Firstline-VT-Ablation statt Antiarrhythmika

 

AHA-Kongress 2024 | VANISH2: In der multizentrischen Studie wurde die Katheterablation als Firstline-Strategie gegenüber der Antiarrhythmika-Therapie zur Unterdrückung von anhaltenden ventrikulären Tachykardien untersucht bei Personen mit implantiertem Defibrillator nach Herzinfarkt. VANISH2 wurde in der LBS-Session 2 auf dem AHA 2024 präsentiert und zeitgleich publiziert.1,2


Prof. Christian Meyer (EVK Düsseldorf) kommentiert.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Prof. Chistian Meyer

Expertenkommentar

 

19.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Ungefähr ein Drittel der Personen mit einem implantierten Defibrillator (ICD) erleiden ventrikuläre Tachykardien (VT) innerhalb von 3 Jahren nach der Implantation. Rezidivierende anhaltende VT sind generell mit ungünstigen Outcomes assoziiert, wie geringe Lebensqualität, häufige Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und ein schlechteres Überleben im Vergleich zu Personen ohne VT.
Die Katheterablation wird in der Regel erst dann zur Behandlung der VT eingesetzt, wenn Antiarrhythmika nicht ausreichend wirksam sind. Ob die Katheterablation als Erstlinientherapie wirksamer sein könnte als Antiarrhythmika ist unklar und bisher gibt es nur wenige Vergleichsstudien.
Zuvor hatte VANISH bereits gezeigt, dass ein früher Einsatz der Katheterablation besser ist als eine intensivere Antiarrhythmika-Therapie.3

 

VANISH2 sollte nun untersuchen, ob die Firstline-Ablation in diesem Setting Vorteile bringt gegenüber der medikamentösen Therapie.

Methodik

 

In VANISH2 (Ventricular Tachycardia Antiarrhythmics or Ablation in Structural Health Disease 2) wurden 416 Personen mit ICD eingeschlossen, die nach einem vorhergehenden Herzinfarkt VT entwickelten. An der Studie nahmen 22 Zentren aus 3 Ländern (Kanada, USA und Frankreich) teil. Die Personen erhielten randomisiert entweder eine medikamentöse Therapie mit Antiarrhythmika (Amiodaron oder Sotalol je nach Eignung) oder eine Katheterablation.


Über eine Dauer von mindestens 2 Jahren nach der Ablation oder während der Einnahme der Medikamente (Median 4,3 Jahre) wurde als primärer Endpunkt der Komposit folgender Ereignisse erfasst: Tod, ICD-Schocks, VT-Ereignisse innerhalb von 24 Stunden und anhaltende VT, die nicht mit dem ICD behandelt wurden, aber in einem Krankenhaus behandelt werden mussten.

Ergebnisse

 

Primäre Endpunkt-Ereignisse traten bei 103 Personen (50,7 %) der Ablationsgruppe und bei 129 (60,6 %) der Medikamentengruppe auf. In der Ablationsgruppe war der primäre Endpunkt somit signifikant seltener gegenüber der Medikamentengruppe: HR 0,75; 95%-KI (0,58-0,97); p = 0,028.
Der Unterschied basierte vor allem auf der Reduktion anhaltender VT (4,4 % vs. 16,4 %; HR 0,26; 95%-KI 0,13-0,55), während die übrigen Komponenten des primären Endpunkts zwar ebenfalls die Ablation favorisierten, jedoch keine statistische Signifikanz erreichten.
Jeweils 45 Todesfälle (22,2 %) kamen in der Ablationsgruppe und 54 Todesfälle (25,4 %) in der Medikamentengruppe vor (HR 0,84; 95 %-KI 0,56-1,24).
Die Ergebnisse waren für die meisten Subgruppen konsistent. Eine Sekundäranalyse der Daten nach der Antiarrhythmika-Eignung ergab jedoch Ablationsvorteile nur für Sotalol-geeignete Personen (HR 0,64; 95%-KI 0,46-0,93), aber nicht für Amiodaron-geeignete Personen (HR 0,86; 95%-KI 0,58-1,27).
Die sekundären Endpunkte waren ebenfalls tendenziell günstiger für die Ablationsgruppe: So wurden weniger Episoden eines ICD-Schocks oder einer antitachykarden Stimulation beobachtet (1,91 vs. 6,14 Ereignisse pro Personenjahr; mittlere Differenz -4,22; 95%-KI[-9,01-0,56]).
In der Ablationsgruppe traten innerhalb von 30 Tagen nach der Behandlung 2 Todesfälle (1,0 %) und nicht-tödliche Ereignisse bei 23 Personen (11,3 %) auf. Zu letzteren gehörten: ein nicht-tödlicher Schlaganfall bei 2 Personen, eine Herzperforation bei einer Person und Gefäßverletzungen bei 5 Personen (2 davon mit schweren Blutungen).
In der Antiarrhythmika-Gruppe traten als therapiebedingte unerwünschte Ereignisse auf: ein Todesfall aufgrund pulmonaler toxischer Wirkungen (0,5 %) sowie nicht-tödliche Ereignisse bei 46 Personen (21,6 %). Bei 7 Personen traten arzneimittelbedingte Lungeninfiltrate oder Fibrosen auf, und in 25 Fällen gastrointestinale, neurologische, schilddrüsen- oder leberbedingte Nebenwirkungen, die zur Dosisanpassung oder zum Absetzen der Medikamente führten.

