Ergebnisse einer Registeranalyse legen nahe, dass nach TAVI – entgegen den Leitlinienempfehlungen – unter Umständen auf eine antithrombotische Therapie ohne Inkaufnahme von Risiken ganz verzichtet werden kann.
Ergebnisse einer Registeranalyse legen nahe, dass nach TAVI – entgegen den Leitlinienempfehlungen – unter Umständen auf eine antithrombotische Therapie ohne Inkaufnahme von Risiken ganz verzichtet werden kann.
Von Peter Overbeck
02.01.2023
Als antithrombotischer Schutz nach Transkatheter-Aortenklappenimplantationen (TAVI) bei Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose ist anfänglich in Analogie zur perkutanen Koronarintervention (PCI) mit Stentimplantation die duale Plättchenhemmung (DAPT) favorisiert worden. Vor allem aufgrund von Ergebnissen der POPular-TAVI-Studie empfehlen die Leitlinien inzwischen stattdessen nach bioprothetischem Aortenklappenersatz bei Patienten ohne Indikation für eine orale Antikoagulation oder plättchenhemmende Therapie aus anderen Gründen eine Monotherapie mit einem Thrombozytenhemmer wie ASS.
Aber ist selbst eine ASS-Monotherapie nach TAVI überhaupt zwingend erforderlich? Die diesbezügliche wissenschaftliche Datenlage lässt jedenfalls zu wünschen übrig. Möglicherweise wirkt sich ein Verzicht auf jede Plättchenhemmung noch günstiger als eine Monotherapie auf das Blutungsrisiko aus, ohne dass es zu einer Zunahme von ischämischen Ereignissen kommt, so die hypothetische Annahme einer japanischen Forschergruppe um den Kardiologen Dr. Kentaro Hayashida von der Keio University School of Medicine in Tokio.
Zur Klärung der Frage hat diese Gruppe jetzt in einer Studie die klinischen Verläufe bei insgesamt 3.575 Patientinnen und Patienten mit TAVI aus dem OCEAN-TAVI (Optimized transCathEter vAlvular iNtervention)-Register analysiert. Je nach antithrombotischer Behandlungsstrategie wurden dabei drei Subgruppen verglichen, die entweder keine antithrombotische Therapie (n=293), eine plättchenhemmende Monotherapie (single-antiplatelet therapy oder SAPT; n=1.354) oder eine duale Plättchenhemmung (dual-antiplatelet therapy oder DAPT; n=1.928) erhalten hatten. Von den 293 Teilnehmern (8,2%, mittleres Alter 83 Jahre) ohne antithrombotische Therapie hatten 249 (85,0%) ein hohes Blutungsrisiko, was einen Verzicht auf ein Antithrombotikum nach TAVI ratsam erschienen ließ.
Die Follow-up-Dauer betrug im Median 841 Tage. Primärer Studienendpunkt waren alle in dieser Zeit aufgetretenen kardiovaskulären Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) und lebensbedrohenden oder schwerwiegenden Blutungen (net adverse clinical events oder NACE).
Nach drei Jahren betrugen die Raten für den NACE-Endpunkt 14,0% (keine antithrombotische Therapie), 14,7% (SAPT) und 16,2% (DAPT). Nach Adjustierung für diverse Störfaktoren bestand bezüglich der NACE-Inzidenz kein signifikanter Unterschied zwischen den drei Gruppen (keine Therapie vs. SAPT: adjustierte Hazard Ratio; aHR: 1,18; p =0,45. Keine Therapie vs. DAPT: aHR: 1,09; p = 0,67).
Die Rate für Blutungskomplikationen (alle Blutungen) war in der Gruppe ohne antithrombotische Therapie niedriger als in den beiden Gruppen mit plättchenhemmender Therapie. Als signifikant erwies sich der Unterschied aber nur im Vergleich zur DAPT-Gruppe (Keine Therapie vs. SAPT: aHR: 0,63; p = 0,12. Keine Therapie vs. DAPT: aHR: 0,51; p = 0,04).
Im Hinblick auf Parameter der „Klappen-Performance“ wie Druckgradient und effektive Klappenöffnungsfläche bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Thrombotische Auflagerungen an den Klappenbioprothesen (sog. hypoattenuated leaflet thickening, HALT) wurden in der Gruppe ohne antithrombotische Behandlung bei 8,5% der Patienten beobachtet – eine Rate, die von den Studienautoren als „akzeptabel“ erachtet wird.
Die Strategie, nach TAVI keine plättchenhemmende Therapie zu verordnen, könnte angesichts dieser Studienergebnisse eine „sicherere Alternative“ zur SAPT- oder DAPT-Strategie bei ausgewählten Patienten mit hohem Blutungsrisiko sein, so die Studienautoren um Hayashida. Um zu klären, wie das optimale antithrombotische Therapieregime für TAVI-Patienten ohne Indikation für eine orale Antikoagulation beschaffen sein sollte, bedürfe es weiterer Studien.
Yusuke Kobari et al. No Antithrombotic Therapy After Transcatheter Aortic Valve Replacement: Insight From the OCEAN-TAVI Registry. J Am Coll Cardiol Int. 2022 DOI: 10.1016/j.jcin.2022.10.010.