PD Dr. Sara Sheikhzadeh
Ist es in der Herzmedizin ein Karrierenachteil, eine Frau zu sein? PD Dr. Sara Sheikhzadeh gab zu, dass sich ihre Meinung hierzu gewandelt hat. Sie ist seit 2022 Chief Medical Officer (CMO) der Asklepios Kliniken Gruppe und seit 2023 als Medizinische Direktorin Teil der Geschäftsführung der Asklepios Kliniken Hamburg, hat es also als eine von wenigen auf der Karriereleiter ganz nach oben geschafft. Sie berichtete, dass sie zu Beginn ihres Werdegangs als junge Assistenzärztin in der Kardiologie die Frage klar verneint hätte. Damals war für sie völlig klar, dass alle die gleichen Möglichkeiten haben. Rückblickend hatte (und hat) sie jedoch mit Widerständen zu kämpfen. Was sie als Assistenzärztin nicht wahrgenommen hatte und erst in der Rückschau realisiert hat, ist, dass viele männlichen Kollegen es schneller ins Herzkatheterlabor schafften als sie. Zudem stieß es auf Kritik und Unverständnis, als sie nach 6 Wochen Mutterschutz ihre Tätigkeit als Oberärztin wieder aufnahm. Und selbst als sie mit 22 Kollegen und nur einer Kollegin Chefärztin war, dachte sie weiterhin, dass es kein Nachteil sei, eine Frau zu sein, man müsse schließlich einfach nur hart arbeiten, um Karriere zu machen. Dr. Sheikhzadeh berichtete, dass die Ansicht, dass es hierzulande gar keine Benachteiligung von Frauen gebe, weit verbreitet sei – insbesondere unter denen, die selbst nicht davon betroffen sind bzw. betroffen zu sein scheinen. Sie gab zu, dass sie sich damals womöglich etwas vorgemacht hatte und räumte ein, dass es doch eine gläserne Decke geben könnte. Und sie stellt sich heute die Frage, ob sie nicht schneller Karriere gemacht hätte, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Ein Blick auf die Ärzt:innen-Zahlen bei Asklepios legt das zumindest nahe: Während Dr. Sheikhzadeh zufolge bei den Asklepios-Fachärzt:innen noch knapp die Frauen überwiegen, ist unter den leitenden Oberärzt:innen nur noch weniger als jede dritte Person weiblich. Und bei den Chefärzt:innen liegt der Frauenanteil sogar nur noch bei rund 18 %, mit einer deutlichen Variabilität je nach Fachgebiet: Während beispielsweise in der Psychosomatik 40 Chefärztinnen auf einen 1 Chefarzt kommen, ist es in der Kardiologie 1 Chefärztin auf 74 Chefärzte.
Dieses Ungleichgewicht gilt es zu adressieren – aber wie? Für Dr. Sheikhzadeh liegt die primäre Aufgabe von Asklepios als Institution darin, Frauen zu finden, zu binden und spezifisch zu fördern, um so auch dem Fachkräftemangel zu begegnen – denn die Hälfte der Fachkräfte ist weiblich. Ein wesentlicher Scheidepunkt bei den Wegen von Männern und Frauen ist ihr zufolge der Zeitpunkt, wenn die Frau Mutter wird. Daher unterhält Asklepios eigene Kindertagesstätten, deren Öffnungszeiten an die Anforderungen von Krankenhauspersonal angepasst sind. An drei Hamburger Standorten sind die Kitas „nur“ 12 Stunden geöffnet (von 6 bis 18 Uhr), angestrebt wird aber, dass zukünftig alle Asklepios-Kitas bis 22 Uhr geöffnet sind – auch, um die Spätdienste von Pfleger:innen abzudecken. Das reicht aber Dr. Sheikhzadeh zufolge nicht aus, um dem Fachkräftemangel an Kliniken zu begegnen. Daher hat Asklepios als neue Maßnahme vor 1,5 Jahren ein Mitarbeitenden-Unterstützungsprogramm (EAP, Employee Assistance Program) namens Insite eingeführt, das von einem Dienstleister betrieben wird. Dieses umfasst vielfältige Hilfsangebote für private und berufliche Bereiche, zum Beispiel Gesundheit und Work-Life-Balance, Familie und Partnerschaft, Finanzen, Versorgungsmanagement, Rechtsberatung und Krisenhilfe. Das Programm garantiert beispielsweise, dass bei einem Ausfall von Kitas innerhalb von 24 Stunden eine Kinderbetreuung organisiert wird. Das Programm ist für alle Mitarbeitenden kostenlos und erfreut sich wachsender Beliebtheit – und nach Ansicht von Dr. Sheikhzadeh lohnt sich ein solches Programm finanziell für die Unternehmen, denn damit gelingt es, Mitarbeitende zu binden oder für sich zu gewinnen.
