Das Herz mit allen Mitteln schützen

Im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms der DGK untersucht Dr. Tobias Harm die Zusammenhänge thrombozytärer Lipide mit der Pathophysiologie und Prognose der koronaren Herzerkrankung.

Von:

Dr. Tobias Harm

CSP-Stipendiat

 

28.03.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com

Thrombo-inflammatorische Prozesse definieren grundlegende pathophysiologische Zusammenhänge und determinieren weiterhin den Krankheitsverlauf von Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Während der akuten Plaqueruptur aggregieren zirkulierende Thrombozyten und initiieren die Thrombusbildung, welche in eine akute myokardiale Ischämie münden kann. Zudem führt eine gesteigerte thrombo-inflammatorische Aktivität zur Entstehung und Progression der Atherosklerose sowie zu vermehrten, prognostisch relevanten, kardiovaskulären Endpunkten einschließlich Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder plötzlichem Herztod. Eine stetige Thrombozytenaktivierung und Monozytenstimulation bedingen ein prothrombotisches und inflammatorisches Milieu bei Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und sind ferner assoziiert mit dem Voranschreiten der Erkrankung sowie wiederkehrenden kardiovaskulären Ereignissen.

 

Zurzeit wird das kardiovaskuläre Risiko meist nur unzureichend mittels konventioneller Parameter, einschließlich Cholesterin und LDL, abgeschätzt. Häufig misslingt hierbei eine Selektion der Patientinnen und Patienten mit einer Hochrisikokonstellation für kardiovaskuläre Ereignisse. Zudem scheint das pathophysiologische Modell der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen auf zellulärer Ebene überholt und metabolische sowie genetische Zusammenhänge gewinnen zunehmend an Bedeutung.

 

Moderne metabolomische Ansätze vermögen die Gesamtheit der subzellulären Vorgänge, einschließlich der genetischen Expression und Lipid- beziehungsweise Proteinsignaturen, detailliert zu erfassen. Veränderung derselbigen können bei Patientinnen und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen oder erhöhtem kardiovaskulären Risiko nachgewiesen werden und bilden Angriffsziele für pharmakologische Interventionen. Metabolomische Analysen stellen somit eine innovative Strategie zur Verbesserung des kardiovaskulären Risiko-Assessments dar.

Dynamische Veränderungen des Metaboloms führen zur Pathogenese kardiovaskulärer Erkrankungen und dienen einer spezifischen Risikostratifizierung sowie als neuartige Ansatzpunkte maßgeschneiderter Therapien

 

Bis zum heutigen Tage sind die Kausalzusammenhänge subzellulärer Veränderungen der Lipidstruktur und der genetischen Expression mit der Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen weitestgehend ungeklärt. Aufgrund dessen bedarf es weiterer Analysen der Assoziationen von veränderten Lipidsignaturen oder genetischen beziehungsweise epigenetischen Alterationen bei Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Hierfür dienen neben plasmatischen Veränderungen insbesondere Thrombozyten und Monozyten als Hauptakteure der zellulären Thrombo-Inflammation und rücken in den Fokus der Forschung. Es bleibt weiterhin ungeklärt, wie diese spezifischen Veränderungen den Krankheitsverlauf modulieren und welche äußeren Faktoren auf diese subzellulären Alterationen Einfluss nehmen. Die Identifizierung neuer hochselektiver, thrombo-inflammatorischer Biomarker durch metabolomische Analysen soll somit zielgerichtete Therapien ermöglichen. Ferner soll durch die pharmakologische Adressierung der Metaboliten die Atherogenese und Atheroprogression verhindert werden.  

Spatial Lipidomics: Prädiktion und Spezifität übertreffen konventionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Detektion von Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten

 

Im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms der DGK untersucht Dr. Tobias Harm seit seiner Promotion 2022 als Assistenzarzt und Wissenschaftler an der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Tübingen die Zusammenhänge thrombozytärer Lipide mit der Pathophysiologie und Prognose der koronaren Herzerkrankung. Diese translationale Analyse steht im Mittelpunkt der Forschung, da die Erkenntnisse über neue Biomarker für die Therapie und Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen genutzt werden können. In gemeinsamer Arbeit mit der Forschungsgruppe um Prof. Meinrad Gawaz gelang es Dr. Harm, Veränderungen des thrombozytären Lipidmetabolismus bei Patientinnen und Patienten mit akutem und chronischem Koronarsyndrom darzulegen.

 

Diese Pathologien bewirken zudem prothrombotische Dispositionen und thrombozytäre Dysfunktionen, welche sich spezifisch in thrombo-ischämischen oder Blutungsereignissen mit klinischer Relevanz widerspiegeln. Ferner konnte bereits eine Modulation dieser prognostisch relevanten Lipide durch eine gezielte lipidsenkende Therapie beschrieben werden. Im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms der DGK untersucht Dr. Harm nun mittels systematischer Multi-Omics-Ansätzen, inwiefern Veränderungen des Metaboloms die Pathophysiologie kardiovaskulärer Erkrankungen beeinflussen und ob sich diese durch gezielte Interventionen aufhalten lassen. Neben ex-vivo Analysen stehen hier insbesondere patientenbezogene Big-Data-Analysen im Zentrum der translationalen Forschung, welche mithilfe moderner Machine-Learning-Technologien eine Verbindung der kardiologischen Grundlagenforschung mit der klinischen Routine schafft.

DGK-Clinician-Scientist-Programm als Taktgeber und Schnittstelle für Klinik und Forschung 

 

Als Stipendiatin oder Stipendiat der DGK ist es möglich, neben der Facharztausbildung, auch an wissenschaftlichen Forschungsprojekten zu arbeiten. Neben seiner aktuellen Tätigkeit in der internistischen Intensivstation forscht Dr. Harm gemeinsam mit der Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Meinrad Gawaz im Bereich der translationalen Kardiologie. Hierbei erhielt er bereits mehrfache wissenschaftliche Auszeichnungen der DGK und unlängst den Young Investigator Award der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie.

 

Das Clinician-Scientist-Programm der DGK fördert ärztlich-wissenschaftlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kardiologie auf dem Weg zu einer eigenständigen und innovativen Forschungskarriere.  Neben der klinischen Ausbildung erfüllt eine finanzielle Förderung eine fünfzigprozentige Freistellung der Stipendiatinnen und Stipendiaten. Dr. Harm befasst sich im Zuge dessen mit der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Projekte hin zur Etablierung einer eigenständigen Arbeitsgruppe.

 

Die Förderung der DGK im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms ermöglicht es, die eigene Weiterentwicklung gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen und dadurch selbst zu profitieren. Längerfristig soll die Freistellung durch das Stipendium ein Habilitationsprojekt im Bereich der kardialen Multi-Omics-Forschung ermöglichen. Durch die Förderung der DGK gelingt es, aufwändige wissenschaftliche Methodiken zu etablieren, neuartige Hypothesen zu generieren und Konsequenzen für den klinischen Alltag abzuleiten. Letzteres ermöglicht es zudem, notwendige Freiräume für die fachärztliche Ausbildung zu gewinnen. Das Stipendium soll somit Anstoß geben für eine ganzheitliche ärztliche Weiterentwicklung. Den Prozess seiner Forschungstätigkeit im Rahmen des Clinician-Scientist-Programms wird Dr. Harm im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der DGK präsentieren. 


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