Lipidtherapie trotz Statinintoleranz – alles klar durch CLEAR-Studie?

ACC-Rückblick: Was tun bei Patientinnen und Patienten, die einer Cholesterinsenkung bedürfen, aber Statine wegen inakzeptabler Nebenwirkungen partout nicht einnehmen wollen? Für sie gibt es mit Bempedoinsäure nun eine Option, die erstmals exklusiv bei Betroffenen mit Statinintoleranz in einer großen Studie klinisch geprüft worden ist – mit Erfolg.

Von Peter Overbeck

 

05.04.2023

Für Patientinnen und Patienten, die trotz eines hohen kardiovaskulären Risikos eine indizierte Behandlung mit Statinen wegen ihnen angelasteter Nebenwirkungen strikt ablehnen, ist Bempedoinsäure seit neuestem eine alternative Option der besonderen Art. Denn jetzt kann sich bei der Wahl dieses Lipidsenkers auf eine große randomisierte Studie berufen werden, in der Bempedoinsäure gezielt bei Patientinnen und Patienten mit dokumentierter Statinunverträglichkeit in seiner Wirkung auf Morbidität und Mortalität untersucht worden ist.

Ergebnisse der CLEAR-Studie zu Bempedoinsäure

Anfang März wurde beim ACC-Kongress 2023 in New Orleans die randomisierte CLEAR-Studie präsentiert und simultan im „New England Journal of Medicine“ publiziert. Sie kommt auf Basis der Daten von knapp 14.000 Patientinnen und Patienten mit Statinintoleranz zu dem Ergebnis, dass Bempedoinsäure die Inzidenzrate für den primären Studienendpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation) im Vergleich zu Placebo relativ um 13 % reduzierte (11,7 % versus 13,3 %; Hazard Ratio: 0,87, 95-%-Konfidenzintervall 0,79 – 0,96; p = 0,004). Absolut betrachtet entspricht das einer moderaten Reduktion der Ereignisrate um 1,6 Prozentpunkte im Verlauf von knapp vier Jahren (medianes Follow-up 40,6 Monate).

 

Der Unterschied basiert primär auf einer signifikanten Reduktion von tödlichen und nichttödlichen Myokardinfarkten um 23 % (3,7 % vs. 4,8 %) und von koronaren Revaskularisationen um 19 % (6,2 % vs. 7,6 %). Nach Ausschluss von Revaskularisationen als weichem Endpunkt resultierte auch für den härteren 3-Komponenten-Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) eine signifikante Reduktion um 15 % durch Bempedoinsäure (8,2 % vs. 9,5 %; Hazard Ratio 0,85; p = 0,006).

Wirkung von Bempedoinsäure hinsichtlich Lipidsenkung

Die beobachteten Risikoreduktionen entsprechen weitgehend den Effekten, die angesichts der erzielten Lipidsenkung zu erwarten waren. Die LDL-Cholesterinspiegel wurden durch Bempedoinsäure im Mittel um 21,1 % im Vergleich zu Placebo gesenkt (absoluter Unterschied um 29,2 mg/dl).

 

Nicht bei allen mit Bempedoinsäure Behandelten, deren Ausgangs-LDL-C-Werte mit im Mittel 139 mg/dl relativ hoch waren und nach sechs Monaten auf 107,0 mg/dl gesenkt wurden, konnte damit bereits ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden. Denn nicht wenige Studienteilnehmer, von den etwa 70 % eine vorbestehende atherosklerotische Gefäßerkrankung hatten und rund 50 % bereits ein akutes Koronarsyndrom in ihrer Vorgeschichte aufwiesen, hatten trotz Lipidsenkung mit Bempedoinsäure am Ende noch immer LDL-C-Werte im Bereich über 100 mg/dl. Die ESC-Leitlinien empfehlen inzwischen bekanntlich für Patientinnen und Patienten mit als „sehr hoch“ definiertem kardiovaskulärem Risiko eine aggressive Absenkung der LDL-Cholesterinspiegel auf einen Zielwert unter 55 mg/dl (< 1,4 mmol/l).

Wirkung hinsichtlich Risikoreduktion

Bei der Inzidenz von Schlaganfällen wie auch bei der kardiovaskulären Mortalität und Gesamtmortalität gab es im Übrigen keine Veränderungen durch Bempedoinsäure. Bei der Mortalität zeichnete sich nicht einmal ein Trend zugunsten des Lipidsenkers ab.

 

Allerdings wurde die Divergenz der Kaplan-Meier-Kurven für die kumulative Inzidenz klinischer Ereignisse mit zunehmender Studiendauer immer größer – was dafür spricht, dass der Nutzen der Lipidsenkung stetig zunimmt, je länger sich die LDL-C-Werte auf einem niedrigeren Niveau befinden. Dass daraus langfristig auch eine Abnahme der Mortalität resultieren würde, ist derzeit aber nur Spekulation.

 

Überraschend ist die Tatsache, dass beim Vergleich von Patientinnen und Patienten mit und ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen die relative Risikoreduktion durch Bempedoinsäure mit 32 % versus 9 % in der Primärprävention (30 % der Teilnehmer) trotz niedrigerer Inzidenzrate für den primären Endpunkt größer war als in der Sekundärprävention (70 % der Teilnehmer). Eigentlich würde man den stärkeren Effekt in der Sekundärprävention erwarten. War das nur Zufall oder steckt mehr dahinter? Dazu wird es vermutlich in Zukunft noch genauere Analysen der CLEAR-Studiengruppe geben.

 

Bempedoinsäure hat in der CLEAR-Studie auch antiinflammatorische Wirksamkeit bewiesen. Die Plasmakonzentration des Entzündungsparameters hochsensitives C-reaktives Protein (hsCRP), die initial im Median 2,3 mg/l betrug, wurde unter der Behandlung nach sechs Monaten um 22,6 % reduziert, bei einem Anstieg um 2,4 % in der Placebogruppe. Welche Bedeutung der entzündungshemmenden Wirkkomponente zukommt, ist noch unklar.

 

Nebenwirkungen, Sicherheit und Verträglichkeit

CLEAR dokumentiert auch eine gute Sicherheit und Verträglichkeit von Bempedoinsäure. Als Prodrug muss der Wirkstoff durch ein Enzym aktiviert werden, das spezifisch in der Leber und nicht im Muskelgewebe wirksam ist. Muskuläre Beschwerden, die von mit Statinen behandelten Patientinnen und Patienten als häufigster Grund für eine Unverträglichkeit angegeben werden, traten unter Bempedoinsäure nicht häufiger auf als unter Placebo. Auch bei der Diabetes-Inzidenz gab es keinen Unterschied. Höher als unter Placebo waren die Nebenwirkungsraten im Hinblick auf Hyperurikämie (10,9 % vs. 5,6 %), Gicht (3,1 % vs. 2,1 %) und Cholelithiasis (2,2 % vs. 1,2 %).

Hinweis zur Intoleranz gegenüber Statinen

Derzeit gibt es keine einheitliche und allgemein akzeptierte Definition von Statinintoleranz. Die Autoren der CLEAR-Studie hatten für die Auswahl der Studienteilnehmer strikte Kriterien definiert. Alle Teilnehmer mussten schriftlich erklären, dass sie nicht in der Lage oder willens waren, Statine einzunehmen, da diese bei ihnen zuvor inakzeptable Nebenwirkungen gezeigt hatten, die nach Absetzen der Therapie wieder verschwanden. Die Erklärung musste auch beinhalten, dass sich für die Ablehnung von Statinen entschieden worden war trotz der Kenntnis, dass diese bei ihnen das Herzinfarkt- und Sterberisiko verringern könnten.

Fazit für die Praxis

Mit der CLEAR-Studie hat sich Bempedoinsäure als eine wirksame Alternative bei Patientinnen und Patienten etabliert, die Statine wegen Unverträglichkeit hartnäckig ablehnen. Nach ihren Ergebnissen kann als klinischer Nutzen eine moderate Reduktion von nichttödlichen Ereignissen wie Herzinfarkt und koronaren Revaskularisationen erwartet werden, ohne dass sich wegen bedenklicher Nebenwirkungen Sorgen gemacht werden müssten. Die CLEAR-Ergebnisse ändern aber nichts daran, dass sich bei kardiovaskulären Risikopatienten und -patientinnen auch im Fall von Nebenwirkungen zunächst konsequent darum bemüht werden sollte, diese vorrangig auf eine Behandlung mit Statinen einzustellen.


Literatur

Nissen SE et al. Bempedoic Acid and Cardiovascular Outcomes in Statin-Intolerant Patients. N Engl J Med. 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2215024

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