Erste Ergebnisse für Tirzepatid bei HFpEF mit Adipositas überzeugen

 

AHA-Kongress 2024 | SUMMIT: Die Studie hat bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener linksventrikulärer Funktion (HFpEF) und Adipositas gezeigt, dass die Behandlung mit dem langwirksamen GIP- und GLP-1 Rezeptoragonisten Tirzepatid den primären kombinierten Endpunkt (kardiovaskulärer Tod oder erstes Herzinsuffizienz-Ereignis) nach im Median zwei Jahren um 38 % im Vergleich zu Placebo signifikant vermindert. Das Sicherheitsprofil war gut, wenige Patientinnen und Patienten beendeten Tirzepatid aufgrund gastrointestinaler Nebenwirkungen.1,2

Von:

Prof. Johann Bauersachs

Rubrikleiter Herzinsuffizienz

 

16.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Methodik

 

Es wurden 731 Patientinnen und Patienten mit HFpEF (linksventrikuläre Ejektionsfraktion > 50 %) und Übergewicht (BMI > 30) randomisiert. Es erfolgte eine Randomisierung auf Tirzepatid (titriert von 2,5 mg/Woche bis 15 mg/Woche nach 20 Wochen, abhängig von der Verträglichkeit) bzw. Placebo. Der primäre kombinierte Endpunkt umfasste den kardiovaskulären Tod oder ein erstes Herzinsuffizienz-Ereignis.

Baseline-Daten

 

Die eingeschlossenen Patientinnen und Patienten waren im Mittel 65 Jahre alt und zu 54 % weiblich mit einem BMI von 38 kg/m2; fast 50 % hatten einen Diabetes mellitus, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion betrug 60 %. 73 % der Patientinnen und Patienten waren mit Diuretika vorbehandelt, fast 70 % der Patientinnen und Patienten mit Betablockern, 80 % mit Blockern des Renin-Angiotensin-Systems, 17 % mit SGLT2-Inhibitoren, 35 % mit einem MRA.

Primärer Endpunkt

 

SUMMIT hat bei 731 Patientinnen und Patienten mit HFpEF den Effekt des langwirksamen dualen GIP- and GLP-1 Rezeptor-Agonist, Tirzepatid (titriert bis 15 mg/Woche), auf den primären kombinierten Endpunkt (kardiovaskulärer Tod oder erstes Herzinsuffizienz-Ereignis) untersucht. Der primäre kombinierte Endpunkt nach im Median 2 Jahren war signifikant vermindert im Vergleich zu Placebo (Hazard Ratio 0,62 [0,41-0,95] 38 % Risikominderung, p = 0,026).

Weitere Endpunkte

 

Ebenso war die Zahl der Herzinsuffizienz-Ereignisse (Hospitalisierung/iv-Diuretika) im Tirzepatid-Arm signifikant vermindert vs. Placebo (Hazard Ratio 0,41 [0,22-0,75], p = 0,004). Die Gesamtmortalität war nicht unterschiedlich, wobei im Placebo-Arm bei mehr Patientinnen und Patienten (n = 11) der Vitalstatus am Studienende unbekannt war. Die primären Ergebnisse waren konsistent in allen vordefinierten Subgruppen, wobei die Vorbehandlung mit SGLT2-Hemmer nicht Bestandteil der Subgruppenanalyse war. Die Lebensqualität gemessen mit KCCQ-CSS (co-primärer Endpunkt) verbesserte sich um 19,5 ± 1,2 in der Tirzepatid-Gruppe vs. 12,7 ± 1,3 in der Placebo-Gruppe (Unterschied 6,9; 95%-KI [3,3-10,6]; p < 0,001). Das Körpergewicht wurde, wie erwartet, deutlich stärker gesenkt unter Tirzepatid: –11,6 % (–12,9–10,4), p < 0,001.  

 

Ernste unerwünschte Ereignisse (v. a. gastrointestinal), die zu einer Beendigung der Medikation führten, traten bei 23 Patientinnen und Patienten (6,3 %) in der Tirzepatid-Gruppe und bei 5 Patientinnen und Patienten (1,4 %) in der Placebo-Gruppe auf.

Effekte auf kardiovaskuläre und renale Endorganschäden

 

Bei Patientinnen und Patienten mit  HFpEF und Adipositas kommt es zu einer Volumenexpansion und Drucküberlastung, die zu kardiovaskulären und renalen Endorganschäden führen können. In dieser Sekundäranalyse wurde untersucht, welche Effekte Tirzepatid auf hypertensive und renale Endpunkte hat.3


Tirzepatid senkte gegenüber Placebo nach 52 Wochen den systolischen Blutdruck (-5 mmHg, 95%-KI [-7 bis -3]; p < 0, 001), das Blutvolumen (-0,58 l, 95%-KI [-0,63 bis -0,52; p < 0,001) und den CRP-Wert (-37,2 %, 95%-KI [-45,7 bis -27,3]; p < 0,001). Diese Veränderungen gingen mit einer eGFR-Zunahme einher (2,90 ml/min/1,73 m2; 95%-KI [0,94 bis 4,86]; p = 0,004) und mit Reduktion der Albuminurie (UACR  -15 %, 95%-KI [-28 bis 0,1]; p = 0,051), des NT-proBNP-Wertes ( -10,5 %, 95%-KI [-20,7 bis 1,0 %]; p = 0,07) und des Troponin-T-Wertes ( -10,4 %, 95%-KI [-16,7 bis -3,6]; p = 0,003).

 
Insgesamt wurde gezeigt, dass Tirzepatid bei HFpEF und Adipositas die Volumen-Druck-Überlastung und systemische Entzündung über 52 Wochen reduzierte sowie gleichzeitig auch kardiovaskuläre und renale Endorganschäden und Funktionsverluste minderte.

Effekte auf den klinischen Verlauf

 

In weiteren Analysen wurde eine Reihe von sekundären Endpunkten untersucht, die Status, Schweregrad und Symptomlast der Herzinsuffizienz wiedergeben. Dazu gehörten: NYHA-Klasse, Gesundheitsstatus (EQ-5D-5L), Lebensqualität (KCCQ-CSS), 6-Minuten-Gehtest (6MWD), Wohlbefinden (PGIS: Patient Global Impression of Severity Overall Health), Medikamentenlast und ein hierarchischer Komposit aus Tod jeglicher Ursache, Herzinsuffizienz-Verschlechterungen sowie Änderungen im 6MWD und KCCQ-CSS über 52 Wochen.4

 

Tirzepatid hatte gegenüber Placebo konsistent positive Effekte auf alle Komposit-Endpunkte aus Tod und Herzinsuffizienz-Verschlechterungen (HR 0,41-0,67), die als Zeit bis zum ersten Ereignis erfasst wurden. Nach 52 Wochen verbesserte Tirzepatid den KCCQ-CSS um 6,9 Punkte (95%-KI [3,3-0,6]; p < 0,001), den 6MWD um 18,3 Meter (95%-KI [9,9-26,7] p < 0,001) und den EQ-5D-5L um 0,06 (95%-KI [0,03-0,09], p < 0,001). Weiterhin wurden Verbesserungen für die NYHA-Klasse (Odds Ratio 2,26; 95%KI [1,54-3,31] und für das Wohlbefinden (Odds Ratio 1,99; 95%-KI [1,44-2,76] jeweils p < 0,001) in der Tirzepatid- vs. Placebo-Gruppe beobachtet. Mit Tirzepatid wurden weniger Herzinsuffizienz-Medikamente benötigt (p = 0,015). Auch der hierarchische Komposit spiegelte den Nutzen der Tirzepatid-Therapie wider (Win Ratio 1,63; 95%-KI [1,17, 2,28]; p = 0,004).


Insgesamt führte Tirzepatid bei Patientinnen und Patienten mit HFpEF und Adipositas zu klinisch relevanten Verbesserungen in mehreren komplementären Bereichen, wie Gesundheitszustand, Lebensqualität, funktionelle Kapazität, körperliche Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden und verringerte außerdem die Symptom- und Medikamentenlast.

Expertenkommentar

 

SUMMIT hat gezeigt, dass bei Patientinnen und Patienten mit HFpEF und Adipositas der GIP- und GLP-1- Rezeptoragonist Tirzepatid den primären kombinierten Endpunkt (kardiovaskulärer Tod oder erstes Herzinsuffizienz-Ereignis) sowie funktionelle Einschränkungen im beobachteten Zeitraum signifikant verbesserte, während sich kein Effekt auf Todesfälle zeigte. Auch wenn SUMMIT die erste Studie mit GLP-Rezeptoragonisten ist, die bezüglich des primären Endpunkts für Herzinsuffizienz-Ereignisse gepowert war, ist die Patientenzahl wie auch die Ereignisrate deutlich geringer als in den üblichen großen Herzinsuffizienz-Studien.

Bereits auf dem AHA-Kongress zusätzlich publizierte Daten belegen die Wirksamkeit von Tirzepatid auf weitere Herzinsuffizienz-assoziierte Endpunkte und bezüglich möglicher Mechanismen, über die Tirzepatid die Outcomes bei HFpEF und Adipositas verbessert. Über den reinen Gewichtsverlust hinaus scheinen positive mechanistische Effekte zu existieren.

Zum Autor

Prof. Johann Bauersachs

Prof. Johann Bauersachs ist seit 2010 Direktor und W3-Professor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen das akute Koronarsyndrom, linksventrikuläre Heilung und Remodeling, akute und chronische Herzinsuffizienz sowie Intensivmedizin.
Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

  1. Packer M. Effect of Tirzepatide on Major Heart Failure Outcomes in Patients With Heart Failure. With a Preserved Ejection Fraction and Obesity: The SUMMIT Trial. AHA Congress Chicago, 16.11.24.
  2. Packer M et al. Tirzepatide for Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity. N Engl J Med. 2024 Nov 16. doi: 10.1056/NEJMoa2410027. Epub ahead of print.
  3. Borlaug BA et al. Effects of tirzepatide on circulatory overload and end-organ damage in heart failure with preserved ejection fraction and obesity: a secondary analysis of the SUMMIT trial. Nat Med. 2024. doi: 10.1038/s41591-024-03374-z. Epub ahead of print.
  4. Zile MR et al. Effects of Tirzepatide on the Clinical Trajectory of Patients with Heart Failure, a Preserved Ejection Fraction, and Obesity. Circulation. 2024. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.124.072679. Epub ahead of print.

Das könnte Sie auch interessieren

Neue AHA-Leitlinie pAVK

AHA-Kongress 2024 | Guidelines: Die AHA/ACC-Guideline PAD (Peripheral Artery Disease) aus dem Jahr 2016 wurde aktualisiert. Kommentiert von Prof. C. Rammos.

Basic Science im Interview

Modelle des menschlichen Herzmuskels in der funktionellen medizinischen Forschung: Chancen und Herausforderungen. Mit Prof. P. Kohl.

Kommt HU6 als neuer Wirkstoff für HFpEF in Betracht?

HFSA Annual Scientific Meeting 2024 | HuMAIN-HFpEF: HU6 reduzierte zwar das Körperfett, aber es bleiben dennoch erhebliche Zweifel. Kommentiert von Prof. F. Kahles.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen