Die Möglichkeiten, erhöhte Lipoprotein(a)-Konzentrationen im Blut medikamentös senken zu können, waren bislang sehr begrenzt. Mit einem neuen Therapieansatz, der gerade in einer Phase-1-Studie erfolgreich getestet worden ist, könnte sich das ändern.
Die Möglichkeiten, erhöhte Lipoprotein(a)-Konzentrationen im Blut medikamentös senken zu können, waren bislang sehr begrenzt. Mit einem neuen Therapieansatz, der gerade in einer Phase-1-Studie erfolgreich getestet worden ist, könnte sich das ändern.
Von Peter Overbeck
03.04.2022
Das in der Leber gebildete Lipoprotein(a) [Lp(a)], das strukturell dem Low Density Lipoprotein (LDL) ähnlich ist, ist aufgrund seiner proatherogenen Eigenschaften als potenzieller Ansatzpunkt für therapeutische Interventionen zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos von Interesse. Lp(a) werden auch prothrombotische und proinflammatorische Eigenschaften zugeschrieben.
Lp(a)-Plasmaspiegel lassen sich aufgrund genetischer Determinierung allerdings durch Ernährung, körperliche Bewegung oder auch Medikamente kaum selektiv senken. Zumindest im Hinblick auf medikamentöse Therapieansätze scheint dies inzwischen aber nicht mehr zu gelten.
Mit SLN360 wird derzeit ein neuer Wirkstoff klinisch erforscht, der speziell zur Reduktion erhöhter Lp(a)-Konzentrationen im Blut entwickelt wurde. SLN360 zählt zur Wirkstoffklasse der sogenannten small interfering RNA (siRNA). Seine Wirkung zielt darauf, durch Hemmung von messenger RNA (mRNA) die Translation von bestimmten Lp(a)-Partikeln und damit deren vermutete pathogenetische Wirkung zu unterbinden.
Beim ACC-Kongress 2022 hat Prof. Steven Nissen von der Cleveland Clinic in Cleveland, Ohio, nun Ergebnisse der Phase-I-Studie APOLLO zur dosisabhängigen Wirksamkeit und Verträglichkeit von SLN360 bei kardial gesunden Probanden mit erhöhten Lp(a)-Plasmaspiegeln (≥ 150 nmol/l, entsprechend 60 mg/dl) vorgestellt. Die Studie ist zeitgleich im medizinischen Fachblatt JAMA publiziert worden.
Im Rahmen der Studien ist 32 Probanden, darunter 17 Frauen, entweder Placebo (n = 8) oder SLN360 in aufsteigenden Dosierungen von 30 mg (n = 6), 100 mg (n = 6), 300 mg (n = 6) oder 600 mg (n = 6) jeweils als Einmaldosis subkutan verabreicht worden. Abgesehen von vereinzelten Reaktionen an der Einstichstelle wurden die SLN360-Injektionen gut vertragen.
Maßgeblicher Wirksamkeitsparameter war die Lp(a)-Plasmakonzentration im Zeitraum von bis zu 150 Tagen nach Injektion. Die maximalen Veränderungen der Lp(a)-Konzentration in dieser Zeit betrugen dosisabhängig im Median −20 nmol/l (Placebo), −89 nmol/l (30-mg-Dosis), −185 nmol/l (100-mg-Dosis), −268 nmol/l (300-mg-Dosis) und −227 nmol/l (600-mg-Dosis). Diese Veränderungen korrespondierten mit einer maximalen relativen Abnahme der Lp(a)-Plasmaspiegel um 10% (Placebo), 46% (30-mg-Dosis), 86% (100-mg-Dosis), 96% (300-mg-Dosis) und um 98% (600-mg-Dosis).
Die beobachteten Senkungen der Lp(a)-Plasmaspiegel erwiesen sich im Zeitraum von 150 Tagen als anhaltend. Auf Anraten des Safety Review Committee der Studie soll die Dauer der Nachbeobachtung in den Gruppen mit den beiden höchsten SLN360-Dosierungen auf ein Jahr verlängert werden.
Die Ergebnisse der APOLLO-Studie lassen es lohnenswert erscheinen, das therapeutische Potenzial von SLN360 künftig in weiteren Studien genauer zu erforschen, resümieren Nissen und seine Mitautoren.
Dieser Einschätzung schließt sich auch Dr. Brian Ference von der University of Cambridge im englischen Cambridge in einem Begleitkommentar zur JAMA-Publikation an. Die wichtigste zu klärende Frage lautet nach seiner Ansicht aber, ob die Lp(a)-Senkung am Ende auch in eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse mündet und welche Patienten davon gegebenenfalls profitieren.
Diesbezüglich sei die wissenschaftliche Evidenz derzeit diskrepant, so Ference. Nach dem Prinzip der sogenannten Mendelschen Randomisierung durchgeführte genetische Studie sprächen einerseits konsistent dafür, dass erhöhtes Lp(a)-Spiegel in kausaler Beziehung zur Entwicklung von kardiovaskulären Erkrankungen stehen. Das würde implizieren, dass eine Lp(a)-Reduktion auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verringert.
Ergebnisse randomisierter Studien mit Lipidsenkern wie PCSK9-Hemmer, in denen Lp(a)-Senkungen um 20% bis 25% beobachtet wurden, dämpfen dagegen eher die Hoffnung auf einen entsprechenden Nutzen der Lp(a)-Senkung. Eine über den zu erwartenden Effekt der Reduktion von LDL und anderen ApoB-haltigen Lipoproteinen hinausgehende Wirkung der Lp(a)-Senkung auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse konnte in diesen Studien nämlich nicht festgestellt werden.
Ference zeigt sich dennoch optimistisch. Er hat eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz. Nach seiner Ansicht kommt die kausale Beziehung zwischen Lp(a)-Senkung und der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse vermutlich erst dann zum Tagen, wenn die absolute Senkung der Lp(a)-Spiegel ein größeres Ausmaß erreicht hat.
In den vorliegenden randomisierten Studien seien überwiegend Patienten mit eher niedrigen Lp(a)-Ausgangswerten (30−60 nmol/l, entsprechend 12−30 mg/dl) vertreten gewesen. Den beobachteten relativen Reduktionen um 20% bis 25% hätten absolute Reduktionen der Lp(a)-Spiegel um lediglich 7 bis 15 nmol/l entsprochen. Das sei vermutlich viel zu wenig gewesen, um über die Lp(a)-Senkung das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse beeinflussen zu können.
Die in der APOLLO-Studie mit SLN360 erzielten absoluten Lp(a)-Reduktionen um 185 bis 268 nmol/l seien da schon ein anderes Kaliber, so Ference. Wo jedoch genau die Grenze für die absolute Lp(a)-Senkung liegt, ab der – wenn überhaupt – die Transformation in eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen sich vollzieht, muss noch geklärt werden. Davon hängt ab, welche Patienten von einer Lp(a)-senkenden Therapie profitieren könnten.
Magnitude And Duration Of Effects Of A Short-interfering RNA Targeting Lipoprotein(a): A Placebo-controlled Double-blind Dose-ranging Trial (APOLLO Trial). Late-Breaking Clinical Trials II, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 3. April in Washington
Nissen S. et al.: Single Ascending Dose Study of a Short Interfering RNA Targeting Lipoprotein(a) Production in Individuals With Elevated Plasma Lipoprotein(a) Levels. JAMA 2022, online 3. April
Brian E. Ference: The Potential Clinical Benefit of Lowering Lipoprotein(a). JAMA 2022, online 3. April