Fazit

 

Bei Patientinnen und Patienten mit ICD und vorangegangenen Myokardinfarkt- und VT-Ereignissen war die Katheterablation als Firstline-Strategie vorteilhaft. Durch die Firstline-Ablation anstelle der medikamentösen Antiarrhythmika-Therapie wurde der zusammengesetzte primäre Endpunkt aus Tod oder schwerwiegenden Arrhythmie-Outcomes signifikant reduziert.

Expertenkommentar

 

Firstline-VT-Ablation statt Antiarrhythmika: Lang erwartet - Erwartete Lage.
Im klinischen Alltag bevorzugen betroffene Patientinnen und Patienten nach einer - durch einen ICD-Schock behandelten – VT häufig die Katheterablation, vor der in Deutschland verbreiteten Amiodaron-Medikation; vor allem auf Grund gefürchteter medikamentöser Nebenwirkungen. Die Datenlage lässt hier jedoch Entscheidungsspielraum.
Die wichtige VANISH-2-Studie zeigte in diesem Zusammenhang nun erfolgreich die Überlegenheit der Katheterablation gegenüber einer antiarrhythmischen Medikation von Kammertachykardien auf dem Boden einer ischämischer Kardiomyopathie (abhängig der Kontraindikationen: Sotalol bzw. Amiodaron). Die Ereignisraten sprechen sowohl bei der Effektivität als auch den Komplikationen für die Ablation. Dennoch legen die Daten auch ein weiteres Mal nahe, dass die VT-Ablation in erfahrene Hand gehört, um das Komplikationsrisiko zu minimieren. Wichtig ist auch zu berücksichtigen, dass die Studie u.a. nicht für den Nachweis einer Mortalitätsreduktion „gepowered“ und der erreichte kombinierte Endpunkt insbesondere durch erneute VTs unter der ICD-Detektionsgrenze (sowie numerisch durch adäquate ICD-Schocks) „getrieben“ war. Letztere waren unter einer antiarrhythmischen Medikation deutlich erhöht. Die Beobachtung, dass Antiarrhythmika bei einigen Patienten mit langsameren VTs einhergehen statt diese zu vermeiden, ist nicht überraschend und sollte im Falle einer Indikationsprüfung bzw. Einleitung einer antiarrhythmischen Medikation bei der Anpassung der ICD-Programmierung berücksichtigt werden.

Zur Person

Prof. Christian Meyer

Prof. Christian Meyer leitet seit 2020 die Klinik für Kardiologe, Elektrophysiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist die interventionelle Kardiologie mit dem Fokus auf die Prävention und Behandlung von komplexen Herzrhythmusstörungen

Bildquelle: Privat

Referenzen

 

  1. Sapp JL. Catheter Ablation or Antiarrhythmic Drug Therapy for Ventricular Tachycardia in Ischemic Cardiomyopathy: The VANISH2 Trial. Late-Breaking Science Sessions 2. AHA-Kongress 2024
  2. Sapp JL et al. Catheter ablation or antiarrhythmic drugs for ventricular tachycardia. N Engl J Med. 2024; Epub ahead of print.
  3. Samuel M et al. Ventricular Tachycardia and ICD Therapy Burden With Catheter Ablation Versus Escalated Antiarrhythmic Drug Therapy. JACC Clin Electrophysiol. 2023;9(6):808-821

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