Update des Konsensus zur Ablation bei Vorhofflimmern

 

Im April dieses Jahres gab es ein Update des Konsensus der Fachgesellschaften aus Europa, Amerika und Asien. Die letzte Aktualisierung zur Ablation bei Vorhofflimmern war vor 7 Jahren, im Jahr 2017. Prof. Helmut Pürerfellner, Ordensklinikum Linz in Österreich, ist Mitautor des Konsensus-Statements und erklärt im Interview, was sich geändert hat, wo aktuell die Herausforderungen liegen und was sich für die Zukunft abzeichnet.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

12.06.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Yurchanka Siarhei / Shutterstock.com

HERZMEDIZIN: Herr Prof. Pürerfellner, was hat sich seit dem letzten Konsensus-Update getan?


Pürerfellner: Bei der Ablation von Vorhofflimmern hat sich viel getan. Es ist ein sehr dynamisches Gebiet, und als Elektrophysiologe kommt man fast ins Schwärmen, wenn man die Fortschritte sieht. Wir haben nun Tools, die sehr gut funktionieren und die Behandlung weiter voranbringen. Eine der wichtigsten Entwicklungen ist die Verbesserung der Prozessroutine zur Pulmonalvenenisolation bei paroxysmalem Vorhofflimmern. Heute können wir diesen Eingriff in unter einer Stunde durchführen, sei es mit Kryo-Ablation, mit High Power Short Duration (HPSD) oder der Pulsed-Field-Ablation (PFA). Diese technologische Entwicklung hat es uns ermöglicht, die Prozeduren schneller und effizienter zu gestalten, mit einer Erfolgsquote von etwa 80 % und einer niedrigen Rate für schwerere Komplikationen von 1–2 %. Diese Fortschritte wurden durch viele wichtige Studien unterstützt, darunter die STOP-AF-Studie, die gezeigt hat, dass eine Katheterablation als First-Line-Treatment einer medikamentösen Therapie überlegen ist. Diese Erkenntnisse wurden nun auch in die aktuellen Guidelines aufgenommen.


HERZMEDIZIN: Können Sie uns einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen im Konsensus geben?


Pürerfellner: Gerne, die Neuerungen lassen sich in fünf Hauptbereiche unterteilen:

 

  1. Vorhofflimmern als First-Line-Treatment: Für paroxysmales Vorhofflimmern gilt die Ablation als "Advice to do", was dem Empfehlungsgrad der Klasse I in den ESC-Guidelines entspricht. Für persistierendes Vorhofflimmern gilt "May be appropriate to do" (entspricht Klasse I). Bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz sollte differenziert werden: Wenn der Herzinsuffizienz eine Tachymyopathie zugrunde liegt, ist die Ablation empfohlen (Advice/Klasse I). Bei anderen Formen der Herzinsuffizienz sollte im Einzelfall entschieden werden.
  2. Imaging und Thrombus-Ausschluss: Bei Verdacht auf einen Thrombus vor einer Ablation sind entweder eine Computertomographie oder eine transösophageale Echokardiographie (TEE) innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff ausreichend. Auch eine intrakardiale Echokardiographie (ICE) kann zum Einsatz kommen. Zudem sollte ein Thrombus-Ausschluss erfolgen, wenn Patientinnen und Patienten in den letzten 3 Wochen nicht ausreichend antikoaguliert wurden.
  3. Vaskulärer Zugang: Die Verwendung von Ultraschall zur gezielten Gefäßpunktion in der Leiste hat sich als Standard etabliert und die Komplikationsraten erheblich reduziert (Advice to do/Klasse I). Eine weitere Empfehlung ist es, mittels Heparin die aktivierte Gerinnungszeit (ACT) auf > 300 s zu halten. Dabei kann die Heparin-Gabe bereits vor der transseptalen Punktion vorteilhaft sein („May be appropriate“ / Klasse II).
  4. Pulmonalvenenisolation: Die Prozedur erfordert mindestens den Test des Entrance Blocks, ob es noch pulmonale Potenziale in den Lungenvenen im Sinusrhythmus nach der Ablation gibt. Unklar bleibt, inwieweit zusätzliche Maßnahmen wie das Adenosin-Testing oder eine Wartezeit von beispielsweise 20 Minuten hilfreich sind. Eine kontroverse Frage bleibt auch die Behandlung von persistierendem Vorhofflimmern zusätzlich zu den Pulmonalvenen.
  5. Postprozedurales Management: Nach der Ablation sollte für mindestens 2 Monate antikoaguliert werden, mit NOAKs („Neue orale Antikoagulanzien“) und nicht mit Vitamin-K-Antagonisten. Bei Patientinnen und Patienten mit intermediärem Risiko (CHA2DS2-VASc-Score 2 bei Frauen, 1 bei Männern), die über 12 Monate kein Vorhofflimmern aufweisen, kann individuell entschieden werden, die Antikoagulation abzusetzen. Eine Entlassung am gleichen Tag der Prozedur, der Same-Day Discharge, ist unter bestimmten Bedingungen möglich („May be appropriate“ / Klasse II). Zudem wurde die Blanking-Periode auf 2 Monate verkürzt.

