Weltnichtrauchertag: Rauch-Epidemie in Deutschland verschlimmert sich

Laut der aktuellen DEBRA-Studie raucht mehr als ein Drittel der Bundesbevölkerung Tabakprodukte. Der Anteil der 14- bis 17-Jährigen hat sich dabei seit letztem Jahr fast verdoppelt. Die Anzahl der Rauchstoppversuche ist auf einem historischen Tiefstwert. Rauchen steigert das Risiko auf einen Herzinfarkt um 65% – und ist bei den Deutschen so beliebt wie seit Jahren nicht mehr. Eine wichtige und gleichzeitig einfache Rauchstopp-Maßnahme können Kardiologinnen und Kardiologen selbst ergreifen.

Von Tobias Kruse, Romy Martínez

Senior-Editor Prof. Dr. Ulrich Laufs

 

31.05.2023

Kürzlich konnte man in den Medien erfahren, dass Schweden bald als erstes Land überhaupt rauchfrei werden könnte. Als rauchfrei gilt ein Land, wenn weniger als 5% der Gesamtbevölkerung Tabakprodukte konsumieren. Neuseeland ist mit rund 8% Anteil der täglich Rauchenden in der Bevölkerung ebenfalls auf einem guten Weg dorthin. Rauchen gehört weltweit zu den größten Gesundheitsrisiken. Die EU strebt die Rauchfreiheit für seine Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2040 an. Allerdings ist die Bundesrepublik Deutschland davon noch weit entfernt. 

Tabakrauchen wird wieder beliebter

Dies zeigen die aktuellen Daten der repräsentativen Langzeitstudie der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA)[1]. Demnach ist Prävalenz für das Rauchen von Tabakprodukten hierzulande innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre sogar von einem Viertel (August 2020: 25,4%) auf ein Drittel gewachsen (März 2023: 32,4%). Insbesondere die Zahl der jungen Tabakkonsumentinnen und -konsumenten ist gestiegen. Von 2021 bis 2022 hat sich der Anteil der jugendlichen Raucherinnen und Raucher (14-17 Jahre) von 8,7% auf 15,9% fast verdoppelt. Rund 400.000 Minderjährige greifen ebenfalls regelmäßig zur Zigarette.

E-Zigaretten boomen bei Jugendlichen

Während der Anteil der E-Zigaretten-Konsumierenden ab einem Alter von 25+ seit Jahren zwischen 1,1% und 1,7% pendelt (2022: 1,6%), unterliegt der Wert bei den jüngeren Deutschen größeren Schwankungen. Von 2021 bis 2022 stieg der Wert bei den 18-24-Jährigen von 2,4% auf 4,0%, bei den 14-17-Jährigen sogar von 0,5% auf 2,5%. Damit hat sich die Anzahl bei den Jugendlichen verfünffacht. 

 

Demgegenüber hat sich die Anzahl derjenigen Personen, die alternative Tabakerhitzungsprodukte konsumieren zwar von 2021 (0,3%) bis 2022 (0,6%) verdoppelt, verbleibt aber auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. 

Kaum jemand versucht noch aufzuhören

Rauchen erhöht den Blutdruck, steigert das „schlechte“ Cholesterin (LDL), schädigt die Blutgefäße und Herzmuskulatur und verschlechtert die Versorgung des Herzens mit Sauerstoff. Wer raucht hat in Summe ein um 65% gesteigertes Risiko auf einen Herzinfarkt.

 

Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Anzahl derjenigen, die zum Befragungszeitpunkt in den vergangenen 12 Monate einen Versuch gestartet haben, mit dem Rauchen aufzuhören, geradezu erschreckend: Während im November 2016 noch jede dritte Person einen Versuch gestartet hatte (Prävalenzwert 33,9%), war es im März 2023 nur noch rund einer von 17 Raucherinnen und Rauchern (Prävalenzwert 6,0%). 

Kurze Patientengespräche haben bereits eine große Wirkung

Zu Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate von medikamentösen Therapiestrategien ist noch zu wenig bekannt, um eindeutige Empfehlungen zu geben. Was aber erwiesenermaßen funktioniert sind einfache, regelmäßige Erinnerungen an einen Rauchstopp im täglichen Patientenkontakt. Eine Metaanalyse (Selby P, 2022) hat gezeigt, dass selbst kurze Gespräche von weniger als einer Minute zwischen medizinischem Fachpersonal und Rauchern wirken: Im Vergleich zu einem Nichtansprechen des Themas ist die Wahrscheinlichkeit für einen Rauchstopp um 66 % höher. 

Politische Rauchstopp-Maßnahmen sind durch nichts zu ersetzen

Wirksamer als jede medizinische Einzelmaßnahme bleibt jedoch der politische Wille dem Rauchen den Gar auszumachen. Das Paradebeispiel dafür ist Neuseeland. Nur 8 % aller Neuseeländer rauchen täglich – im Vergleich zu 35,5 % in Deutschland. Die Schachtel Marlboro kostet nicht nur über 20 Euro, sie darf Bürgerinnen und Bürgern, die ab dem 1. Januar 2009 geboren, auch gar nicht erst verkauft werden. Des Weiteren sollen die lizenzierten Tabakverkaufsstellen bis Ende 2023 von 6.000 auf 600 um den Faktor 10 reduziert werden und der Nikotingehalt ab dem Jahr 2025 von 15 auf 0,7 mg pro Zigarette, und damit unter die Schwelle des Suchpotenzials, abgesenkt werden. Auch Schweden arbeitet auf ein Ende der „Tabakepidemie“ bis 2040 hin.  


Literatur

[1] Die DEBRA-Studie führt im zweimonatlichen Rhythmus repräsentative Befragung zum Konsum von Tabak und alternativen Nikotinabgabesystemen in der deutschen Bevölkerung durch. Verantwortlich für die Erhebung und Auswertung der Daten ist das Institut für Allgemeinmedizin (Forschungsschwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Gefördert wird die Studie vom Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Land Nordrhein-Westfalen. Weitere Infos unter www.debra-study.info

 

https://www.debra-study.info/

Selby P, Zawertailo L. Tobacco Addiction. N Engl J Med 2022;387(4):345-354.

https://www.spiegel.de/ausland/neuseeland-verkauf-von-zigaretten-an-kuenftige-generationen-verboten-a-05a5c193-2be5-45de-8c17-0bd9d89e6188; 13.12.2022.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/schweden-wird-rauchfrei-als-erstes-land-der-welt-a-cc5ebcd5-3a1c-431a-8c55-7e4d87f3fad5; 23.5.2023.

 

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