Update zum Takotsubo-Syndrom

 

ESC-Kongress 2024 | Das Takotsubo-Syndrom (TTS) ist seit Jahrzehnten als eigene Krankheitsentität bekannt, jedoch sind weiterhin nicht alle pathophysiologischen Mechanismen aufgeklärt. In der Session über die „Takotsubo Kardiomyopathie“ auf dem ESC-Kongress wurden die aktuellen Erkenntnisse rund um die Diagnostik und Therapie des TTS  von Rodolfo Citro, Janine Poess und Hector Bueno vorgestellt.

 

 

Von:

Dr. Dominik Scharpf

SLK-Kliniken Heilbronn

 

 

 

09.09.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Iakov Kalinin / Shutterstock.com

Das klinische Bild des TTS

 

Das TTS betrifft zu 90 % Frauen, hierbei schwerpunktmäßig im postmenopausalen Alter. Bekanntermaßen können Triggerfaktoren die myokardiale Erkrankung auslösen, neben emotionalen Triggern, wobei hierbei neben negativen („Broken-Heart-Syndrome“) auch positive emotionale Trigger möglich sind („Happy-Heart-Syndrome“), sind auch physikalische Trigger (hier vor allem zerebrale Akuterkrankungen wie Hirnblutungen und Schlaganfälle) bekannt. Jedoch ist es in 25 % der Fälle nicht möglich, einen klaren Trigger zu eruieren. Klinisch führend sind zu ca. 70 % Thoraxschmerzen, zu ca. 40 % liegt Dyspnoe als Leitsymptom vor.


An Befunden liegen häufig EKG-Veränderungen vor, hierbei sind neben ST-Streckenhebungen (44 %) T-Wellen-Inversionen typisch (42 %). Des Weiteren liegt bei ca. 48 % der Patientinnen und Patienten bereits initial eine QTc-Verlängerung vor, welche Implikationen für die weitere Therapie nach sich zieht. In der Bildgebung imponiert bei der klassischen Form, das legendäre „apical ballooning“ mit Akinesie des Apex bei Hyperkontraktilität der basalen Segmente. Neben der klassischen Form liegt bei ca. 15 % der Patientinnen und Patienten das TTS mit midventrikulärer Obstruktion vor, in seltenen Fällen liegt die myokardiale Störung basal oder fokal an anderen Segmenten vor. Interessanterweise liegt das atypische Muster häufiger bei jüngeren Patientinnen, sowie im Rahmen neurologischer Akuterkrankungen vor. Die LV-Funktionseinschränkung ist bei der atypischen Form meist geringer ausgeprägt, passend zu wenig stark erhöhten Biomarkern (Troponin, NT-proBNP).


Koronarangiographisch können bei 10 % der TTS-Patientinnen und -Patienten begleitend eine obstruktive 1-Gefäßerkrankung gesehen werden, laevokardiographisch imponieren dann die TTS-Muster analog zur Echokardiographie. Auch kann eine Plaqueruptur ohne Gefäßverschluss einen Trigger für die Entstehung eines TTS darstellen.


Im Gegensatz zu einem klassischen ACS (NSTEMI, STEMI) ist die Kinetik der Biomarker im TTS deutlich unterschiedlich. So zeigen die Troponinwerte häufig nur einen geringeren Anstieg bei, im Vergleich zur Troponinkinetik, deutlicher ausgeprägterer Dynamik der NT-proBNP-Werte.


Als pathophysiologisches Korrelat der LV-Funktionseinschränkung imponiert in der MRT-Untersuchung ein myokardiales Ödem, pathognomonisch für das TTS. Bzgl. der Einschätzung der Prognose des TTS geht eine RH-Beteiligung mit „biventrikulärem Ballooning“ und häufig Nachweis eines „reverse McConnell´s sign“ mit einer deutlichen schlechteren Prognose einher.


Dass das Takotsubo-Syndrom (TTS) durchaus mit einer relevanten Mortalität vergesellschaftet ist, zeigen Daten aus einem großen Register. So entwickeln ca. 10 % der Patienten mit einem TTS einen kardiogenen Schock, die innerklinische Mortalität liegt hier bei ca. 14 %. Als Prädiktoren für ein schlechtes Outcome konnten hier ein Alter < 70 Jahren, physikalische Triggerfaktoren, ein akutes neurologisches Geschehen, ein initial hohes Troponin sowie eine LV-Funktion < 45 % bei Aufnahme herausgearbeitet werden.


Pathophysiologisch liegt bei ca. 20 % der Patienten eine Obstruktion des Ausflusstraktes vor (LVOTO), Ursache ist hierbei das apikale Stunning des Myokards, mit konsekutiver Hyperkontraktion der basalen Segmente. Das Vorliegen dieser Ausflusstraktobstruktion prädestiniert zur Entwicklung eines kardiogenen Schocks, daher sollte hierauf das Augenmerk in den, im Idealfall seriellen, echokardiographischen Untersuchungen liegen.

