Das antiarrhythmische Potential von SGLT2-Inhibitoren – Forschung zwischen Bench & Bedside

Dieser Artikel erschien zuerst im Jahresbericht 2022 der DGK.

 

Als Clinician Scientist wird PD Dr. Felix Wiedmann von der DGK gefördert. Dadurch kann er sich trotz seiner Facharzttätigkeit einem Forschungsprojekt widmen.  Mithilfe von grundlagenwissenschaftlicher Methodik und einem translationalen Großtiermodell untersucht er systematisch, inwiefern SGLT2-Inhibitoren die kardiale Elektrophysiologie und die Arrhythmogenese beeinflussen.  Damit möchte Wiedmann zu einem besseren Verständnis der molekularen Mechanismen einer SGLT2-Inhibitorentherapie beitragen.

Von Jahresbericht der DGK 2022

 

09.05.2023

Molekulare Wirkmechanismen von SGLT2-Inhibitoren unklar

Die positiven Daten der kardiovaskulären Endpunktstudien haben der Substanzklasse der SGLT2-Inhibitoren zu einem raschen Einzug in die Pharmakotherapie von Herzinsuffizienzpatient:innen verholfen, sodass sie mittlerweile bei diesem Patientenkollektiv, welches eine hohe Prävalenz an Vorhofflimmern und ventrikulären Herzrhythmusstörungen aufweist, routinemäßig eingesetzt werden. Klinische Studien weisen ferner darauf hin, dass die Einnahme von SGLT2i mit einem deutlich verringerten Risiko für das Auftreten von Vorhofarrhythmien und plötzlichem Herztod einhergeht. Der exakte molekulare Wirkmechanismus ist bis auf weiteres jedoch, zumal SGLT2 kaum kardial exprimiert wird, unklar. 

 

Es wird diskutiert, dass SGLT2-Inhibitoren durch unterschiedliche kardioprotektive Mechanismen zu einer Verringerung des Arrhythmierisikos beitragen könnten. Dazu gehören hämodynamische Effekte, die eine Reduktion des Plasmavolumens und eine Senkung des Blutdrucks bewirken und dadurch Vor- sowie Nachlast verringern. Ferner sollen SGLT2-Inhibitoren auf nicht abschließend geklärte Weise zu einer Reduktion von Myokardhypertrophie, kardialer Fibrose und kardialem Remodelling führen. Schließlich wird unter Therapie mit SGLT2-Inhibitoren auch eine Unterdrückung potenziell proarrhythmogener sympathoadrenerger Reize diskutiert. Unklar bleibt jedoch, ob die antiarrhythmische Wirkung von SGLT2-Inhibitoren darüber hinaus auch auf eine direkte Interaktion der SGLT2-Inhibitoren mit kardialen Ionenkanälen, Pumpen, oder Transportern zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass SGLT2-Inhibitoren als Inhibitoren eines „Natriumionentransporters“ entwickelt wurden, an Kardiomyozyten zu einer Reduktion intrazellulärer Natrium- und Calciumionenkonzentrationen führen und kardiale Na+/H+ Austauscher sowie NaV1.5 Kanäle inhibieren sollen, untermauert diese Hypothese.

PD Dr. Felix Wiedmann sitzt an einem Tisch in der Klinik und schaut in ein Mikroskop PD Dr. Felix Wiedmann erforscht das antiarrhythmische Potential von SGLT2-Hemmern / Copyright: Privat

Translationales Großtiermodell für Vorhofflimmern

„Dieses Projekt begeistert mich als Clinician Scientist besonders, da es die Möglichkeit bietet eine Fragestellung, die uns Kardiologinnen und Kardiologen im klinischen Alltag beschäftigt ‚from bedside to bench and back‘ mit grundlagenwissenschaftlicher Methodik und einem translationalen Großtiermodell anzugehen“, so PD Dr. Felix Wiedmann der seit 2014 als Assistenzarzt und Wissenschaftler an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Universitätsklinikums Heidelberg tätig ist und sich bereits seit seiner Promotion mit den molekularen Mechanismen von Herzrhythmusstörungen und der Pharmakologie kardialer Ionenkanäle beschäftigt. Parallel zu seiner Facharztausbildung, die er im Mai 2021 abschließen konnte, gelang es ihm gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen der Projektgruppe Atriale Arrhythmopathie und Zelluläre Elektrophysiologie, geleitet von Professor Constanze Schmidt, das Konzept einer Vorhofflimmerbehandlung mittels Inhibition des TASK-1 Kaliumkanals vom Molekül bis hin zum ersten Einsatz im Vorhofflimmerpatient:innen in die Klinik zu translatieren.