Als innovatives Arbeitszeitmodell stellte Dr. Sheikhzadeh SAT vor („Selbstbestimmtes Arbeiten in Teilzeit“). SAT wurde für Pflegekräfte gestartet und soll in Q3 bei den Ärzt:innen einer Klinik als Pilotprojekt eingeführt werden. Bei SAT können Personen unter Beachtung bestimmter Kriterien wie der Anzahl der Nacht- und Wochenenddienste ihren Wunschdienstplan in einer App hinterlegen und so aktiv mitgestalten. Eine weitere Innovation betrifft die Weiterbildung: Während bislang meist Personaloberärzt:innen über die Rotationen entscheiden, wird dieser Prozess Dr. Sheikhzadeh zufolge bei Asklepios an die IT ausgelagert und von einer künstlichen Intelligenz unterstützt, um eine koordinierte Weiterbildung unabhängig von möglichen Einflüssen wie dem Geschlecht zu gewährleisten. Um neue Wege zu finden und Innovationen zu fördern, hat Asklepios außerdem ein New-Leadership-Programm aufgesetzt: Hierbei werden bei regelmäßigen Treffen des Konzernvorstands mit jungen Assistenzärzt:innen gemeinsam Probleme diskutiert und sowohl Ideen des Vorstands vorgestellt als auch Ideen der Assistenzärzt:innen gesammelt. Ein weiterer neuer Weg, den Asklepios seit rund 2 Jahren geht, ist, Ärzt:innen mobiles Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen – auch wenn dieses Homeoffice-Konzept anfangs gerade bei Chefärzt:innen auf Vorbehalte stieß. Zur Freude von Dr. Sheikhzadeh wurde das Angebot, PC-Arbeiten von zu Hause erledigen zu können, jedoch sehr gut angenommen.
Im Hinblick auf die Arbeitsmedizin hat sich Dr. Sheikhzadeh dafür eingesetzt, dass Chefärzt:innen ihrer Pflicht nachkommen, mit Schwangeren eine Schwangerschaftsbegutachtung durchzuführen und dabei das Ziel verfolgen, Berufsverbote zu vermeiden. Bislang passiere es noch zu häufig, dass Frauen in der Weiterbildung ihre Schwangerschaft so lange wie möglich verheimlichen, um weiter im OP arbeiten zu können. Und sie betonte, dass es auch bei Asklepios die Möglichkeit geteilter Chefärzt:innenpositionen gebe. Obwohl das Angebot Männern und Frauen offensteht, haben sich bislang ausschließlich Frauen darauf beworben. Sie zeigte sich aber überzeugt, dass sich zukünftig auch Männer dafür interessieren werden, denn die derzeitige Generation junger Assistenzärzt:innen hat deutlich andere Vorstellungen an die Arbeitsbedingungen als die aktuelle Generation von Chefärzt:innen. Bestätigt sieht sie sich dadurch, dass der Anteil der Männer in Teilzeit bereits steigt.
Neben strukturellen Veränderungen braucht es Dr. Sheikhzadeh zufolge aber auch Veränderungen des Mindsets in den Organisationen und der Gesellschaft – ihrer Einschätzung nach ist dies die deutlich schwieriger zu nehmende Hürde. Noch immer wird Männern mehr zugetraut als Frauen – womöglich auch, weil erstere selbstsicherer auftreten. Bei Asklepios versucht man unter anderem mit einem Führungskräfteseminar für Männer und Frauen namens „Empathisch führen“, die Führungskultur zu verändern. Als weiteren Baustein auf dem Weg zu gleichberechtigter Führung nannte Dr. Sheikhzadeh Rolemodels – und schlug damit die perfekte Brücke zum letzten Vortrag.