Die dramatische Kehrseite des Valsartan-Skandals

Die Valsartan-Rückrufwelle hat im Juli 2018 bei Patienten und Ärzten für große Verunsicherung gesorgt. Auf dem Cardio Update berichtete Prof. Mahfoud, welche gravierenden Folgen der Skandal für die Prognose von Bluthochdruck-Patienten hatte.

Von Veronika Schlimpert

 

03.03.2020

Die 2018 weltweit ausgerufene Rückrufwelle valsartanhaltiger Arzneimittel hat für Patienten mit Bluthochdruck teils schwerwiegende Folgen gehabt – vor allem deshalb weil viele Patienten danach keinen Blutdrucksenker mehr verschrieben bekommen haben.

 

Diese Kehrseite des Skandals setzte Prof. Felix Mahfoud, Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg, auf der diesjährigen Cardio Update-Veranstaltung in Relation zu dem potenziellen Krebsrisiko, das den betroffenen Produkten nachgesagt wird.

Weltweite Rückrufwelle wegen Krebsrisiko

Zur Erinnerung: Anfang Juli 2018 wurden Chargen gewisser Sartane (Candesartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan und Valsartan) zurückgerufen, weil der Verdacht bestand, dass diese durch das als krebserregend eingestufte N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt sind. Wie Mahfoud darlegte, sind in Deutschland etwa 40% der auf Valsartan eingestellten Patienten davon betroffen gewesen. Die Gefahrenmeldung hat für zahlreiche Schlagzeilen in den Medien gesorgt, die Verunsicherung in der Bevölkerung war dementsprechend groß.

So hoch ist das Krebsrisiko

Die europäische Arzneimittelbehörde EMA kam zu der folgenden Risikobewertung: Wenn 100.000 Patienten NDMA-verunreinigtes Valsartan jeden Tag für 6 Jahre lang in der höchsten Dosis eingenommen hätten, könnte dies 22 zusätzliche Krebsfälle über die Lebenszeit dieser Patienten bewirken.

 

Auf der Gegenseite stehen die Folgen eines plötzlichen Absetzens solcher Medikamente, die in einer Untersuchung aus Kanada zum Ausdruck kommen. In der Studie wurde analysiert, wie sich das Verschreibungsverhalten bei 55.461 Patienten, denen ein valsartanhaltiges Produkt verordnet worden war, nach der Rückrufwelle verändert hat.

Mehr als jeder zehnte Patient bekam keinen Ersatz

Etwa 11% der Patienten haben in der Folge kein alternatives Antihypertensivum verschrieben bekommen, berichtete Mahfoud. Knapp 74% wurden auf einen anderen Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB) umgestellt, knapp 9% auf ein Valsartan-Produkt, welches nicht von dem Rückruf betroffen war.

 

Die relevante Zahl an Patienten ohne antihypertensive Therapie hatte einen signifikanten Anstieg stationärer Aufnahmen wegen TIA/Schlaganfällen von 8% im Sommer 2018 zur Folge.

 

Man sollte somit das potenzielle Risiko von der Gefahrenmeldung betroffener Produkte in Relation zu den bestehenden Risiken der Grunderkrankung setzen, gab Mahfoud zu bedenken.


Literatur

Mahfoud F: Hot Topic: Herz, Niere, Hypertonie, CardioUpdate 2020, 28.02.2020 in Mainz

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