 

Im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms der DGK untersucht Dr. Wiedmann nun systematisch inwiefern SGLT2-Inhibitoren die kardiale Elektrophysiologie und die Arrhythmogenese beeinflussen. Neben zellulär-elektrophysiologischen Messungen an nativen humanen Kardiomyozyten von Patient:innen mit unterschiedlichen kardiovaskulären Pathologien kommt hierzu ein translationales Großtiermodell für Vorhofflimmern zum Einsatz.

„Als Clinician Scientist habe ich den Vorteil von den Patient:innen stammende Biomaterialien sowie die dazugehörigen klinische Daten aus erster Hand beziehen zu können.“, sagt Herr Wiedmann, der die Fähigkeiten, die er sich während seiner Facharztausbildung im Bereich der konservativen Kardiologie, auf Intensivstation und im Herzschrittmacher-OP angeeignet hat, nun dazu einsetzen kann im Großtiermodell des Hausschweins, mittels implantiertem Herzschrittmacher Vorhofflimmern zu induzieren, um die Tiere vor und nach SGLT2-Inhibitoren Behandlung einer zellulär sowie klinisch-elektrophysiologischen Charakterisierung zu unterziehen. Der erste Arbeitsschritt, indem Herr Wiedmann gemeinsam mit Kolleg:innen und Doktorand:innen der Arbeitsgruppe den Einfluss von SGLTi auf das Aktionspotenzial isolierter humaner Kardiomyozyten untersucht, ist mittlerweile nahezu abgeschlossen.

Forschungsarbeit dank DGK-Clinician-Scientist-Programm

Das 2016 etablierte Clinician-Scientist-Programm der DGK ermutigt junge Ärztinnen und Ärzte, sich mit einem originellen und innovativen, kardiovaskulären Forschungsprojekt wissenschaftlich eigenständig zu machen – ob in Grundlagen-, translationaler oder klinischer Forschung und neben der klinischen Ausbildung ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen, um ein wissenschaftliches Projekt zur eigenen Profilbildung nachhaltig zu bearbeiten. Die Förderung beinhaltet daher eine 50-prozentige Freistellung von der klinischen Tätigkeit. „Da die Zunehmende Abstraktion von wissenschaftlichen Methoden (Next-Generation Sequencing, Multi-Omics, Big data, Machine learning) die eigenständige Weiterentwicklung von Projektideen immer aufwändiger gestaltet und im klinischen Alltag ebenfalls ein großes Aufgabenpensum zu bewältigen ist, stellt das Clinician-Scientist-Programm der DGK ein ideales Förderinstrument dar, um die notwendigen Freiräume zur nachhaltigen Bearbeitung von Forschungsprojekten zu schaffen“, so Professor Constanze Schmidt, Leiterin der Arbeitsgruppe „Atriale Arrhythmopathie und Zelluläre Elektrophysiologie“ an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Universitätsklinikums Heidelberg.

 

„Die Möglichkeit gemeinsam mit Kolleg:innen und Doktorand:innen klinisch relevante Fragestellungen auf molekularer Ebene untersuchen zu können, stellt für mich die ideale Ergänzung zum klinischen Alltag in der Patientenversorgung dar“ - PD Dr. Felix Wiedmann

 

 „Da sowohl die Patch-Clamp Experimente an isolierten nativen Kardiomyozyten von Patient:innen als auch die Arbeiten im Großtiermodell mit einem enormen Zeitaufwand vergesellschaftet sind, trägt die 50-prozentige Forschungsfreistellung des Clinician-Scientist-Programms maßgeblich zum Gelingen des Projektes bei“. Die Freiräume, die das Clinician-Scientist-Programm schafft, konnte er dazu nutzen im Oktober 2022 sein Habilitationsprojekt zur antiarrhythmischen Pharmakotherapie von Vorhofflimmern mit der Antrittsvorlesung zum Thema „Rhythm, you have it or you don’t!? – Neue Konzepte in der Vorhofflimmertherapie“ abzuschließen.

 

Seine Forschungsarbeit ist damit noch lange nicht beendet. „Ich hoffe, dass die Ergebnisse meiner Forschungsarbeiten zu einem besseren Verständnis der molekularen Mechanismen einer SGLT2-Inhibitorentherapie beitragen werden und wir somit eines Tages wissen werden, inwiefern wir uns diese vielversprechende Substanzklasse auch bei der klinischen Behandlung von Patient:innen mit Herzrhythmusstörungen zunutze machen können“, so Herr Wiedmann, der das Ziel verfolgt, parallel zur Ausbildung in der invasiven Elektrophysiologie, weiterhin seiner translationalen Forschungsarbeit nachgehen zu können. Einen ersten Zwischenstand der Arbeiten im Großtiermodell möchte Herr Wiedmann auf der diesjährigen Jahrestagung der DGK in Mannheim präsentieren.


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