TAVI-Mindestmengen braucht es in Deutschland wohl nicht

Der Gemeinsame Bundesausschuss denkt über die Einführung verbindlicher Mindestmenge für TAVI-Prozeduren nach. Eine solche Regelung scheint aktuellen Registerdaten zufolge aber nicht zielführend. Die Autoren raten deshalb davon ab.

Von Veronika Schlimpert

 

06.12.2022

Die Anzahl pro Krankenhaus durchgeführter Transkatheter-Aortenklappenimplantationen (TAVI) korreliert in Deutschland offenbar – wenn überhaupt – nur geringfügig mit der Qualität der Ergebnisse. Das verdeutlichen aktuelle Daten einer vom G-BA beauftragten und vom IQTIG durchgeführten Analyse.

 

Die Autoren der im „European Heart Journal“ publizierten Untersuchung sprechen sich angesichts dieser Daten gegen die Festlegung von TAVI-Mindestmengen aus: „Diese Ergebnisse sprechen nicht dafür, das Eingriffsvolumen pro Krankenhaus als validen Surrogatparameter für die Qualität einzuführen, jedenfalls nicht unter den speziellen Voraussetzungen in Deutschland“, begründen PD Dr. Kurt Bestehorn von der technischen Universität Dresden und Kolleginnen/Kollegen ihren Standpunkt.

G-BA denkt über Einführung von TAVI-Mindestmenge nach

Über die Sinnhaftigkeit von TAVI-Mindestmengen wird schon länger diskutiert. Frühere Daten legen einen positiven Zusammenhang zwischen der Anzahl vorgenommener TAVI-Prozeduren und der Ergebnisqualität nahe. Darum empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie seit 2015 eine Mindestanzahl an TAVI-Prozeduren: Mind. 50 Eingriffe pro Jahr pro Zentrum, heißt es in dem Positionspapier. Im Jahr 2020 hat sich der G-BA dazu entschlossen, Beratungen für verbindliche TAVI-Mindestmengen aufzunehmen. 150 TAVI-Eingriffe pro Jahr pro Standort stehen als Mindestgrenze zur Diskussion.

 

Um für eine solche Regelung Evidenz zu schaffen, hat der G-BA das IQTIG beauftragt, die TAVI-Ergebnisdaten der externen stationären Qualitätssicherung für die Jahre 2018 und 2019 auszuwerten – mit dem Ziel, einen potenziellen Volumen-Outcome-Zusammenhang ausfindig zu machen, um ggf. daraus Empfehlungen für Mindestmengen ableiten zu können.

Aktuelle Daten zeigen – wenn überhaupt – nur schwache Assoziationen

Dafür haben Bestehorn und Kollege Daten von 18.763 und 22.137 Patientinnen und Patienten, die im Jahr 2018 und 2019 in 81 bzw. 82 deutschen Krankenhäusern eine transfemorale TAVI erhalten hatten, ausgewertet. Die tatsächliche beobachtete (O = „observed“) Krankenhaussterblichkeit wurde mit der nach dem Deutschen Aortenklappen-Score (ALK-KATH) erwartbaren Mortalität (E =„expected“) verglichen, ebenso wie mit der Sterblichkeit nach dem EuroScore II. Die zu beobachtende Mortalität lag im Schnitt bei 2,57% (2018) bzw. 2,36% (2019).

 

Nach Adjustierung auf Risikofaktoren zeigte sich für das Jahr 2019 eine signifikante Assoziation zwischen den TAVI-Fallzahlen und dem Verhältnis zwischen beobachtender und erwartbarer Mortalität (R2=0,049; p=0,046), für 2018 war kein entsprechender Zusammenhang nachweisbar (R2=0,049; p=0,027; p=0,14).

