Monoklonaler ANGPTL4-Antikörper MAR001 halbiert Triglyzerid-Spiegel

 

Erhöhte Triglyzerid-Serumkonzentrationen sind mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Bislang stehen nur wenige pharmakologische Optionen zur Triglyzerid-Senkung zur Verfügung. In einer aktuellen Studie von Cummings et al. wurde die therapeutische Inhibition einer neuen Zielstruktur – Angiopoietin-like 4 (ANGPTL4) – mit dem monoklonalen Antikörper MAR001 erstmals am Menschen untersucht.

Von:

Dr. Julius L. Katzmann

Universitätsklinikum Leipzig

 

Prof. Ulrich Laufs

Rubrikleiter Prävention

 

09.07.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Anusorn Nakdee / Shutterstock.com

ANGPTL4 spielt eine zentrale Rolle im Lipidstoffwechsel und in der Energiehomöostase. Es hemmt vor allem die Lipoproteinlipase (LPL), welche für den Abbau von Triglyzeriden in Lipoproteinen verantwortlich ist. Weitere Funktionen von ANGPTL4 betreffen die Regulation der Lipolyse und Adipozytenfunktion, von Entzündungsprozessen und eine mögliche Beteiligung an der Atherosklerose und Tumorprogression. ANGPTL4 wird unter anderem durch Fasten, Hypoxie und PPAR-Signale hochreguliert.

Das Forschungsteam ergänzte die bereits bekannten genetischen Daten zu Loss-of-Function-Mutationen in ANGPTL4 um neue Erkenntnisse aus elektronischen Gesundheitsdaten sowie abdominellen MRT-Bilder von homozygoten Trägerinnen und Träger, welche keine Hinweise auf negative gesundheitliche Auswirkungen ergaben.

Erste Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit

 

Weiterhin wurden Ergebnisse aus zwei klinischen Studien vorgestellt: In einer Phase-1-Studie erhielten 56 gesunde, adipöse Personen mit moderater Triglyzeriderhöhung MAR001 in Dosen von 15 mg bis 450 mg oder Placebo. In einer Phase-1b/2a-Studie wurden 55 Probanden mit metabolischer Dysfunktion über 12 Wochen alle zwei Wochen mit 150 mg, 300 mg oder 450 mg MAR001 oder Placebo behandelt und über weitere 12 Wochen nachverfolgt.

 

Es wurden keine systemischen Entzündungszeichen oder Lymphknotenveränderungen festgestellt. MAR001 wurde insgesamt gut vertragen. Nach 12 Wochen zeigte sich eine Triglyzeridsenkung von 52,7 % sowie eine Reduktion des Remnant-Cholesterins um 52,5 %. Das Forschungsteam schlussfolgert, dass diese Ergebnisse eine Weiterentwicklung von MAR001 rechtfertigen.

Kommentar

 

Für das kardiovaskuläre Risiko ist nach aktuellem Verständnis der Cholesterin-Gehalt in Triglyzerid-reichen Lipoproteinen entscheidend. Die therapeutisch erzielte Reduktion der Anzahl atherogener Partikel – gemessen als Apolipoprotein B (Apo B) – erscheint als der entscheidende Faktor dafür, ob eine Triglyzeridsenkung auch mit einer kardiovaskulären Risikoreduktion einhergeht. Neue RNA-Interferenz-basierte Ansätze zur Triglyzeridsenkung richten sich gegen Apolipoprotein CIII (Apo CIII), Angiopoietin-ähnliches Protein 3 (ANGPTL3) und in der aktuellen Studie gegen ANGPTL4. Für diese Therapieziele konnte in genetischen Analysen von Individuen mit Loss-of-Function-Varianten gezeigt werden, dass diese ein reduziertes kardiovaskuläres Risiko aufweisen. Medikamente, welche sich gegen Apo CIII und ANGPTL3 richten, sind bereits zugelassen: Volanesorsen in Europa zur Behandlung des familiären Chylomikronämie-Syndroms (FCS) und der monoklonale Antikörper Evinacumab bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie. Beide Erkrankungen sind selten, und sowohl die Applikationsart (einmal monatlich intravenös bei Evinacumab) als auch Nebenwirkungen (z. B. Thrombozytopenie unter Volanesorsen bei FCS, Reizung an der Injektionsstelle) limitieren den breiteren Einsatz.

