Die 3 Top-Kontroversen und aktuelle Entwicklungen in der Echokardiographie

Braucht man die transösophageale Echokardiographie, um eine Therapie-bedürftige Aortenklappenstenose zu diagnostizieren? Prof. Andreas Hagendorff, Universitätsklinikum Leipzig, zum diesjährigen Deutschen Echokardiographie-Kongress in Leipzig über aktuelle Kontroversen und Entwicklungen.

Von Melissa Wilke

 

05.06.2023

HERZMEDIZIN: Anders als beispielsweise der Kongress „DGK. Kardiale Bildgebung“ in Köln, der das gesamte Spektrum der kardialen Bildgebung behandelt, hat sich der Deutsche Echokardiographie-Kongresses (DEK) der DGK in Leipzig klar auf die Echokardiographie spezialisiert. Warum dieser Fokus?

 

Hagendorff: Die Echokardiographie ist die Methode, die von den Kardiologinnen und Kardiologen als zentrales Bildgebendes Verfahren eingesetzt wird, und vor allem beherrscht werden muss, um rechtzeitig, wichtige Diagnosen stellen zu können und damit rechtzeitig die notwendigen Therapien einleiten zu können. Durch diese Fokussierung besteht die Möglichkeit, sich intensiv mit der Echokardiographie – insbesondere mit methodischen und sonstigen speziellen Aspekten – auf dem Kongress zu beschäftigen, und als Teilnehmerin und Teilnehmer persönlich relevante Fragen stellen zu können. Die Echokardiographie ist derart vielfältig geworden, dass dieses bildgebende Verfahren seinen eigenen Kongress braucht, der den Stellenwert der Echokardiographie als häufigste angewandte Methode der kardiologischen Bildgebung entsprechend würdigt. Und diesem Anspruch wird der DEK in Leipzig gerecht.

 

Die Einführung nationaler und auch internationaler Kongresse (wie z. B. EuroEcho Imaging der EACVI) mit der Thematik der multimodalen kardialen Bildgebung haben dazu geführt, dass die Methodik der Echokardiographie in den letzten mehr als 10 Jahren nicht ausreichend vermittelt wurde und Basiswissen der Echokardiographie, welches letztlich für eine optimierte Geräteeinstellung und ausreichende Bildakquise notwendig ist, nicht mehr flächendeckend bekannt ist. Kongresse wie der DEK versuchen, dieser bedrohlichen Entwicklung durch Vermittlung fundierter echokardiographischer Inhalte entgegenzuwirken, um damit die notwendige und berechtigte Renaissance der Echokardiographie einzuleiten, und ihren Stellenwert richtig im Kontext der multimodalen kardialen Bildgebung einzuordnen.

 


"Die Echokardiographie ist derart vielfältig geworden, dass dieses bildgebende Verfahren seinen eigenen Kongress braucht."

Prof. Andreas Hagendorff

Echokardiographie - Ultraschalluntersuchung des Herzens Ultraschalluntersuchung des Herzens. Bildquelle: PIJITRA PHOMKHA / Shutterstock.com

HERZMEDIZIN: Was sind die Vorteile und Nachteile der Echokardiographie im Vergleich zu anderen bildgebenden Verfahren?

 

Hagendorff: Die Vorteile der Echokardiographie sind die schnelle ubiquitäre Verfügbarkeit, die überwiegende Real-time Bildakquisition, die hohe räumliche Bildauflösung, die beste zeitliche Bildauflösung und die vollständige Nicht-Invasivität. Zusätzlich steht als erweiterte Methode die semi-invasive transösophageale Echokardiographie zur Verfügung. Es gibt bei der Echokardiographie keine Strahlenbelastung und keine Verwendung von potenziellen Nierenfunktions-schädigenden Kontrastmitteln. Ein Nachteil ist nur die Limitation bei eingeschränkter Schallbarkeit, wobei vergleichbare, aber andere Limitationen auch bei den alternativen Verfahren bestehen. Ein weiteres Problem der Echokardiographie ist die relativ zeitintensive Ausbildung.

Aktuelle Entwicklungen und Kontroversen

HERZMEDIZIN: Was sind die aktuellen Top-Themen in diesem Bereich?

 

Hagendorff: Die Top-Themen der Echokardiographie betreffen neue funktionelle Analyseverfahren zur Myokard- und Herzklappenfunktion, unter anderem mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, sowie neue technische Entwicklungen zur Verbesserung der Darstellung kardialer Strukturen, beispielsweise die Darstellung in 3D. Allein diese neuen Entwicklungen haben zur signifikanten Verbesserung der kardialen Diagnostik geführt, bedingen jedoch auch eine zunehmende Spezialisierung für den Bereich des kardialen „Imagers“.

HERZMEDIZN: Welche Kontroversen gibt es und wie stehen Sie dazu?

 

Hagendorff: Die drei Top-Kontroversen können in folgenden Fragen skizziert werden.

 

Erstens: Kann man eine Therapie-bedürftige Aortenklappenstenose wirklich allein durch eine transthorakale Echokardiographie diagnostizieren – oder braucht man zur ausführlichen, Patienten-gerechten Diagnostik und Sicherung der Diagnose zusätzlich eine transösophageale Echokardiographie (TEE)? – Die klare Antwort muss lauten: Man braucht nahezu immer eine TEE.

 

Zweitens: Kann man kardiale Volumina mittels Echokardiographie valide und reproduzierbar bestimmen, obwohl in der echokardiographischen Literatur in der Regel viel zu niedrige Werte für kardiale Volumina angegeben werden? – Die klare Antwort muss lauten: Ja, man kann die kardialen Volumina valide und zuverlässig bestimmen, wenn man „gute“ Bilder akquiriert und die echokardiographische Methodik „richtig“ anwendet.

 

Drittens: Kann man den Schweregrad der Mitralklappeninsuffizienz durch qualitative und semiquantitative Methoden richtig einschätzen? – Die klare Antwort muss lauten: Man kann den Schweregrad einer relevanten Mitralklappeninsuffizienz nur durch eine quantitative Beurteilung der Kreislaufparameter „richtig“ bestimmen. Zudem müssen die bestimmten Volumina eine plausible, unter anderem auch mit dem Leben vereinbare Kreislaufsituation beschreiben. In manchen publizierten Studien war dies nicht der Fall – so existieren Studien, die Patientinnen und Patienten mit einem Herzminutenvolumen von null oder weniger beschreiben. Die Summe aus Vorwärts- und Rückwärtsvolumina des linken Ventrikels bei der isolierten Mitralklappeninsuffizienz muss dem totalen Schlagvolumen des linken Ventrikels entsprechen und das Vorwärtsschlagvolumen muss bei der angegebenen Herzfrequenz der Patientinnen und Patienten ein realistisches Herzminutenvolumen ergeben. Quantitative Analysen in der Echokardiographie bedingen allerdings genaues methodisches Vorgehen.

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