Als Ärztin oder Arzt im Glück – geht das überhaupt?

Kann man heute als Arzt und Ärztin angesichts rasanten technologischen Fortschritts, zunehmender Ökonomisierung und Bürokratisierung und widriger politischer Rahmenbedingungen – Krisen und knappe Ressourcen – noch glücklich im Beruf werden? „Man kann!“, sagt Prof. Dr. Jörg F. Debatin, Arzt, Radiologe, Ökonom, Krankenhaus-Manager und Start-up-Gründer.

Von Helmut Laschet

 

25.04.2023

Prof. Dr. Jörg F. Debatin ist ein glücklicher Mensch – und er kokettiert gern selbst damit. „Mein zweiter Vorname ist Felix“, und das scheint für ihn auch das Lebensprogramm zu sein. Wie das gelingt und auch ein generell übertragbares Modell sein kann, erklärte Debatin bei der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim.

 

Ärztinnen und Ärzte sollten sich erstens den inneren Kern ihres Berufs bewusst machen: „Wir schaffen gesellschaftliche Werte – und darum beneiden uns viele.“ Dieser Wert beruhe auf Leistung: Alle fünf Jahre steige die Lebenserwartung der Bevölkerung um ein Jahr, ein Produktivitätsgewinn, der auch der Medizin zu verdanken ist.

 

Die Medizin unterliege dabei vor allem in jüngerer Zeit einem rasanten Wandel: Noch vor 30 Jahren wurde sie als Heilkunst verstanden – „wer heilt, hat recht“ –, dann standardisiert durch Evidenzbasierung und Disease-Management-Programme und weiter beflügelt von der Molekularbiologie, Genetik und Digitalisierung. Das führe, so Debatin zu einem „Wachstumstornado“ mit zwei Treibern: zunehmenden diagnostischen Möglichkeiten und einem daraus resultierenden wachsenden Bedarf an Prävention und Therapie.

Konflikte durch Regulation und Ökonomie

Das allerdings vollzieht sich – nicht konfliktfrei – in einem hochkomplexen System von Regulationen mit einer Reihe von Schnittstellen: zur Wissenschaft und Biomedizin, zu Industrie, Medizintechnik und Start-ups, Management und ökonomischen Führung sowie Gesellschaft, Politik und Regulatorik. Debatin sieht darin eher eine Chance als ein Problem für Ärztinnen und Ärzte, vorausgesetzt, sie bringen drei wichtige Eigenschaft mit: Neugier, Flexibilität und Interesse. Dann ist für ihn auch der Umgang mit der viel geschmähten Ökonomisierung ein lösbares Problem. Voraussetzung sei aber, sich nicht mehr als freischaffende (Heil-)Künstlerinnen und Künstler zu verstehen, sondern als Teamplayer und -playerinnen in einer systematisierten Organisation, in der die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen und in der Qualität transparent und messbar gemacht wird.

Debatin weiß, wovon er spricht: Der gelernte Radiologe qualifizierte sich durch einen MBA in St. Gallen für Managementaufgaben, war unter anderem Vorstandschef des UKE in Hamburg, gründete ein Start-up und ist derzeit Vizepräsident von GE Healthcare in London.

In einem solchen System können Führungs- und Managementaufgaben für Ärztinnen und Ärzte eine reizvolle Perspektive sein, wenn sie professionell und nicht als Hobby ausgeführt werden. Medizinerinnen und Mediziner können dann eine Idealbesetzung im Management sein, weil sie medizinische Grundlagen sowie die Situation von Ärzteschaft und Pflege verstehen, Outcomes und deren Wert beurteilen können.

Erfolglose ärztliche Lobby – woran liegt es?

Und warum erscheint einem Großteil der Ärztinnen und Ärzte die Lobbyarbeit ihrer Organisationen so wenig erfolgreich? Debatin sieht dies differenziert und rückt die Tatsachen gerade. So sei es ein beachtlicher Erfolg der ärztlichen Berufsvertretung gewesen, dass sich der Marburger Bund Mitte der 2000er Jahre zur Spartengewerkschaft entwickelt hat – ein mutige Entscheidung, die zu arztspezifischen Tarifverträgen, zu besseren Arbeitsbedingungen und zur Beseitigung prekärer Beschäftigungsverhältnisse vor allem in der Weiterbildungszeit geführt hat.  

Zutreffend sei aber auch der Eindruck von mangelnder Performance der berufspolitischen Spitzenorganisationen wie das Kammer- und KV-System: Die Verhaltensweisen im politischen Raum seien „ritualisiert“, die Forderungen an Politik und Gesellschaft seien häufig überzogen und wenig realistisch, das Denken verkrustet und ineffizient.

Dass politische Entscheidungen von Ärztinnen und Ärzten nicht selten als falsch, inadäquat oder nicht zielführend empfunden würden, liege nicht an mangelnder Intelligenz oder gar an Böswilligkeit in Ministerialbürokratien und Parlamenten, sondern beruhe oft auf Unkenntnis der Arbeitsrealität in der medizinischen Versorgung. Ursächlich dafür seien allerdings strikt ritualisierte Entscheidungsverfahren, wie zum Beispiel Anhörungen von Bundestagsausschüssen, aber auch die inadäquate Artikulation und Kommunikation der ärztlichen Selbstverwaltung, die sich nicht selten als „Haudrauf“ verstehe.

Fazit

Prof. Dr. Jörg F. Debatin betonte, dass Ärztinnen und Ärzte trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen ihr berufliches Glück finden können. Indem sie den gesellschaftlichen Wert ihrer Arbeit erkennen, sich an Veränderungen anpassen und sich als Akteurinnen und Akteure in einer systematisierten Organisation begreifen, können sie die Chancen nutzen, die sich ihnen bieten. Mit einer aktiven Rolle in Politik und Management können Ärztinnen und Ärzte zudem dazu beitragen, die Zukunft der medizinischen Versorgung aktiv mitzugestalten.


Das könnte Sie auch interessieren

Torasemid oder Furosemid bei Herzinsuffizienz? Jetzt gibt es eine Antwort

Schon seit geraumer Zeit kursiert die These, dass Torasemid aufgrund eines potenziell günstigeren pharmakologischen Profils als Schleifendiuretikum bei Herzinsuffizienz im Vergleich zu Furosemid die bessere Wahl sei.

Neue Leitlinie: Wie man Schwangere mit Herzerkrankungen betreuen sollte

Eine Schwangerschaft geht mit hämodynamischen Veränderungen einher, die speziell für Frauen mit Herzerkrankungen ein hohes Komplikationsrisiko bergen können.

Dekompensierte Herzinsuffizienz: Frühe Einstellung auf Valsartan/Sacubitril sicher und effektiv

Dass Sacubitril/Valsartan, ein Angiotensin-Rezeptor–Neprilysin-Inhibitor (ARNI), kardiovaskuläre Mortalität und Klinikeinweisungen bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz im Vergleich zum ACE-Hemmer Enalapril deutlich stärker reduziert, ist in der PARADIGM-HF-Studie unter Beweis gestellt worden.

Diese Seite teilen