Paradigmenwechsel in der interventionellen  Kardiologie? Intravaskuläre Bildgebung auf Vormarsch

 

Auf dem ESC-Kongress 2023 widmete sich eine komplette Hotline Session ausschließlich neuen Studien zur intravaskulären Bildgebung. Ergebnisse von ILUMIEN IV, OCTOBER, OCTIVUS und eine große Meta-Analyse sorgten für Aufsehen. Was bedeuten die Ergebnisse für die Zukunft der interventionellen Kardiologie?

Von:

PD. Dr. Luise Gaede1, Nodir Sayfiyev2

 

1 Universitätsklinikum Erlangen

2 Klinikum Hochsauerland, Arnsberg  

 

 

23.10.2023

ILUMIEN-IV-Studie: OCT vs. Angiographie bei komplexen Patient:innen/ Läsionen

 

Die ILUMIEN-IV-Studie hatte zum Ziel, die OCT-gesteuerte PCI mit der angiographisch gesteuerten PCI bei komplexen Koronarläsionen oder Patient:innen (Diabetiker:innen, Non-Culprit-Läsionen von Patient:innen nach STEMI) zu untersuchen. Komplexe Koronarläsionen waren definiert als lange Läsionen (antizipierte Stentlänge ≥ 28mm), chronische Koronar-Verschlüsse, Bifurkationsläsionen mit geplanter 2-Stenttechnik, schwer kalzifizierte Läsionen, Culprit Lesions bei NSTEMI oder Instent-Restenosen. Es erfolgte die Randomisierung von insgesamt 2.487 Patient:innen 1:1 in den OCT (n = 1.233) oder den Angiographie-Arm (n = 1.254 ).

 

Der primäre Endpunkt der Studie war einerseits ein Endpunkt aus der Bildgebung – die minimale Stentfläche (MSA) – und ein klinischer kombinierter Endpunkt – das "Target Vessel Failure" (TVF) – bestehend aus kardialem Tod, Myokardinfarkt oder Ischämie-getriggerte Revaskularisation des Zielgefäßes in einem Zeitraum von 2 Jahren.

 

Patient:innen in der OCT-Gruppe zeigten eine signifikant höhere MSA im Vergleich zur Angiographie-Gruppe (5,72 ± 2,04 vs. 5,36 ± 1,87 mm²; Differenz 0,36 mm², 95-%-Konfidenzintervall [KI] 0,21–0,51; p < 0,001). Hinsichtlich des klinischen Endpunktes TVF zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (7,4 % vs. 8,2 %; HR: 0,90; 95-%-KI 0,67–1,19; p = 0,45). Während sich auch die einzelnen Komponenten des primären Endpunktes nicht unterschieden, traten jedoch statistisch signifikant weniger Stentthrombosen im OCT-Arm auf (0,5 % vs. 1,4 %; HR 0,36; 95-%-KI 0,14–0,91; p < 0,05). Auch angiographische Komplikationen waren im OCT-Arm seltener (3,6 % vs. 5,0 %; HR −1,7; 95-%-KI −3,3−(−0,1)).

OCTOBER Trial: OCT vs. Angiographie bei Bifurkationsläsionen

 

In dem OCTOBER Trial wurden Patient:innen mit chronischem Koronarsyndrom oder NSTEMI mit einer komplexen, wahren Bifurkation (Läsion in Haupt- und Seitast, auch Hauptstamm möglich) eingeschlossen. Es erfolgte die Randomisierung in eine OCT-gesteuerte Intervention (n = 600) oder eine angiographisch gesteuerte Intervention (n = 601). Im Angiographie-Arm war eine Bildgebung mittels IVUS erlaubt.

 

Der primäre Endpunkt war ein kombinierter Endpunkt (MACE) bestehend aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt oder Revaskalurisation in der Zielläsion über einen Zeitraum von 2 Jahren. 19 % der Läsionen bei allen Patient:innen waren Hauptstammstenosen, bei 15% der Angiographie Gruppe wurde für weitere Diagnostik ein IVUS durchgeführt.

 

Der primäre Endpunkt trat signifikant häufiger in der Angiographie-Gruppe (14,1 % vs. 10,1 %, HR 0,70; 95-%-KI 0,50 – 0,98; p = 0,035) auf, während die einzelnen Komponenten des Endpunktes sich zwischen den Gruppen nicht unterschieden. Ein weiterer Endpunkt – der Patienten-orientierte Endpunkt (PoCE) – bestehend aus Tod jeglicher Ursache, Myokardinfarkt, erneute Revaskularisation oder Apoplex verpasste knapp die Signifikanz (OCT 13,6 % vs. Angiographie 17,7 %; HR 0,76; 95-%-KI 0,56 –1,0). Auch der periprozedurale Myokardinfarkt war in der OCT-Gruppe seltener, jedoch auch hier verpasste dieser Punkt die statistische Signifikanz (5,7 % vs. 7,0 %; HR 0,79; 95-%-KI 0,51–1,24). 

