Leben nach dem Herzstillstand: Psychische Langzeitfolgen im Fokus

 

DGK Herztage 2025 | Deutsches Herzstillstand-Register (G-CAR): Der außerklinische Herzstillstand (Out-of-Hospital Cardiac Arrest, OHCA) ist ein kritisches Ereignis mit hoher Sterblichkeit. Während lange Zeit vor allem Fragen der Akutversorgung und kardiovaskulären Intervention im Vordergrund standen, rückt zunehmend auch die langfristige Lebensqualität der Überlebenden in den Fokus. Das Deutsche Herzstillstand-Register (German Cardiac Arrest Registry, G-CAR) liefert hierzu erstmals prospektive Daten zu kognitiven, psychischen und sozialen Folgen nach OHCA. Die Ergebnisse wurden nun im Rahmen der DGK Herztage 2025 in Hamburg von Erstautorin Dr. Michelle Roßberg vom Herzzentrum Leipzig vorgestellt.1

Von:

Dr. Omar Hahad

Universitätsmedizin Mainz

 

01.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Sina Ettmer Photography / Shutterstock.com

Ein Jahr nach OHCA: Wer überlebt und wie lebt man weiter?

 

Bis Februar 2025 wurden im G-CAR 1.894 Patienten aus 23 Zentren erfasst (durchschnittlich 66 Jahre, 74 % Männer). Häufige Vorerkrankungen waren Myokardinfarkt (15 %), Schlaganfall (7,6 %) und periphere arterielle Verschlusskrankheit (8,2 %). Insgesamt überlebten 447 Personen mindestens 6 Monate und 438 Personen mindestens 1 Jahr. In die Nachuntersuchungen gingen 321 (6 Monate) bzw. 243 (12 Monate) Personen ein, die standardisierte Fragebögen zu Kognition, Lebensqualität, Angst und Depression, sozialer Reintegration und posttraumatischen Symptomen beantworteten.


Die Ergebnisse zeigten: Rund zwei Drittel hatten keine wesentlichen kognitiven Defizite, über 75 % der Personen berichteten über eine gute Lebensqualität. Einschränkungen traten am ehesten bei Alltagsaktivitäten und Schmerzen auf, Probleme bei der Selbstversorgung waren selten. Angstsymptome wurden bei 13–15 %, depressive Symptome bei 12–13 % festgestellt; weitere 20 % lagen im Grenzbereich. Die soziale Reintegration war im Durchschnitt gut. Posttraumatische Symptome blieben unterhalb des Cut-offs, und zwischen 6 und 12 Monaten ergaben sich keine wesentlichen Veränderungen.

Offene Fragen und weiterer Forschungsbedarf

 

Bei der Interpretation der Ergebnisse sind aber auch Limitationen zu berücksichtigen, wie die Referentin anmerkte. Die Rekrutierung erfolgte überwiegend in großen Tertiärzentren mit besonderer Expertise in Reanimation und Postreanimationsmedizin, sodass Patientinnen und Patienten aus kleineren Häusern oder ländlichen Regionen nicht in gleicher Weise repräsentiert sind. Etwa die Hälfte der eingeschlossenen Fälle wies initial einen schockbaren Rhythmus auf, ein Faktor, der bekanntermaßen mit einer günstigeren Prognose verbunden ist und die Ergebnisse positiv beeinflusst haben dürfte. Zudem gingen in die Nachbeobachtung naturgemäß nur diejenigen ein, die die ersten Monate überlebt hatten. Damit werden vor allem vergleichsweise stabile Überlebende abgebildet, während schwerer Betroffene möglicherweise nicht erfasst wurden. Die Ergebnisse beruhen auf Selbstangaben in standardisierten Fragebögen. Diese sind zwar etablierte Instrumente, erfassen die komplexe psychosoziale Belastung nach einem Herzstillstand wahrscheinlich jedoch nur eingeschränkt. Objektive neuropsychologische Testungen oder klinische Interviews wären eine wertvolle Ergänzung.


