Überlebensvorteil für mechanischen Aortenklappenersatz

 

In einer umfassenden Real-World-Studie aus den USA mit über 100.000 Personen (40 bis 75 Jahre alt) wurde die Gesamtmortalität nach biologischem oder mechanischem chirurgischen Aortenklappenersatz untersucht. Entgegen dem Trend, dass biologische Klappenprothesen zunehmend auch bei jüngeren Personen eingesetzt werden, zeigte sich ein signifikanter Überlebensvorteil zugunsten der mechanischen Klappenprothesen bei Personen bis zu einer Altersgrenze von einschließlich 60 Jahren.


Die Rubrikleiterin Prof. Tanja Rudolph (Bad Oeynhausen) kommentiert.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Tanja Rudolph

Rubrikleiterin Strukturelle Herzerkrankungen

 

04.02.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com

Hintergrund und Zielsetzung

 

Bei der Entscheidung für einen biologischen oder mechanischen chirurgischen Aortenklappenersatz (AVR) sollte die Haltbarkeit gegenüber den potenziellen Risiken einer oralen Antikoagulation (OAK) abgewogen werden. Einige Daten weisen darauf hin, dass biologische AVR mit niedrigeren Blutungsraten, aber höheren Reoperationsraten verbunden sind, wohingegen andere Studien einen Überlebensvorteil der mechanischen vs. biologischen AVR bei jüngeren Personen (55–75 Jahre alt) ergaben. Mit der Ausweitung der TAVI nahm in den letzten Jahren der Anteil an biologischen AVR zu. So erhalten in den USA bis zu 50 % der Unter-65-Jährigen eine TAVI mit biologischer Klappenprothese entgegen der aktuellen ACC/AHA-Guideline, die einen chirurgischen Aortenklappenersatz in dieser Altersgruppe empfiehlt.


In dieser Beobachtungsstudie wurde anhand des weltweit größten klinischen Klappen-Registers das Langzeitüberleben von jüngeren Personen (40–75 Jahre alt) nach biologischem oder mechanischem Aortenklappenersatz untersucht, um zu überprüfen, ob es eine Altersgrenze für einen potenziellen Überlebensvorteil gibt.

Methodik

 

Für die Studie wurden die beiden US-amerikanischen Datenbanken STS-ACSD (Society of Thoracic Surgeons Adult Cardiac Surgery Database) und NDI (National Death Index) verwendet. STS-ACSD, das weltweit größte Klappenprothesen-Register umfasst 97 % aller Klappeninterventionen und NDI sämtliche Todesfälle in den USA. Die Kombination beider Datenbanken ermöglicht einen robusten Vergleich der Mortalität nach biologischem vs. mechanischem AVR. Eingeschlossen wurden alle Personen der STS-ACSD-Datenbank, die erstmalig einen chirurgischen AVR zwischen 2008-2019 erhielten. Das mediane Follow-up betrug 5,44 Jahre und als primärer Endpunkt wurde die Gesamtmortalität definiert.

 

Um der komplexen Beziehung zwischen Alter und Klappentyp gerecht zu werden, wurden 2 statistische Methoden zur Risiko-Abschätzung eingesetzt: Restricted Cubic Splines (RCS-3) für die Primäranalyse und Inverse Probability Weighting (IPW) für die Sekundäranalyse.

Ergebnisse

 

Insgesamt wurden 109.842 Personen mit biologischem (94.125; 85,7 %) oder mechanischem AVR (15.717; 14,3 %) eingeschlossen. Die Charakteristika beider Gruppen (biologische vs. mechanische AVR) waren vergleichbar, mit Ausnahme von Alter (65 vs. 55,7 Jahre), BMI (31,0 vs. 32,2 kg/m2), Hypertonie (78,7 vs. 71,8 %) schwere Aorteninsuffizienz (15,3 vs. 23,6 %) und vorherige PCI (6,7 vs. 3,7 %). Im Studienverlauf sank der Anteil der Personen mit mechanischem AVR von fast 20 % im Jahr 2008 auf weniger als 10 % im Jahr 2019.


Durch umfangreiche Risiko-Adjustierung wurden 2 ausbalancierte Gruppen geschaffen, deren durchschnittlicher Unterschied über alle Kovariaten hinweg weniger als 10 % betrug. Die Risiko-adjustierte Primäranalyse favorisierte den mechanischen Klappenersatz bis zu einem Alter ≤60 Jahren (sowohl für IPW-gewichtete als auch für ungewichtete Gruppen). Die Altersgruppen-spezifizierte Sekundäranalyse und nach Altersgruppen stratifizierte Kaplan-Meier-Analysen bestätigten übereinstimmend das gleiche Ergebnis: Der mechanische Klappenersatz war bis zu einem Alter von einschließlich 60 Jahren mit einem signifikanten Überlebensvorteil assoziiert.


Auch weitere Sensitivitätsanalysen – sowohl für die Altersgruppe 50–65 Jahre als auch unter Ausschluss von Personen, die zu einem Selektionsbias führen könnten (reine Aortenklappeninsuffizienz, mittleres/hohes Risiko und diskontinuierlicher Klappenersatz) – bestätigten ausnahmslos das gleiche Ergebnis, dass der mechanische Klappenersatz bis zu einem Alter von einschließlich 60 Jahren Überlebensvorteile bringt.

Fazit

 

Diese weltweit größte Real-Word-Studie mit aktuellen Daten von über 100.000 Personen mit einem primären chirurgischen Aortenklappenersatz zeigte, dass die mechanische gegenüber der biologischen Klappenprothese mit einem signifikanten Überlebensvorteil einherging bei Personen, die 60 Jahre alt oder jünger waren. Somit unterstützen diese Daten den Einsatz von mechanischen Aortenklappenprothesen bei jüngeren Patientinnen und Patienten bis zu einem Alter von einschließlich 60 Jahren.

Expertenkommentar

 

Im Hinblick auf das Lifetime-Management von Patientinnen und Patienten mit Aortenklappenvitien ist diese Studie enorm wichtig. Im Rahmen der Patienten-zentrierten Aufklärung ist die Wahl der Klappenprothese ein entscheidender Faktor. Die notwendige dauerhafte orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten – oft assoziiert mit reduzierter Lebensqualität – ist das Hauptargument der Patientinnen und Patienten sich gegen eine mechanische Klappe zu entscheiden. Der Überlebensvorteil, der beim Einsatz von mechanischen Klappen bei Personen unter 60 Jahren gezeigt wurde, muss den Betroffenen im Rahmen der Aufklärung transferiert werden. Schließlich ist ein optimales postoperatives Management präferentiell mit INR-Selbstmessung zur Reduktion von Blutungs- und Thrombembolie-Risiken entscheidend für das Outcome.


Für die Zukunft liegt unsere Hoffnung in länger haltbaren biologischen Prothesen oder neuartigen künstlichen Klappen ohne Notwendigkeit einer oralen Antikoagulation.

Zur Person

Prof. Tanja Rudolph

Prof. Tanja Rudolph ist als Oberärztin und Leiterin der Interventionellen Kardiologie in der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/ Angiologie des Herz- und Diabeteszentrums NRW, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, in Bad Oeynhausen tätig. Ihre fachlichen Zusatzqualifikationen (DGK) erwarb sie in den Bereichen der Interventionellen Kardiologie und Herzinsuffizienz.


Referenz

 

Bowdish M et al. Bioprosthetic vs Mechanical Aortic Valve Replacement in Patients 40-75 Years. JACC. null2025, 0 (0). https://doi.org/10.1016/j.jacc.2025.01.013

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