sehen wir, was es sonst noch gibt und verpassen nichts.“
Dr. Henrike Hillmann über die Kongressberichterstattung durch Social-Media-Botschafter und -Botschafterinnen

 

Social Media kann zudem helfen, sich über anstehende Veranstaltungen zu informieren. Sowohl nationale als auch regionale Events lassen sich dort finden.

„Interact“ – Kontakte knüpfen und pflegen über Social Media

Die zweithäufigste Nennung bei der Social-Media-Nutzung im #intEHRAct Survey 2022 war das „Networking“, mit knapp 49 Prozent. Die auf Kongressen oder Veranstaltungen geknüpften Kontakte können über soziale Medien fortgeführt und vertieft werden.

 

„Wir sind alle hier zum Networking – und wir gehen alle irgendwann nach Hause. Social Media erleichtert das Networking im Nachhinein fortzuführen.“
Dr. Henrike Hillmann

 

Natürlich können die Sozialen Medien auch helfen, Erstkontakte zu knüpfen und neue berufliche Beziehungen aufzubauen.

„Become an expert“ – Von anderen lernen und eigene Erfahrungen teilen

Fallbasiertes Lernen zwecks Fortbildung ist bei Ärztinnen und Ärzten sehr beliebt, wie Hillmann anhand einer Umfrage verdeutlicht. Social Media bietet die Möglichkeit, interessante Fälle nicht nur darzustellen, sondern auch zu diskutieren. Im #intEHRAct Survey 2022 waren Fallstudien die dritthäufigste Nennung bei der Social-Media-Nutzung.

 

„Auch wer sich nicht selbst beteiligen möchte: Einfach mal Mäuschen spielen und als stille Mitleserin und Mitleser den Austausch zu Themen, Artikeln und Fällen verfolgen – dadurch erfährt man schon einiges.“
Dr. Henrike Hillmann über Fortbildung per Social Media

 

Eine weitere Form von Fortbildungsinhalten sind „Tweetorials“, kurze Beiträge zu bestimmten Themen, so Hillmann. Sie bieten oft übersichtliche Informationen, die schnell nachgelesen werden können. Je nach Social-Media-Plattform sind auch ausführlichere Formate, wie zum Beispiel längere Videos auf YouTube, verfügbar, um tiefergehende Informationen zu spezifischen Themen zu erhalten.

Als Ärztin und Arzt verantwortungsvoll mit Social Media umgehen

Neben zahlreichen Vorteilen benannten die Befragten des #intEHRAct Survey 2022 auch die Nachteile bei der Social-Media-Nutzung. Darunter waren insbesondere: kein persönlicher Kontakt, keine Möglichkeit der Sammlung von Praxiserfahrung und die fehlende Kontrolle über die Informationsqualität. Die Informationen kritisch zu prüfen beziehungsweise zu hinterfragen, ist aufgrund des fehlenden Peer Reviews in Social Media für Ärztinnen und Ärzte zentral. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Umgang mit Daten von Patientinnen und Patienten. Diese Daten sollten nur anonymisiert und nur nach schriftlicher Zustimmung der Behandelten auf Social Media geteilt werden. Dabei sind zudem die Richtlinien des eigenen Arbeitgebers zu berücksichtigen.

Fazit für die Praxis in der Kardiologie

Wie Dr. Henrike Hillmann ausführte, bietet die Nutzung von Social Media Ärztinnen und Ärzten, wie Kardiologinnen und Kardiologen, vielfältige Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, des Networkings und der Fortbildung. Sowohl im universitären Umfeld als auch in der Praxis kann Social Media nützlich sein und dazu beitragen, sich auf dem neuesten Stand der Forschung und Praxis zu halten. Dabei ist es wichtig, Informationen kritisch zu hinterfragen und mit sensiblen Daten verantwortungsvoll umzugehen. Insgesamt bieten soziale Medien eine praktische und flexible Möglichkeit, das eigene Fachwissen zu erweitern, sich mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt auszutauschen und nicht zuletzt auch die eigene Sichtbarkeit im Fachgebiet zu erhöhen.

Link zum Vortrag


Hier finden Sie das Video zum Vortrag auf der DGK-Jahrestagung 2023: Umdenken überall: Social Media von NEJM bis zur Praxis von Nebenan

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Referenzen

  • Guerra F et al. The use of social media for professional purposes by healthcare professionals: the #intEHRAct survey. EP Europace, Volume 24, Issue 4, April 2022, Pages 691–696, https://doi.org/10.1093/europace/euab244
  • Hillmann H. Umdenken überall: Social Media von NEJM bis zur Praxis von Nebenan. 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Vortrag eCardiology-Sitzung: Soziale Medien als dynamische Wissensplattform. Moderation: Freund A, Rafflenbeul E, 14. April 2023.
  • Ladeiras-Lopes R et al. Twitter promotion is associated with higher citation rates of cardiovascular articles: the ESC Journals Randomized Study. European Heart Journal, Volume 43, Issue 19, 14 May 2022, Pages 1794–1798, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac150

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