Zur Person

Prof. Helmut Pürerfellner

Prof. Helmut Pürerfellner ist Leiter der Rhythmologie und Elektrophysiologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen in Österreich. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt auf der Weiterentwicklung der Behandlung von Herzrhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern. Er ist seit 2011 für die European Heart Rhythm Association (EHRA) tätig und wurde 2022 zum neuen Präsidenten der EHRA von 2024 –2026 gewählt.

HERZMEDIZIN: Wo sehen Sie Herausforderungen bei der Umsetzung der Empfehlungen und was sind mögliche Lösungsansätze?


Pürerfellner: Die größte Herausforderung besteht darin, die steigende Nachfrage nach Ablationen zu bewältigen. Es fehlt an einer ausreichenden Anzahl von Katheterlaboren und qualifiziertem Personal, sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Seite. Die Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte ist mitentscheidend. Auch die Fachgesellschaften sind hier in der Pflicht. Einen Beitrag zur Bewältigung der Nachfrage könnte zudem die Pulsed-Field-Ablation leisten, da sie schneller erlernbar und als nicht thermische Methode mit geringeren Komplikationsraten verbunden ist.


Ein weiterer Aspekt ist die Umsetzung und Ausweitung des "Same-Day Discharge", was die Kliniken erheblich entlasten könnte, aber auch organisatorische Herausforderungen mit sich bringt. Es setzt ein System voraus, in dem Patientinnen und Patienten vorab ausreichend untersucht und anschließend strukturiert nachversorgt werden, um eine Entlassung am gleichen Tag gewährleisten zu können. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Ambulanzen und den Niedergelassenen.

„Ohne Kontroversen wäre es fad.“

 

HERZMEDIZIN: Gab es Punkte, wo keine Einigung im Rahmen des Statements erzielt werden konnte?


Pürerfellner: Ohne Kontroversen wäre es fad. Eine der größten Kontroversen betraf die Behandlung von persistierendem Vorhofflimmern. Es gibt zu wenige Daten darüber, inwieweit die Isolation von Low-Voltage-Arealen oder eine empirische Ablation kritischer Areale (zum Beispiel die posteriore Wand des linken Vorhofes) sinnvoll ist. Wir benötigen weitere Forschung zur Bewertung der unterschiedlichen Ansätze.


HERZMEDIZIN: Welche laufenden Studien und welche zukünftigen Entwicklungen könnten auf das nächste Update Einfluss nehmen?


Pürerfellner: Die Weiterentwicklung von Ablationstechniken wird spannend zu beobachten sein, insbesondere die Pulsed-Field-Ablation. Anders als bei Kryo und Hochfrequenz hat hier jedes Tool sein eigenes Rezept, was in Studien geprüft werden muss. Dabei gehe ich von einer Tendenz zu Single Shots aus sowie zu Großkopf-Elektroden, die man sowohl mit Hochfrequenz als auch mit Pulsed Field als Energiequelle beschicken kann.


Bezüglich der Antikoagulation ist die laufende OCEAN-Studie von besonderem Interesse. Sie untersucht, ob die erfolgreiche Beseitigung von Vorhofflimmern durch Katheterablation zu einer Reduktion von Schlaganfällen führt, sodass eine Langzeitbehandlung mit oralen Antikoagulanzien überflüssig wird.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle der Herzinsuffizienz als Folge von Vorhofflimmern. Aus epidemiologischer Sicht ist die Herzinsuffizienz noch bedeutsamer als der Schlaganfall, wie Erhebungen aus nordeuropäischen Staaten zeigen. Zukünftige Studien müssen sich stärker darauf konzentrieren, wie Herzinsuffizienz als Folge von Vorhofflimmern besser verhindert werden kann. Und für eine aussagekräftigere Schlaganfall-Risikoabschätzung ist es nötig, den CHA2DS2-VASc-Score zu überarbeiten und mit weiteren Daten anzureichern.


Es geht also weiter und in einigen Jahren werden wir das nächste Update haben. Ich bin aber mit den Inhalten und der Aktualität dieses Konsensus-Statements sehr zufrieden, was letztlich den Chairs und den Co-Autoren zu verdanken ist, und auch der European Heart Rhythm Association (EHRA) als Organisation, die das extrem gut gemanagt haben.


Referenzen

 

Tzeis S. et al. 2024 European Heart Rhythm Association/Heart Rhythm Society/Asia Pacific Heart Rhythm Society/Latin American Heart Rhythm Society expert consensus statement on catheter and surgical ablation of atrial fibrillation. Europace. 2024 Mar 30;26(4):euae043. doi: 10.1093/europace/euae043.

Das könnte Sie auch interessieren

Neue AHA-Leitlinie pAVK

AHA-Kongress 2024 | Guidelines: Die AHA/ACC-Guideline PAD (Peripheral Artery Disease) aus dem Jahr 2016 wurde aktualisiert. Kommentiert von Prof. C. Rammos.

Basic Science im Interview

Modelle des menschlichen Herzmuskels in der funktionellen medizinischen Forschung: Chancen und Herausforderungen. Mit Prof. P. Kohl.

Der Deutsche Herzbericht – Update 2024

Der unter Federführung der Deutschen Herzstiftung erstellte Deutsche Herzbericht fasst jährlich die wichtigsten Entwicklungen in der Versorgung von Herzerkrankungen in Deutschland zusammen. Das aktuelle Update 2024 spiegelt die Zahlen aus dem Erfassungsjahr 2022 wider

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen