HERZMEDIZIN: Die Nationale Herz-Allianz (NHA) ist eine Initiative, die 2021 gegründet wurde. Worum geht es dabei?
Baldus: Die Nationale Herz-Allianz ist ein Zusammenschluss von Fachleuten und Interessierten im Bereich der Herz-Kreislauf-Medizin. In ihr finden sich die großen für Herzkreislauf stehenden Fachgesellschaften Deutschlands und die Patientenvertretung wieder: die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK), die Deutsche Herzstiftung, die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK), die Arbeitsgemeinschaft Leitende Kardiologische Krankenhausärzte (ALKK), das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR). Das Ziel ist es, einheitlich nach außen aufzutreten und nicht nur Fachleute wie Kardiolog:innen, sondern auch Laien und Patient:innen zu erreichen.
HERZMEDIZIN: An welchen Aufgaben und Projekten arbeitet die NHA und welche Rolle spielen dabei insbesondere BNK und Niedergelassene?
Baldus: Anlässlich der Initiierung der NHA-Initiative wurde die von BNK und DGK gemeinsam betriebene Online-Plattform Kardiologie.org in das neue Portal Herzmedizin.de überführt. Dem BNK kommt damit eine Schlüsselrolle auch für die NHA-Projekte zu: Sowohl in der Öffentlichkeitsarbeit über diese Plattform als natürlich auch in der flächendeckenden Umsetzung von jetzt innerhalb der NHA geplanten Pilotprojekten:
So haben wir mit dem Projekt "Früherkennung von Hypercholesterinämie bei Kindern" gestartet, für dessen Umsetzung vor allem die Kinderärzte und -ärztinnen essentiell sind. Aber es wird weitergehen und wir werden in Zukunft Projekte haben, wie zum Beispiel zur Früherkennung der asymptomatischen Herzinsuffizienz. Und hier sind die niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen für die Diagnosestellung unverzichtbar. Auch bei weiteren NHA-Initiativen, beispielsweise zur Schnittbildgebung, sind die Niedergelassenen entscheidend, um die Vorhaben in die Breite zu tragen. So wie niedergelassene Kardiolog:innen auch schon die zentrale Anlaufstelle für Patient:innen sind bei Fragen rund um invasive Koronardiagnostik.
HERZMEDIZIN: Bleiben wir bei der Niederlassung. Würde eine Umsetzung des Gesetzesentwurfs zusätzlichen Aufwand für die niedergelassenen Kardiologie-Praxen bedeuten?
Baldus: Früherkennung und präventive Maßnahmen obliegen in erster Linie den Allgemeinmediziner:innen beziehungsweise Hausärzt:innen. Zur Umsetzung benötigen wir intelligente Konzepte, welche die Praxen umsetzen können, ohne ihre Kapazitäten zu überfordern. Das hat aus meiner Sicht das BMG auch erkannt.
Andere Projekte wiederum, wie die schon erwähnte Früherkennung von Hypercholesterinämie bei Kindern, betreffen nicht die Hausarztpraxen, sondern primär die Kinder- und Jugendärzt:innen, die sehr motiviert sind, hier mitzumachen. Für die Spitze der Patient:innen – also zum Beispiel Erwachsene mit erhöhten BNP-Spiegeln im Rahmen des Screenings einer Herzinsuffizienz – sind dann in der Tat die niedergelassenen Kardiolog:innen gefragt. Wo wir die Niedergelassenen darüber hinaus brauchen, ist in der Indikationsstellung für die Koronardiagnostik. Die vorgebrachte Sorge, dass hierfür notwendige Zeitslots in den kardiologischen Praxen für solche Patient:innen nicht realisiert werden können, teile ich nicht.
HERZMEDIZIN: In sozialen Medien wird Früherkennung nicht immer positiv aufgenommen. Man mache gesunde Menschen krank, heißt es da mitunter. Was entgegnen Sie solchen Kommentaren?
Baldus: Da habe ich eine ganz klare Meinung und teile die Bedenken nicht, dass hier etwas medizinisch falsch liefe. Wenn wir bei den Kindern bleiben: Es ist doch offensichtlich, dass Früherkennungsmaßnahmen eine Investition in deren Zukunft sind.
Wir wollen doch erreichen, dass die Kinder später als junge Erwachsene kein kardiovaskuläres Ereignis bekommen. Und das Risiko, dass ein Kind mit einer familiären Hypercholesterinämie Atherosklerose entwickelt und damit auch Herzinfarkt und Schlaganfall gefährdet ist, liegt nicht nur auf der Hand, sondern ist in Studien gut belegt.
Es werden nicht Gesunde krank gemacht, sondern es wird eine vorhandene, genetisch bedingte Erkrankung diagnostiziert, um sie zu behandeln. Das sind wir den Kindern schuldig: Programme zu entwickeln, solche Risiken zu erkennen und mit effektiven Medikamenten zu behandeln.