Die Therapie des TTS

 

Bei Patientinnen und Patienten mit Nachweis einer Ausflusstraktobstruktion (LVOTO) sollten Inotropika und Nitra vermieden, stattdessen intravenös mit kurzwirksamen Betablockern (außer im manifesten kardiogenen Schock oder im Rahmen von Bradykardien) und Vasopressoren therapiert, sowie der Volumenstatus optimiert, werden.


Im Rahmen eines kardiogenen Schocks aufgrund einer Ausflusstraktobstruktion kann die Insertion einer LV-Impella im kardiogenen Schock sinnvoll sein, da hierdurch der durch das TTS erhöhte diastolische LV-Druck aktiv entlastet werden kann.


Neben der LV-Ausflusstraktobstruktion können aber auch eine schwere Einschränkung der LV-Funktion, eine hochgradige Mitralklappeninsuffizienz oder eine Rechtsherzbeteiligung eine hämodynamische Instabilität verursachen, so dass der Echokardiographie zur Differenzierung der zugrundenliegenden Pathologie und der damit verbundenen therapeutischen Konsequenz eine hohe Bedeutung zukommt.


Sollte der kardiogene Schock im Rahmen eines TTS primär auf das LV-Pumpversagen zurückzuführen sein, kann der Einsatz von Levosimendan sinnvoll sein, im weiter voranschreitenden Schock dann die Implantation einer LV-Impella zur Erhöhung des Herzzeitvolumens. Individuell ist bei therapierefraktärem Verlauf der Einsatz einer VA-ECMO zu diskutieren, mit dem bekannten Vor – und Nachteilen einer VA-ECMO-Therapie. Der Einsatz von mechanischen Unterstützungssystemen im kardiogenen Schock bleibt auch im Rahmen des TTS daher sehr anspruchsvoll, viele Aspekte müssen in die Erwägungen einbezogen (u.a. Vermeidung von Komplikationen) werden, viele Fragen sind weiterhin nicht geklärt (optimales Timing? Vorteile einer früheren ECLS-Therapie? Ausmaß der Unterstützung? LV-Venting sinnvoll?).


Die Etablierung eines multiprofessionellen „Schock-Teams“, unter Einbeziehung alle beteiligen Fachdisziplinen, könnte das Outcome der Patienten ggf. verbessern.


TTS-Patientinnen und -Patienten zeigen ein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Arrhythmien (20 %), die Therapie dieser kann zunächst analog zur Therapie dieser unabhängig eines TTS erfolgen, es sollte jedoch ein besonderes Augenmerk auf die QTc-Zeit gerichtet werden, da diese bei-TTS Patientinnen und-Patienten sehr häufig verlängert ist. Aufgrund der QTc-Verlängerung ist daher vor allem das Risiko für TdP-Tachykardien deutlich erhöht. Im Rahmen von manifesten TdP-Tachykardien ist die Therapie mit Magnesiumsupplemention, ggf. passagerem tachykardem Pacing sowie Lidocain sinnvoll.  
Über die richtige Therapie nach initialer Stabilisierung herrscht weiterhin wenig Evidenz. Aufgrund der Annahme eines „Overload“ an endogenen Katecholaminen im Kontext des TTS, erscheint die Gabe von Betablockern zunächst sinnvoll. Jedoch sollte dies spätestens ab einer QTc-Zeit von > 500 ms nicht mehr erfolgen, aufgrund des dann erhöhten Risikos von TdP-Tachykardien, Bradykardien hierfür prädisponierend. 

 

Die Gabe von ACE-Hemmern oder ARB wird bei weiter bestehenden LV-Funktionseinschränkung empfohlen. Bezüglich der Etablierung einer Vollantikoagulation, welche bei großer apikaler Akinesie die potentielle Entstehung von Thromben adressieren soll, besteht aktuell weiterhin keine Evidenz, so dass dies sehr individuell aufgrund des damit einhergehenden Blutungsrisikos entschieden werden sollte.
Bei hohem Risiko für weiter auftretende ventrikuläre Arrhythmien kann über eine Therapie mit einer Defibrillatorweste nachgedacht werden, die Implantation eines permanenten Defibrillators sollte im Regelfall in der Frühphase nicht erfolgen. Eine Nachkontrolle mittels klinischer Evaluierung sowie Bildgebung ist nach 3 Monaten sinnvoll.

Überblick


Referenzen

 

  1. Citro R. Diagnosis of Takotsubo cardiomyopathy: biomarkers, electrocardiogram, non-invasive, and invasive imaging. ESC 2024, London
  2. Poess J. Management of Takotsubo cardiomyopathy with haemodynamic instability or incessant arrhythmias. ESC 2024, London
  3. Bueno H. Treatment of acute, uncomplicated Takotsubo cardiomyopathy: if, what, and for how long? ESC 2024, London

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