 

Die Entwicklung ANGPTL4-inhibierender Therapien war aufgrund negativer Signale aus Maus-Modellen verzögert. ANGPTL4 erscheint als vielversprechendes Therapieziel, da genetische Loss-of-Function-Varianten nicht nur mit einem reduzierten kardiovaskulären Risiko, sondern auch mit einem verringerten Risiko für Diabetes einhergehen. Es ist noch unbekannt, ob die Hemmung der Therapieziele Apo CIII, ANGPTL3 oder ANGPTL4 mit einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos einhergeht. Die Effekte der einzelnen Medikamente auf die Lipidfraktionen unterscheiden sich: Während alle Wirkstoffe die Triglyzeride stark senken, zeigen sich bei Apo-CIII- und ANGPTL4-Inhibition keine wesentlichen Veränderungen im LDL-Cholesterin, während die ANGPTL3-Inhibition mit deutlichen LDL-C-Senkungen einhergeht. HDL-Cholesterin steigt unter Apo-CIII- und ANGPTL4-Inhibition, sinkt jedoch unter ANGPTL3-Hemmung. Der HbA1c steigt unter Apo-CIII- und ANGPTL3-Hemmung, bleibt aber unter MAR001 unbeeinflusst. Bei moderater Hypertriglyzeridämie wird Apo B durch Apo-CIII- und ANGPTL3-Inhibition gesenkt.

 

Die Studie von Cummings et al. liefert wichtige neue Erkenntnisse zur Sicherheit der ANGPTL4-Inhibition. Die Einschätzung eines potentiellen kardiovaskulären Nutzens dieser Therapie wird jedoch wesentlich durch das Fehlen von Apo-B-Daten limitiert. Das Forschungsteam berichtet über Veränderungen im Non-HDL-Cholesterin und Remnant-Cholesterin. Jedoch scheint das Non-HDL-Cholesterin möglicherweise hier nicht das Apo B zu repräsentieren, da die Non-HDL-Cholesterin-Senkung primär durch die HDL-Cholesterin-Steigerung bedingt war, und die verwendete Definition für Remnant-Cholesterin unüblich war, sodass auch der Rückgang des Remnant-Cholesterins nur schwer hinsichtlich der Bedeutung für eine kardiovaskuläre Risikoreduktion einzuschätzen ist.

 

Zusammenfassend liefert die Arbeit von Cummings et al. wichtige genetische und klinische Daten zur Sicherheit der Hemmung einer neuen Zielstruktur, dem ANGPTL4, beim Menschen. Zukünftige Studien werden zeigen müssen, ob durch die Hemmung von ANGPTL4 auch ein kardiovaskulärer Nutzen erzielt werden kann. In genetischen Studien sowie bei Primaten wurde unter ANGPTL4-Inhibition eine Apo-B-Senkung beobachtet. Sollte sich dies auch beim Menschen bestätigen, könnte die ANGPTL4-Hemmung ähnlich vielversprechend sein wie die Inhibition von Apo CIII und ANGPTL3 – möglicherweise mit zusätzlichen metabolischen Vorteilen. Die Ergebnisse von Cummings et al. rechtfertigen in jedem Fall eine Weiterentwicklung im Rahmen klinischer Studien.

Zum Autor

Dr. Julius L. Katzmann

Dr. Julius L. Katzmann ist Facharzt an der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Seine Forschungsinteressen beinhalten insbesondere Dyslipidämien und kardiovaskuläre Prävention.

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Prof. Ulrich Laufs

Prof. Ulrich Laufs ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Zu seinen Schwerpunkten gehören insbesondere die kardiovaskuläre Prävention und Lipidstoffwechselstörungen. Als Co-Editor-in-Chief leitet er das DGK-Fachjournal Clinical Research in Cardiology (CRIC) mit.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

Cummings BB et al. Safety and efficacy of a novel ANGPTL4 inhibitory antibody for lipid lowering: results from phase 1 and phase 1b/2a clinical studies. Lancet. 2025;405(10493):1923-1934. doi:10.1016/S0140-6736(25)00825-6

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