Kryo-Ablation mit ultraniedriger Temperatur

 

EHRA-Kongress 2024 | Cryocure-VT: Die Kryoablation mit ultraniedriger Temperatur (ULTC) kann in tiefere Schichten und Narbengewebe eindringen. In der Cryocure-VT-Studie wurde das neue ULTC-Ablationsverfahren erstmals bei Personen mit ischämischen und nicht-ischämischen Kardiomyopathien untersucht. Die vielversprechenden Ergebnisse wurde in der Late-Breaking Science Session auf dem EHRA 2024 in Berlin vorgestellt und zeitgleich publiziert.1,2

 

Eine Einordnung der Studienergebnisse von Rhythmologie-Rubrikleiter Prof. Christian Meyer lesen Sie abschließend im Kommentar.

Von:

Dr. Heidi Schörken

Herzmedizin.de

 

Prof. Christian Meyer

Senior Editor

 

11.04.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Vety Maria / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Ventrikuläre Tachykardie (VT) ist eine der Hauptursachen für den plötzlichen Tod bei Menschen mit Herzinsuffizienz und verminderter Ejektionsfraktion.3 Etwa 30 % der Personen mit ischämischen und nicht-ischämischen Kardiomyopathien entwickeln ventrikuläre Arrhythmien (VA) einschließlich VT.4 Zu den typischen Therapien zur Behandlung der VT gehören antiarrhythmische Medikamente wie Amiodaron und die Defibrillator-Implantation (ICD).5 Die Amiodaron-Therapie ist allerdings mit zahlreichen schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden, die in 30-40 % der Fälle zum Abbruch der Behandlung führen.6 Die ICD-Schock-Therapie kann eine VT zwar beenden, ist aber auch mit starken Schmerzen und einer erhöhten Mortalität verbunden. 

Ultraniedrige Temperatur (ULTC) stellt eine neue Energiequelle dar, die sehr tiefe Läsionen im ventrikulären Gewebe erzeugen und Narben durchdringen kann - wesentliche Eigenschaften für eine erfolgreiche VT-Ablation. Das neuartige Katheterdesign liefert ULTC bis zu -180°C und dringt je nach Dauer in unterschiedliche Gewebetiefen ein. Die erforderliche Tiefe und Dauer der ULTC-Behandlung kann nach Abschätzung der erforderlichen Gewebetiefe anhand von prä- oder intraprozeduraler Bildgebung gewählt werden.

Zielsetzung und Methodik

 

Cryocure-VT ist die erste klinische Studie am Menschen zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit von ULTC für die Behandlung rezidivierender monomorpher VT bei ischämischen und nicht-ischämischen Kardiomyopathien. Cryocure-VT war eine einarmige Studie, die an 9 Zentren in Belgien, Kanada, Tschechien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden durchgeführt wurde. An der Studie nahmen 61 Patienten und 3 Patientinnen teil (Durchschnittsalter 67 Jahre), die folgende Einschlusskriterien erfüllten: VT in der Vorgeschichte, Indikation zur Ablation, ischämische oder nicht-ischämische Kardiomyopathie und implantierter Defibrillator oder geplante Defibrillator-Implantation unmittelbar nach der Ablation. Die primären Endpunkte waren: Nicht-Induzierbarkeit klinischer VT nach dem Eingriff und Freiheit von größeren („major“) unerwünschten Ereignissen nach 30 Tagen, anhaltenden VT (> 30 Sekunden) nach 6 Monaten sowie ICD-Interventionen nach 6 Monaten.

Ergebnisse

 

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt (Nicht-Induzierbarkeit klinischer VT) trat bei 94 % der Patientinnen und Patienten auf. In 85 % der Fälle wurden sämtliche VT eliminiert. Protokoll-definierte major unerwünschte Ereignisse innerhalb von 30 Tagen traten nicht auf. Es gab 4 schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (6 %), darunter ein asymptomatisches ventrikuläres Pseudoaneurysma, 2 kleine Perikardergüsse und ein Fall von hämodynamischer Instabilität, der eine ECMO erforderte. Ein Patient starb 26 Wochen nach dem Eingriff an Herzversagen. 60 % der Patienten blieben über 6 Monate frei von anhaltenden VT und 81% benötigten keine ICD-Schocks. Es gab keine signifikanten Unterschiede bei ischämischer und nicht-ischämischer Kardiomyopathie.

FAZIT

 

Die ULTC-Ablation von monomorphen VT bei ischämischen und nicht-ischämischen Kardiomyopathien war wirksam und relativ sicher. Die Erfolgsraten für dieses neue Verfahren waren mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser, im Vergleich zu früheren Studien zur Radiofrequenz-Ablation. Die Komplikationsraten stimmten mit denen anderer Studien zur VT-Ablation überein. Nach Ansicht der Autoren könnte die ULTC-Technologie einen wichtigen Fortschritt darstellen, da sie die gezielte Behandlung tiefer gelegener mittelmyokardialer und sogar epikardialer Substrate ermöglicht. Weitere Studien, einschließlich randomisierter Studien zu dieser neuen Technologie sind erforderlich.

Kommentar von Prof. Christian Meyer (Düsseldorf)

 

Verbesserte Katheterdesigns, optimierte Mapping- und neue Bildgebungsverfahren in Kombination mit einem verbesserten pathophysiologischen Verständnis von Kammerarrhythmien haben in den letzten 10 Jahren zu einer verbesserten Identifikation von kritischen Myokardarealen bei Betroffenen geführt. Deren Elimination birgt jedoch auf Grund von anatomischen und pathophysiologischen Besonderheiten noch immer relevante Herausforderungen. So ist der Energietransfer durch Radiofrequenzstrom im strukturell gesunden Myokard gut, bei dem Vorliegen von Narben jedoch nach wie vor erschwert.

 

Neue Ablationsverfahren wie die bipolare Ablation, die hier untersuchte Ultra-Cryo-Ablation u.a. könnten wichtige Weiterentwicklungen darstellen. Die Kälte-basierte Ablation bietet dabei den potentiellen Vorteil einer tiefen, homogenen Gewebeveränderung. Die vorliegenden Ergebnisse in einem gemischten Kollektiv von Menschen mit ischämischer und nicht-ischämischer Kardiomyopathie, einschließlich einiger Menschen mit schwierigen Entitäten wie dem Vorliegen einer hypertrophen Kardiomyopathie, unterstreichen dies. Verglichen mit früheren Studien liegen die Erfolgsraten (bei vergleichbarer Sicherheit) am oberen Ende des bisher erreichten. Unter Berücksichtigung der bisher limitierten Erfahrung mit der Ultra-Cryo-Technologie einschließlich einer möglichen „learning curve“ stimmt dies hoffnungsvoll, auch wenn weitere Untersuchungen notwendig sind, um die Sicherheit und Effektivität im Langzeitverlauf dieses innovativen Ansatzes besser einschätzen zu können.


Referenzen

  1. Verma A. The Safety and Effectiveness of Ultra-low Temperature Cryoablation of Monomorphic VT in Patients with Ischemic and Non-Ischemic Cardiomyopathies. Late-Breaking Science; EHRA 2024
  2. Verma A et al. Cryocure-VT: the safety and effectiveness of ultra-low-temperature cryoablation of monomorphic ventricular tachycardia in patients with ischaemic and non-ischaemic cardiomyopathies. Europace. 2024 Mar 30;26(4):euae076. 
  3. Packer M. What causes sudden death in patients with chronic heart failure and a reduced ejection fraction? Eur Heart J. 2020;41(18):1757-1763. 
  4. Tan NY et al. Ventricular Arrhythmias Among Patients With Advanced Heart Failure: A Population-Based Study. J Am Heart Assoc. 2022;11(1):e023377. doi: 10.1161/JAHA.121.023377.
  5. McDonagh TA et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-3726
  6. Park HS, Kim YN. Adverse effects of long-term amiodarone therapy. Korean J Intern Med. 2014;29(5):571-3.

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