Krankenhäuser mit guter Qualität würden rausfallen

Was lässt sich aus diesen Ergebnissen nun schließen …. immerhin ließ sich für das Jahr 2019 eine Korrelation zwischen Eingriffszahlen und Krankenhaussterblichkeit nachweisen? Die gezeigte Assoziation erachten die Studienautoren allerdings als klinisch irrelevant. Der Zusammenhang sei schwach, und nur grenzwertig statistisch signifikant, argumentieren sie. Wie Bestehorn und Kollegen weiter ausführen, wird das Outcome der Patienten letztlich kaum von den Eingriffszahlen beeinflusst. So sind höchstens 5% der dokumentierten Abweichungen zwischen tatsächlicher und erwartbarer Mortalität auf das Krankenhausvolumen zurückzuführen. Wenn der EuroScore II zur Risikoadjustierung eingesetzt wurde, ließ sich gar kein signifikanter Zusammenhang zwischen Krankenhausvolumen und intrahospitaler Sterblichkeit mehr nachweisen.

 

Vergleicht man jene Krankenhäuser, wo TAVIs am häufigsten vorgenommen wurden (vierte Quartile), mit solchen, die die niedrigsten Fallzahlen (erste Quartile) aufwiesen, lässt sich ebenfalls kein signifikanter Unterschied im Outcome nachweisen. Sprich, es lässt sich anhand dieser Daten keine Mindestmenge festlegen, welche die Ergebnisqualität adäquat widerspiegelt. „Das Festlegen jeglicher Grenzwerte (z.B. 50, 100 oder 150 pro Jahr) würde dazu führen, dass Krankenhäuser mit akzeptabler Qualität ausgeschlossen werden, wohingegen einige mit schlechter Qualität weiterhin im Dienst bleiben“, veranschaulichen Bestehorn und sein Team das Dilemma. Statt durch Mindestmengen sollte die Qualität der Krankenhäuser ihrer Ansicht nach deshalb besser direkt durch die adjustierte (O/E) Mortalität beurteilt werden. Eine wissenschaftliche Rationale für irgendeine Mindestmenge gebe es nicht, betonen sie.

Einschätzung bezieht sich nur auf Deutschland

Wichtig: Diese Einschätzungen beziehen sich ausschließlich auf die Situation in Deutschland. Und in Deutschland herrschen spezielle Bedingungen, wie die Autoren ausführen. So müssen Krankenhäuser strikte Anforderungen in Bezug auf Infrastruktur, vorhandener Fachdisziplinen und der Qualifikation der Ärzte und des Gesundheitspersonal erfüllen, um TAVI-Eingriffe überhaupt durchführen zu können. Im internationalen Vergleich werden in Deutschland außerdem vergleichsweise viele TAVI-Prozeduren pro Zentrum durchgeführt, also selbst sog. „Niedrig-Volume-Zentren“ haben hierzulande einen relativ hohen Durchsatz.


Literatur

Bestehorn K et al. Transfemoral aortic valve implantation: procedural hospital volume and mortality in Germany. Eur Heart J 2022; 00, 1–13
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac698

Das könnte Sie auch interessieren

Neue TAVI-Aortenklappe mit gutem Leistungsprofil in der Praxis

Ein neues und technisch verbessertes Klappensystem für die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) hat im Hinblick auf Sicherheit und Effektivität in einer Registeranalyse gute Leistungsmerkmale gezeigt.

TAVI vs. OP: Neue 3-Jahres-Daten bei niedrigem Risiko

Neue 3-Jahres-Daten zeigen, dass die TAVI gegenüber dem chirurgischen Klappenersatz bei Patienten mit Aortenstenose und niedrigem Risiko mittelfristig gute Ergebnisse liefert. Laut dem Studienautor sind sie ein weiterer Beleg, dass die TAVI auch hier die dominierende Therapiemodalität werden könnte.

Erhöhten Blutdruck als Risikofaktor für Mitralinsuffizienz entlarvt

Die oft als „degenerativ“ eingestufte Mitralklappeninsuffizienz scheint keine unvermeidliche Konsequenz des Älterwerdens zu sein. Eine neue Studie zeigt nun eine deutliche Beziehung zu erhöhten Blutdruckwerten auf. Damit könnten sich Möglichkeiten der Vorbeugung eröffnen.

Diese Seite teilen