https://doi.org/10.1007/s00392-025-02737-x
1Universitätsklinikum Heidelberg Heidelberg, Deutschland; 2Universitätsklinikum Heidelberg Klinik für Innere Med. III, Kardiologie, Angiologie u. Pneumologie Heidelberg, Deutschland
Hintergrund: Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste anhaltende Vorhofarrhythmie. Trotz einer weltweit hohen Prävalenz stehen derzeit nur wenige wirksame antiarrhythmische Pharmakotherapien zur Verfügung. Das Antiarrhythmikum Ibutilid ist ein Methansulfonamid-Derivat mit struktureller Ähnlichkeit zu Sotalol, das in den USA zur medikamentösen Kardioversion von VHF und -flattern zugelassen ist. Im Gegensatz zu klassischen Klasse-III-Antiarrhythmika blockiert Ibutilid nicht nur den schnellen verzögerten Kaliumstrom (IKr), sondern induziert zusätzlich einen langsamen, überwiegend natriumgetragenen Einwärtsstrom. Bei VHF- Patienten führt die atriale Arrhythmopathie zu veränderten Expressionsmustern von Ionenkanälen, wodurch das Ansprechen auf Antiarrhythmika wesentlich vom individuellen Remodeling-Subtyp abhängt. Vor diesem Hintergrund wurde in diesem Projekt die Wirkung von Ibutilid auf verschiedene atriale Ionenkanäle untersucht.
Methoden: Als heterologes Expressionssystem für atriale Ionenkanäle wurden Xenopus laevis-Oozyten verwendet. Nach einer Inkubationszeit von 24–72 Stunden erfolgten Strommessungen mittels Zwei-Elektroden-Spannungsklemme (TEVC). Ergänzende Alanin-Mutagenesestudien an hERG- und TASK-1-Kanälen dienten der Identifikation potenzieller Bindungsstellen von Ibutilid.
Ergebnisse: In der TEVC-Messung mit Ibutilid (500 µmol/L) zeigte sich eine signifikante Inhibition von hERG (100 %; n=5; p<0,0001; IC50: 1,87 ± 0,17 µmol/L) und von TASK-1 (61,3 %; n=6; p<0,0001; IC50: 353,2 ± 100 µmol/L). Des Weiteren zeigten sich signifikante Inhibitionen bei TWIK-1 (11,5 %; n=4; p=0,045), TREK-1 (40,7 %; n=6; p<0,0001), TRAAK (24,0 %; n=4; p=0,040), TASK-3 (47,8 %; n=5; p<0,0001), TREK-2 (49,0 %; n=4; p=0,0053), THIK-1 (24,3 %; n=8; p<0,0001), TALK-1 (44,1 %; n=8; p<0,0001), TRESK (63,3 %; n=5; p=0,0002), KV1.5 (57,8 %; n=7; p<0,0001), KV2.1 (55,2 %; n=7; p<0,0001), KV4.3 (64,3 %; n=4; p=0,0002), Kir2.1 (37,8 %; n=5; p=0,0005), NaV1.5 (66,7 %; n=4; p=0,0007). Zudem ließ sich eine signifikante Aktivierung bei TWIK-2 (17,0 %, n=4, p=0,0129) sowie bei TALK-2 (27,6 %; n=5; p<0,0001) beobachten. Keine signifikanten Effekte zeigten sich bei den Ionenkanälen TASK-2 (7,2 %; n=5; p=0,19) und bei KV1.4 (29,4 %; n=5; p=0,29). Zur Identifikation potenzieller Bindungsstellen wurden der Effekt von Ibutilid auf die hERG-Porenmutanten Y652A und F656A untersucht. Bei einer Ibutilid-Konzentration von 5 µM zeigte sich im Vergleich zum hERG Wildtyp (WT: 84,1 %; n=5; p<0,0001) eine signifikant reduzierte Inhibition bei den Mutanten Y652A (26,2 %; n=5; p<0,0001) und F656A (21,0 %; n=4; p<0,0001). Bei TASK-1 wies lediglich die Mutante T93A unter Ibutilid (500 µM) eine signifikant reduzierte Inhibition im Vergleich zum WT auf (36,4 %; n = 5; p=0,0151), während T92A, T198A und T199A keine signifikanten Veränderungen zeigten.
Schlussfolgerung: Die vorliegenden Daten zeigen, dass Ibutilid ein breites Ionenkanal-Wirkprofil aufweist, das über die klassische Blockade des hERG-Kanals hinaus auch multiple atrial und zentralnervös exprimierte Ionenkanäle umfasst. Die Ergebnisse liefern neue Einblicke in die molekularen Zielstrukturen von Ibutilid und legen nahe, dass interindividuelle Unterschiede im Kanalexpressionsmuster die therapeutische Wirksamkeit von Ibutilid bei VHF-Patienten beeinflussen können. Darüber hinaus könnten Off-Target-Effekte an extrakardialen Kanälen zur Erklärung unerwünschter Wirkungen von Ibutilid beitragen.