Medizinische Apps: Nutzen und Risiken der digitalen Helfer in der Kardiologie

Sie sind im stressigen Klinikalltag unabdingbar geworden: medizinische Apps. Doch wie sicher sind sie? Dr. Dennis Lawin stellte im Rahmen der 89. Jahrestagung persönliche Must-have-Anwendungen vor und erläuterte ihre Nutzen und Risiken.

Von Melissa Wilke

 

26.04.2023

Dr. Dennis Lawin hat den Selbstversuch gemacht: einen Tag in der Klinik ohne medizinische Apps auskommen, die sonst täglich zur Absicherung klinischer Entscheidungen nutzt. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Informationen, die er sonst in Sekundenschnelle zur Hand hatte, musste er nun inmitten des stressigen Klinikalltags mühsam online recherchieren. Medizinische Anwendungen gibt es mittlerweile für viele Bereiche, von Kalkulatoren über Reference Guides oder Decision Support Tools bis hin zu Kommunikations-Apps wie Twitter und Siilo. Doch auch Self-Monitoring-Apps, die vor allem von Patientinnen und Patienten genutzt werden, sollten auch von der Fachärzteschaft getestet werden. Denn diese müssen dazu in der Lage sein, ihre Patienten und Patientinnen über Usability und Datensicherheit aufzuklären sowie den Nutzen der Anwendungen für sie zu bewerten. 

Eine Ärztin hält ein Smartphone und ein Clipboard in der Hand Bildquelle: Josep Suria / Shutterstock.com

Qualitätskriterien für medizinische Apps müssen definiert werden

Nach einer semi-automatisierten Suche im Apple App Store fanden Lawin und sein Team 31.564 Apps in der Kategorie „Medizin“. Doch nur wenige dieser Medizin-Apps sind geprüft. Dabei sind Kardiologinnen und Kardiologen für die Entscheidungen, die sie auf Basis dieser Gesundheits-Apps treffen, verantwortlich. „Wir müssen uns bewusst sein, wenn wir etwas nachschauen und irgendwas für den Patienten oder für die Patientin entscheiden, sind wir dafür verantwortlich. […] Das heißt, bevor wir eine App nutzen, sollten wir die Qualität der App prüfen“, so Lawin.

 

Die Beschreibungstexte in den App Stores sind aber häufig nur bedingt aussagekräftig. Wichtige Informationen zur Einschätzung der Apps für Ärztinnen und Ärzte fehlen oft. Dazu gehören die Datenschutzbestimmungen und wer die App herausgebracht hat genauso wie die Risikostratifizierung und eine ethische Einschätzung. Folgende Fragen sollten perspektivisch beantwortet werden: Könnte die Medizin-App den Patientinnen und Patienten schaden? Wurde die Anwendung vielleicht sogar als Medizinprodukt eingestuft? Sind die Informationen aktuell und geben sie den medizinischen Standard wieder? Den Ärztinnen und Ärzten bleibt für eine Einschätzung vielmals nur der Blick in die Nutzerbewertungen. Lawin fordert daher, dass feste Qualitätskriterien für Gesundheits-Apps definiert werden.

 

„Ich bin der Meinung, wir brauchen das. Wir brauchen Qualitätskriterien, die wir anwenden auf diese Anwendungen, damit der Nutzer im Alltag gut entscheiden kann, welche nun die richtige für ihn ist.“  

 

Das Positionspapier „eCardiology: ein strukturierter Ansatz zur Förderung der digitalen Transformation in der Kardiologie“ des eCardiology Mobile Health Ausschusses der DGK kündigt die Evaluation für Bewertungsverfahren von kardiologischen Apps an. 

Die Must-have-Apps: Nachschlagewerke und Behandlungsempfehlungen

Doch welche Apps sind nun die Must-haves für Kardiologinnen und Kardiologen? Lawin empfiehlt vor allem Nachschlagewerke, die Behandlungsempfehlungen und kardiologisches Wissen schnell verfügbar machen. Die DGK-Pocket-Leitlinien als App seien ein absolutes Must-have: „Das ist eine super Anwendung, die unseren aktuellen Standard, die Leitlinien kompakt verkörpert.“ Neben den von der Fachgesellschaft herausgegebenen Leitlinien enthält sie auch Risiko-Scores und Kalkulatoren sowie die Cardio Cards mit den kompakten Informationen. Sie ist außerdem ein zertifiziertes Medizinprodukt.

 

Auch das Arzneimittelpocket als medizinische App ist ein unverzichtbares Nachschlagewerk, genauso wie die App „Amboss“. „Letztlich wird jeder Text nach dem Vier-Augen-Prinzip erstellt,“ so Lawin. “Ein hauptverantwortlicher Arzt schreibt die Texte, ein weiterer prüft dann den Inhalt. Dann kommt noch ein Lektor hinzu.“ Mit besonderer Vorsicht sollten Messenger-Apps genutzt werden. Patientendaten per Whatsapp zu verschicken, ist datenschutzrechtlich hochproblematisch. Für diesen Zweck empfiehlt Lawin die App „Siilo“, die speziell für das Gesundheitswesen entwickelt wurde und daher besonders hohe Sicherheitsstandards hat. 

Link zum Video-Interview

Hier finden Sie das Video-Interview mit Dr. Dennis Lawin im Rahmen der DGK-Jahrestagung: Medizinische Must-have-Apps 2023


Das könnte Sie auch interessieren

Torasemid oder Furosemid bei Herzinsuffizienz? Jetzt gibt es eine Antwort

Schon seit geraumer Zeit kursiert die These, dass Torasemid aufgrund eines potenziell günstigeren pharmakologischen Profils als Schleifendiuretikum bei Herzinsuffizienz im Vergleich zu Furosemid die bessere Wahl sei.

Neue Leitlinie: Wie man Schwangere mit Herzerkrankungen betreuen sollte

Eine Schwangerschaft geht mit hämodynamischen Veränderungen einher, die speziell für Frauen mit Herzerkrankungen ein hohes Komplikationsrisiko bergen können.

Dekompensierte Herzinsuffizienz: Frühe Einstellung auf Valsartan/Sacubitril sicher und effektiv

Dass Sacubitril/Valsartan, ein Angiotensin-Rezeptor–Neprilysin-Inhibitor (ARNI), kardiovaskuläre Mortalität und Klinikeinweisungen bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz im Vergleich zum ACE-Hemmer Enalapril deutlich stärker reduziert, ist in der PARADIGM-HF-Studie unter Beweis gestellt worden.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen