HERZMEDIZIN: Im Konsensuspapier ist das "Amyloidosenetzwerk" ein Schlüsselbegriff. Könnten Sie erklären, was damit gemeint ist?
Pfister: Das Konzept des Amyloidosenetzwerks wurde bewusst in Abgrenzung zum Modell der Amyloidosezentren entwickelt. Amyloidose galt lange als seltene Erkrankung, weshalb die Behandlung bisher hauptsächlich in wenigen spezialisierten Zentren konzentriert ist, um die Expertise zu bündeln. Angesichts der Erkenntnis, dass diese Krankheit deutlich häufiger vorkommt, betrachten wir eine erweiterte Versorgungsstruktur als notwendig. Das Amyloidosenetzwerk ist definiert als interdisziplinäre Verbundstruktur mit ausgewiesener diagnostischer und therapeutischer Expertise auf dem Gebiet der Amyloidose, inklusive hochspezialisierter Diagnostikmodalitäten und Therapiekonzepte – vergleichbar mit überregionalen „Heart Failure Unit“(HFU)-Zentren. Um die Prozesse vom Erstverdacht oder Screening bis zur Therapieentscheidung und Überwachung in der Breitenversorgung abbilden zu können, bedarf es die Integration der Primärversorger in transsektoraler Netzwerkstrukturen, wie sie sich im Bereich der Herzinsuffizienz etabliert haben.
HERZMEDIZIN: Wie sieht die Versorgung durch Amyloidosenetzwerke aus und welche Rolle spielen dabei die etablierten Amyloidoesezentren und die niedergelassenen Kardiologen und Kardiologinnen?
Pfister: Es ist ein wesentliches Ziel des Konsensuspapiers, die Aufgaben klar zuzuteilen, um Sicherheit für alle Beteiligten hinsichtlich der Zuständigkeiten zu schaffen. In den Amyloidosenetzwerken sind die etablierten Zentren integraler Bestandteil, wobei eine Ausweitung erforderlich ist, um eine breitere Versorgung zu gewährleisten. Die Kooperation zwischen Kardiologie-Praxis bzw. den Kardiologie-Kliniken – je nachdem wo die Betroffenen erstmals vorstellig werden – und den Amyloidosenetzwerken ist essenziell. Niedergelassene Kardiologinnen und Kardiologen übernehmen als Primärbehandelnde die initiale Diagnostik einschließlich erweiterter Bildgebung wie Szintigraphie und MRT sowie Laborchemie.
Die laborchemische Analyse monoklonaler Gammapathien zur frühzeitigen Erkennung der AL-Amyloidose ist dabei ein wichtiger Punkt. Da AL-Amyloidose eine rasch progrediente Erkrankung ist, die unbehandelt innerhalb von 6 bis 12 Monaten zum Tod führen kann, ist eine schnelle Diagnosestellung entscheidend. Lange Diagnosewege kosten wertvolle Zeit. Das Vorschalten der Laboranalyse durch Niedergelassene ist ein entscheidender Schritt, um Betroffene schneller zu identifizieren und sie gezielt an Amyloidosenetzwerke zu überweisen, wo finale Diagnose und Therapie-Indikationsstellung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Art eines Tumor-Boards erfolgen kann.
Längerfristig ist auch eine Integration von Hausärzten und -ärztinnen in der Primärversorgung denkbar, wenn wir innerhalb der Kardiologie ausreichend Erfahrungen mit den Prozessen gesammelt haben.
HERZMEDIZIN: Welche Neuerungen ergeben sich für die Therapie aus den Empfehlungen des Konsensuspapiers?
Pfister: Im DGK-Positionspapier wurde bereits auf den Wirkstoff Tafamidis hingewiesen, welcher sich mittlerweile etabliert hat. Im Konsensuspapier wird darüber hinaus auf weitere, potenziell noch effektivere Optionen hingewiesen, die sich aktuell in der Entwicklung befinden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das kontinuierliche Monitoring der Patientinnen und Patienten, wo ein Teil dieser Aufgabe in den ambulanten niedergelassenen Bereich verlagert wird. Fortgeschrittene Entscheidungen, wie die Deeskalation der Therapie, sollten jedoch in Zusammenarbeit mit den Amyloidosenetzwerken getroffen werden.