Neben diesen methodischen Aspekten könnten auch psychologische Faktoren zu den günstigen Ergebnissen beigetragen haben. Manche Überlebende entwickeln nach einem so einschneidenden Ereignis eine besondere Resilienz oder erleben den Herzstillstand als „zweite Chance“, wie das Forscherteam ausführt. Dieses als posttraumatisches Wachstum beschriebene Phänomen kann mit einer veränderten Lebensperspektive und verbessertem seelischen Befinden einhergehen und könnte die positive Einschätzung der Lebensqualität nach OHCA teilweise erklären. Psychologische Resilienz rückt zudem zunehmend in den Fokus bei kardiovaskulären Erkrankungen und zeigt dort einen günstigen Einfluss.2


Darüber hinaus wurden relevante Einflussgrößen wie Dauer der Reanimation, Hypothermiebehandlung, Einsatz von eCPR oder neuroprotektive Maßnahmen nicht differenziert berücksichtigt, obwohl sie die Prognose wesentlich beeinflussen können. Ebenso fehlen Angaben zu psychosozialen Kontextfaktoren wie sozialem Status, familiärer Unterstützung oder beruflicher Reintegration, die für die langfristige Lebensqualität nach OHCA eine zentrale Rolle spielen. Schließlich ist die Nachbeobachtung bislang auf ein Jahr begrenzt, sodass unklar bleibt, ob die beobachtete Stabilität auch langfristig anhält.

Fazit

 

Patientinnen und Patienten mit außerklinischem Herzstillstand in Deutschland, die die Akutphase überleben (ca. 25 %), gewinnen eine relativ gute Lebensqualität zurück und integrieren sich wieder gut ins soziale Leben. Als ermutigende zentrale Botschaft formuliert das Forschungsteam: „It is well worth fighting for these patients!“ Gleichzeitig begründen offen gebliebene Fragen zu Langzeitverläufen, psychosozialen Kontextfaktoren und neuropsychologischen Aspekten weiteren Forschungsbedarf.

Zur Person

Dr. Omar Hahad

Dr. Omar Hahad ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Kardiologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen umweltbedingte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf- und neuropsychiatrische Erkrankungen. 

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

  1. Roßberg M, Sinning C, Heerklotz H, Hösler N, Ouarrak T, Desch S, Thiele H, Zeymer U, Pöss J. Psychopathological Long-Term Outcomes after Out-of-Hospital Cardiac Arrest – Results from the German Cardiac Arrest Registry (G-CAR).Clin Res Cardiol. 2025. doi:10.1007/s00392-025-02737-x. URL: https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/kongresse/dgk-herztage-2025/Programm/akut-kardiologie/v50.html
  2. Hahad O, Kerahrodi JG, Brähler E, Lieb K, Gilan D, Zahn D, Petrowski K, Reinwarth AC, Kontohow-Beckers K, Schuster AK, Schepers M, Lackner K, Galle PR, Konstantinides S, Wild P, Daiber A, Michal M, Münzel T, Beutel M. Psychological resilience, cardiovascular disease, and mortality - Insights from the German Gutenberg Health Study. J Psychosom Res. 2025 May;192:112116. doi: 10.1016/j.jpsychores.2025.112116. Epub 2025 Mar 28. PMID: 40174412.

Mehr zum Thema

Zur Übersichtsseite DGK Herztage 2025

Das könnte Sie auch interessieren

Neues aus der ALKK

DGK Herztage 2025 | ALKK-Vorsitzender Prof. P. Diemert im Gespräch mit PD Dr. S. Perings zu aktuellen Entwicklungen.

Weiterbildung in interventioneller Kardiologie

DGK Herztage 2025 | Dr. E. Rafflenbeul stellt im Gespräch mit Prof. T. Rudolph den EAPCI 2026 vor.

Studien kompakt: 01.10.2025

Überblick zu aktuellen Studien u. a. zu TMAO als Bimarker, TAVI bei bikuspider AS, Zalunfiban bei STEMI und Semaglutid-Abbruchraten.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen