Quick Dive: Elektrischer Sturm

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Management of patients with an electrical storm or clustered ventricular arrhythmias

A clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the ESC-endorsed by the Asia-Pacific Heart Rhythm Society, Heart Rhythm Society, and Latin-American Heart Rhythm Society

08.04.2024 | Verfasst von: Radosław Lenarczyk, Katja Zeppenfeld, Jacob Tfelt-Hansen, Frank R Heinzel, Thomas Deneke, Elena Ene, Christian Meyer, Arthur Wilde, Elena Arbelo, Ewa Jędrzejczyk-Patej, Avi Sabbag, Markus Stühlinger, Luigi di Biase, Marmar Vaseghi, Ohad Ziv, William-Fernando Bautista-Vargas, Saurabh Kumar, Narayanan Namboodiri, Benhur Davi Henz, Jose Montero-Cabezas, Nikolaos Dagres


Von:

Romy Martínez

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

28.08.2024

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Mitautor

Prof. Christian Meyer, Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Seit der Veröffentlichung der ESC-Leitlinien zu ventrikulären Arrythmien (VT) und plötzlichem Herztod sind inzwischen 2 Jahre vergangen. Das klinische EHRA Konsensus Statement konnte nun punktuell neue Evidenz einfließen lassen – und insbesondere wichtige Alltagsfragen mit entsprechender Detailtiefe ergänzend beleuchten sowie Handlungsempfehlungen dort aussprechen, wo die Evidenz noch nicht vollumfänglich vorliegt, aber trotzdem im Alltag dringend Empfehlungen im Sinne eines „best practice“ notwendig sind.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  • Hintergrund des Dokumentes ist die Tatsache, dass die Mortalität bei elektrischem Sturm nach wie vor zu hoch ist. Jeder weitere ICD-Schock kann das Mortalitätsrisiko weiter erhöhen.
  • Die meisten Menschen, bei denen es zu einem elektrischen Sturm kommt, haben eine strukturelle Herzerkrankung (v.a. ischämischer Genese), eine vorangeschrittene Herzschwäche und häufig eine Vielzahl an Komorbiditäten. Dies in Kombination mit der akut ohnehin lebensbedrohlichen Lebenssituation machen das rasche, strukturierte und multiprofessionelle Handeln so wichtig. Es bildet die Grundlage des vorliegenden EHRA/HRS/LAHRS/APHRS Konsensus Dokuments.
  • Dabei gilt es nach adäquater Triagierung insbesondere den Sturm rasch zu beruhigen, in dem reversible Ursachen behoben, ggf. ICDs umprogrammiert, eine medikamentöse Therapie optimiert (z.B. Propranolol, Amiodaron) und Betroffene ggf. durch eine Sedierung abgeschirmt werden.
  • Darauf aufbauend können spezifische Therapien, insbesondere eine Katheterablation, in Ruhe vorbereitet werden.
  • Neuere neuromodulatorische Ansätze wie z.B. die vergleichsweise einfache pharmakologische „Stellatumblockade“ können akut helfen und sollten in Einzelfällen als Alternative zu mechanischen Herz-Kreislaufunterstützungsverfahren (insbesondere einer ECMO), diskutiert werden.
  • Das EKG bleibt ein zentrales Standardwerkzeug, das nicht genügend betont werden kann. So findet sich zur Erinnerung bzw. für jüngere Kollegen eine Detailübersicht zu typischen EKG-Veränderungen reversibler Ursachen, Beurteilung der zugrundeliegenden Grunderkrankung, sowie zu den ventrikulären Arrhythmien selbst.

 

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Unverändert begrenzt wirksam bleiben die medikamentösen Möglichkeiten, während bei einer Vielzahl der Betroffenen eine monomorphe ventrikuläre Arrhythmie (VT oder VES als Trigger-Arrhythmie von Kammerflimmern) als Ursache vorliegt, welche vergleichsweise gut behandelbar ist, nachdem eine Initialstabilisierung erfolgt ist. Dies zu erkennen und konsequent umzusetzen, ist grundsätzlich einfach und/aber effektiv.

 

Ein gesichertes 12-Kanal-EKG (sowie ggf. intrakardial aufgezeichnete Elektrogramme) der klinisch relevanten Arrhythmie hilft nicht nur bei der Prozedurplanung (und ggf. Patienten-/Angehörigeninformation), sondern auch bei der prozeduralen Erfolgsabschätzung.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Grundsätzlich sind wesentliche Behandlungsdetails nach wie vor nicht ausreichend durch randomisiert, kontrollierte Studien belegt – diese sind, zumindest zum Teil, u.a. aus medizinischen, ethischen sowie infrastrukturellen Gründen auch zeitnah nicht zu erwarten. „Den“ optimalen Zeitpunkt für eine Katheterablation nach einer initialen Patientenstabilisierung kennen wir dementsprechend nach wie vor nicht.

 

Gerade bei hämodynamisch instabilen Patientinnen und Patienten kann im Einzelfall eine mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützung hilfreich sein. Verfahren und Dauer des Einsatzes sollten aber nach aktuellem Stand in einer Risko-Nutzen-Abwägung besonders sorgfältig geprüft werden.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Die Sensibilisierung für das Thema des „elektrischen Sturms“ hat zunehmend zu einer Prüfung therapeutischer Möglichkeiten bei Erstdiagnose klinisch relevanter Arrhythmien - häufig in Form eines antitachykarden Pacings und/oder ICD-Schock - geführt. Dies kann helfen „Stürmen“ vorzubeugen, Betroffene vor traumatisierenden und lebensbedrohlichen Ereignissen gemeinsam zu schützen.

 

Hinzu kommt, dass die Katheterablation im letzten Jahrzehnt eine rasante Standardisierung erfahren hat. Häufig können Prozeduren im stabilen Sinusrhythmus durchgeführt werden. Untersucht wird aktuell z.B. darüber hinaus in der europweiten inEurHeart-Studie ob eine Bildintegration inkl. einer 3D-Darstellung des arrhythmogenen Substrats helfen kann, Prozedurzeiten zu verkürzen.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

Management of patients with an electrical storm or clustered ventricular arrhythmias: a clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the ESC-endorsed by the Asia-Pacific Heart Rhythm Society, Heart Rhythm Society, and Latin-American Heart Rhythm Society.

Literaturnachweis: Lenarczyk R, Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, et al. Management of patients with an electrical storm or clustered ventricular arrhythmias: a clinical consensus statement of the European Heart Rhythm Association of the ESC-endorsed by the Asia-Pacific Heart Rhythm Society, Heart Rhythm Society, and Latin-American Heart Rhythm Society. Europace. 2024;26(4):euae049. doi:10.1093/europace/euae049

Prof. Christian Meyer

Prof. Christian Meyer leitet seit 2020 die Klinik für Kardiologe, Elektrophysiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist die interventionelle Kardiologie mit dem Fokus auf die Prävention und Behandlung von komplexen Herzrhythmusstörungen

Bildquelle: Privat

Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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