OCTIVUS: OCT vs. IVUS

 

Die OCTIVUS-Studie verglich die beiden Modalitäten der intravaskulären Bildgebung. Das Ziel der Studie war die Nicht-Unterlegenheit des OCT im Vergleich zum IVUS zu zeigen. Es wurden diverse koronare Läsionen eingeschlossen und insgesamt 2.008 Patient:innen 1:1 entweder zur OCT oder IVUS geführten Revaskularisation randomisiert. 

 

Der kombinierte primäre Endpunkt bestand aus kardialem Tod, Myokardinfarkt oder Ischämie-getriggerte Revaskularisation im Zielgefäß innerhalb eines Jahres.

 

Der primäre Endpunkt trat bei 2,5 % der Patient:innen in der OCT-Gruppe und bei 3,1 % in der IVUS-Gruppe auf. Es zeigte sich somit keine Überlegenheit des OCT (–0,6 %; einseitiges 97,5-%-KI 0,97; p < 0,001). Allerdings traten bei der OCT-Gruppe seltener prozedurale Komplikationen auf (2,2 % vs. 3,7 %; p = 0,0048), hierfür war die Studie jedoch nicht gepowered. 

Abschließend: Meta-Analyse – OCT vs. IVUS vs. Angiographie

 

Eine Metaanalyse von 20 randomisierten klinischen Studien bestätigte die sich in diesen Studien andeutenden Vorteile der intravaskulären bildgesteuerten PCI im Vergleich zur Angiographie-gesteuerten PCI.

 

Insgesamt gingen Daten von 12.428 Patient:innen – auch bereits die Patient:innen aus ILUMIEN IV und OCTOBER – in die Meta-Analyse ein: 7.038 Patient:innen der intravaskulären bildgebenden PCI-Gruppe (IVUS und OCT) und 5.390 Patient:innen, die rein Angiographie-gesteuert revaskularisiert wurden. Die Patient:innen wurden zwischen 6 Monaten und 5 Jahren beobachtet. Die PCI mit intravaskulärer Bildgebung reduzierte den primären Endpunkt, TLF (Target Lesion Failure), um 31 %, den plötzlichen Herztod um 46 %, den Myokardinfarkt im Zielgefäß um 20 % und die erneute Revaskularisation im Zielgefäß um 29 % gegenüber der Angiographie. Zudem wurden Stentthrombosen um 52 %, alle Myokardinfarkte um 18 % und der Gesamttod um 25 % reduziert. Die Ergebnisse der OCT-gesteuerten und der IVUS-gesteuerten PCI-Gruppe waren ähnlich, jeweils im Vergleich mit der Angiographie-gesteuerten PCI-Gruppe als auch im Vergleich miteinander.

Fazit

 

ILUMIEN IV zeigt eine größere MSA sowie eine verminderte Rate von Stentthrombosen, OCTOBER zeigt sogar eine Verbesserung von harten klinischen Endpunkten durch die Verwendung von OCT. OCTIVUS hingegen beantwortet die Frage, ob OCT oder IVUS verwendet werden sollten, ebenso wie die Meta-Analyse.

 

Zusammenfassend lässt sich entsprechend folgendes Fazit ziehen: Das Guiding der PCI mittels intravaskulärer Bildgebung bei komplexen Läsionen scheint von Vorteil, insbesondere bei komplexen Bifurkationsläsionen mit einer geplanten 2-Stenttechnik. Welche Bildgebung hierbei zum Einsatz kommt, sollte auf der Expertise der Untersucher:innen bzw. der Verfügbarkeit beruhen. Die Meta-Analyse weist darauf hin, dass bei noch größeren Patientenzahlen und dass ILUMIEN IV bei noch größeren Patientenzahlen und einer längeren Follow-Up Periode einen Vorteil der OCT hätte zeigen können. Dies ist aber reine Spekulation. Auch die extremen Vorteile, die die Meta-Analyse zeigt, sollten aufgrund der Form der Datenauswertung mit Vorsicht interpretiert werden.

 

Sicher ist jedoch, dass die intravaskuläre Bildgebung in allen Studien immer entweder klare Vorteile oder zumindest keine relevanten Nachteile erbrachte. Entsprechend sollte und wird sich der Einsatz in Deutschland zumindest bei komplexen Läsionen deutlich erhöhen, der aktuell lediglich bei ca. 6–8% aller PCIs liegt. 


Referenzen

 

  1. Hot Line 4. ESC-Kongress 2023, Amsterdam, 25.–28. August.
  2. Session: Imaging-guided percutaneous coronary intervention (PCI): evidence supports a new standard of care. Alasnag M. Intravascular imaging: can we still ignore the evidence? ESC-Kongress 2023, Amsterdam, 25.–28. August. ESC-Kongress 2023, Amsterdam, 25.–28. August.

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