Quick Dive: Elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Positionspapier Elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern

Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK)

18.09.2025 | Verfasst von: Jakob Lüker, Dirk Vollmann, Leon Iden, Henning Jansen, Laura Rottner, Harilaos Bogossian, Christian Perings, Ralf Birkemeyer, Lars Eckardt


Von:

Melissa Wilke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

08.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Erstautor

PD Dr. Jakob Lüker, Herzzentrum der Universität zu Köln

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Vorhofflimmern betrifft in Deutschland mehr als zwei Millionen Menschen mit weiter zunehmender Prävalenz. Das Ziel der Rhythmuskontrolle hat durch Studien wie CABANA und EAST AFNET 4 zuletzt stark an Bedeutung gewonnen und die elektrische Kardioversion (EKV) ist dabei integraler Bestandteil. Obwohl die EKV eine seit vielen Jahren etablierte, effektive und sichere Methode zur Rhythmisierung ist, wird die praktische Durchführung im klinischen Alltag uneinheitlich gehandhabt. Es gibt bisher keine dedizierten Leitlinien nationaler oder internationaler Fachgesellschaften zur EKV. Gerade besondere Patientengruppen wie Personen mit implantierten Schrittmachern und Defibrillatoren, Schwangere oder adipöse Patientinnen und Patienten erfordern eine differenzierte Vorgehensweise, für die standardisierte Empfehlungen fehlten.

Diese Lücke wurde von der DGK und der Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Kardiologie identifiziert und soll mit dem Positionspapier Elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern durch evidenzbasierte, praxisnahe Empfehlungen für die standardisierte Durchführung der EKV geschlossen werden.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Die EKV ist Teil eines Gesamtkonzepts: Eine EKV sollte stets als Bestandteil eines rhythmuskontrollierenden Therapiekonzepts erfolgen und in aller Regel nicht als isolierte Maßnahme. Denn ohne nachfolgende Therapieeskalation - zumeist in Form einer Ablationsbehandlung - ist die Rezidivrate hoch. Ein solches Behandlungskonzept sollte unter Berücksichtigung des Patientenwunsches, der patientenspezifischen Faktoren und unter Einbeziehung der Mitbehandelnden erstellt und kommuniziert werden.
  2. Mit klaren Standards ist eine sichere ambulante Durchführung möglich: Die EKV sollte primär ambulant erfolgen - prospektive Studien zeigen eine niedrige Komplikationsrate. Dabei ist Propofol das Medikament der ersten Wahl für eine tiefe Sedierung, da es aufgrund einer kurzen Halbwertszeit gut steuerbar ist. Biphasische Schocks mit einer hohen Erstschock-Energie (200J) sollten nach Datenlage Standard sein. Ausgenommen sind dabei Schrittmacher- (SM) und ICD-Patienten für die ein gesondertes Protokoll erforderlich ist. Die Vorgehensweise sollte in Standards festgehalten werden. Zusammen mit qualifiziertem Personal, einer adäquaten Notfallausstattung und ggf. auch Checklisten ist eine sichere Durchführung gewährleistet.
  3. Die Antikoagulation und der Thromboembolieschutz haben höchste Wichtigkeit: Nur bei einer mindestens 3-wöchigen, suffizienten OAK in empfohlener Dosierung und in Abwesenheit von Hochrisikokriterien (z.B. HCM, Amyloidose, Z.n. LAA Thrombus) kann auf einen Thrombenausschluss verzichtet werden. Das Schluckultraschall (TEE) ist der Goldstandard wenn ein Thrombenausschluss erforderlich ist. Nach EKV ist eine mindestens 4-wöchige OAK unabhängig des CHA₂DS₂-VA Scores und EKV-Erfolgs obligat. Dies sollte bereits vor der EKV berücksichtigt werden und evtl. erforderliche Eingriffe auf ihre Dringlichkeit geprüft werden. Gegebenenfalls muss hier die EKV oder der Eingriff verschoben werden. Bei Neueinstellung auf eine Antikoagulation nach EKV sind die DOAK den Vitamin-K-Antagonisten vorzuziehen.

 

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Personalqualifikationen und strukturelle Voraussetzungen müssen gewährleistet sein. Zusätzlich erfordern die sogenannten besonderen Patientengruppen (SM/ICD-Träger, Schwangere, adipöse Patienten) spezielle Maßnahmen und teils spezifische Schockprotokolle.

 

Gesonderte Protokolle für SM/ICD-Patientinnen und -Patienten (AP-Orientierung, schrittweise Energiesteigerung, Geräteabfrage) sollten als Standards z.B. in Form von SOP festgehalten werden.

 

Der Einsatz von qualifiziertem Personal und die Einhaltung der durch das Positionspapier erarbeiteten Empfehlungen, die in lokale Standards und Checklisten übersetzt werden sollten, gewährleistet die größte mögliche Sicherheit und Effektivität bei der EKV.

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Unklar bleibt aufgrund der fehlenden Studien das optimale Management von Personen mit LAA-Thrombus. Eindeutig ist, dass eine EKV nicht erfolgen sollte. Welches OAK-Regime allerdings die größten Chancen auf eine Rückbildung des Thrombus hat ist nicht klar.

 

Die Empfehlung bei ICD-Patientinnen und -Patienten eine EKV durch einen befohlenen Schock des ICD zu erwägen, basiert auf der Beobachtung sogenannter stummer Sondenschäden in der Cologne Cardioversion Studie, die durch eine Abfrage nicht entdeckt werden. Wie häufig stumme Sondenschäden bei diesem Patientenkollektiv vorliegen, ist nicht ausreichend untersucht. Die SURGE ICD Studie, die an der Uniklinik Köln und dem HDZ Bad Oeynhausen durchgeführt wird, kann hierzu hoffentlich mehr Daten liefern.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Nach den Hinweisen auf den Nutzen einer Rhythmuskontrolle in bestimmten Kollektiven der Vorhofflimmerpatientinnen und -patienten durch CABANA und CASTLE-AF Studie, folgten vor einiger Zeit die Ergebnisse der EAST-AFNET 4-Studie. Es deutet sich basierend auf dieser wachsenden Evidenz ein Wendepunkt im Vorhofflimmermanagement an. Eine Rhythmuskontrolle – insbesondere wenn sie früh erfolgt – ist für viele Betroffene von Vorteil in Hinblick auf die sogenannten „harten Endpunkte“. Die EKV hat in dieser Behandlungsstrategie bei Personen mit persistierendem Vorhofflimmern eine hohe Bedeutung, sozusagen als Brückenfunktion. Sie wird als initiale Maßnahme zur sofortigen Rhythmisierung eingesetzt, bis eine Katheterablation als definitive Behandlung durchgeführt wird. Wir beobachten daher einen steigenden Bedarf an Kapazitäten für EKV und rechnen damit, dass dieser Bedarf in Zukunft, nicht nur an rhythmologischen Zentren, noch größer wird. Wir hoffen, dass das Positionspapier Elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern einen Beitrag leistet, dass diese EKV mit höchstmöglicher Sicherheit und Effektivität erfolgen.

Weiter zur vorgestellten Publikation:

Elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern – DGK-Positionspapier

Literaturnachweis

Lüker, J., Vollmann, D., Iden, L. et. al.
Elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern – DGK-Positionspapier
Kardiologie
https://doi.org/10.1007/s12181-025-00769-1

Zur Person

PD Dr. Jakob Lüker

PD Dr. Jakob Lüker ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Elektrophysiologie der Klinik III für Innere Medizin – Kardiologie an der Uniklinik Köln. Sein klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf Katheterablationen, sowie der modernen Device-Therapie.


Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

 

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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