Verkürzte DAPT – auch beim ACS: Zeit für neue Empfehlungen?

 

 

ACC-Kongress 2024 | Immer mehr Studien weisen darauf hin, dass die Verkürzung der 12-monatigen DAPT deutliche Vorteile bringt. Falls die ULTIMATE-DAPT-Studie diesen Trend bestätigt, wird es Zeit, die Leitlinien-Empfehlungen zu überarbeiten. PD Dr. Gaede fasst die Daten zusammen und kommentiert die Ergebnisse der ULTIMATE-DAPT-Studie, die in der Session Late-Breaking Clinical Trials III des ACC 2024 von Prof. Stone (New York) präsentiert wurde.

Von:

PD Dr. Luise Gaede

Leiterin der Rubrik Vaskuläre Herzerkrankungen

 

08.04.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Joseph Sohm / Shutterstock.com

Hintergrund

 

Die primäre Empfehlung für die duale Thrombozytenaggregtionshemmung (DAPT) nach PCI bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) lautet weiterhin, diese über 12 Monate durchzuführen. Daten aus randomisierten Studien und Meta-Analysen der letzten Jahre geben jedoch ein klares Signal: Eine Verkürzung der DAPT führt zur Reduktion von Blutungen, ohne dabei ischämische Ereignisse zu erhöhen. 

Studienziel und Methodik

 

Die ULTIMATE-DAPT-Studie hatte nun das Ziel, explizit bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom, die Sicherheit und Effektivität einer Ticagrelor-Monotherapie nach 1 Monat im Vergleich zu einer 12-monatigen DAPT bestehend aus Ticagrelor und ASS zu untersuchen.

 

Eingeschlossen wurden Patienten mit ST-Hebungsinfarkt, NSTEMI, aber auch mit instabiler Angina solange hier der angiographische Nachweis einer Culprit-Lesion (> 90 % Diameterrreduktion, thrombotische Läsion oder Plaqueruptur) vorlag. Alle Patienten erhielten eine PCI und wurden primär in die IVUS-ACS-Studie eingeschlossen.  Der Einschluss in die Studie erfolgte nur, wenn innerhalb der ersten 4 Wochen unter DAPT mit Ticagrelor und ASS nach PCI weder ein Blutungsereignis noch ein ischämisches Ereignis aufgetreten war. Ausgeschlossen wurden: Patienten mit einem neurologischen Ereignis (Schlaganfall oder Blutung) 3 Monate vor Randomisierung, Patienten nach einer koronaren Bypassoperation, mit einer stark eingeschränkten Nierenfunktion (eGFR < 20ml/min/1,73m²), mit einer geplanten Operation in den kommenden 12 Monaten, mit einer Lebenserwartung < 1 Jahr sowie Patienten die eine orale Antikoagulation benötigten.

 

Es erfolgte eine 1:1 Randomisierung in eine Gruppe, die nach einem Monat nur noch eine Ticagrelor-Monotherapie erhielt und in eine Gruppe, die die DAPT mit Ticagrelor und ASS für weitere 11 Monate fortführte. 

 

Ergebnisse der Studie

 

Insgesamt wurden 3.400 Patienten im Zeitraum von 08/2019-10/2022 eingeschlossen. Die Studiengruppe war im Schnitt 61,2 Jahre alt, größtenteils männlich (74,1 %), ca. ein Drittel der Patienten hatte Diabetes (31,6 %). Ca. 28 % der Patienten hatte einen STEMI, 32 % einen NSTEMI. 

 

Der primäre Sicherheitsendpunkt beinhaltete Blutungen BARC 2, 3 oder 5. Es zeigte sich 1 Jahr nach ACS eine signifikante Verringerung dieses Endpunktes in der Gruppe, die die Ticagrelor-Monotherapie erhielt (4,6 % vs. 2,1 %, p < 0,001; HR 0,45; 95%KI 0,30-0,66). Dieser Vorteil zeigte sich über alle vorher spezifizierten Subgruppen (z.B. Geschlecht, Alter, Niereninsuffizienz oder BMI). Betrachtet man nur das Auftreten von Blutungen Typ BARC 3 und 5, zeigte sich weiterhin ein Vorteil auf Seiten der Gruppe mit der Ticagrelor-Monotherapie (0,7 % vs. 1,7 %, p = 0,009, HR 0,39; 95%KI 0,19-0,79). Dies galt auch für die Blutungen definiert als TIMI-Major (0,5 % vs. 1,1 %, p = 0,04, HR 0,42; 95%KI 0,18-0,96), ISTH-Major (0,5 % vs. 1,2 %, p = 0,02; HR 0,38, 95%KI 0,17-0,86) oder GUSTO moderate, severe or life-threatinenig (0,5% vs. 1,1%, p = 0,04; HR 0,42; 95%KI 0,18-0,96).

 

Hinsichtlich des primären Effektivitätsendpunktes MACCE bestehend aus kardialem Tod, Myokardinfarkt, ischämischen Schlaganfall, Stentthrombose oder klinisch bedingter Revaskularisation des Zielgefäßes zeigte sich kein Unterschied (Ticagrelor-Monotherapie 3,7 % vs. DAPT 3,6 %, p = 0,89 for superiority, p < 0,001 for non-inferiority, HR 0,98; 95%KI 0,69-1,39). Auch hier zeigte sich in den vorher spezifizierten 12 Subgruppen kein Unterschied (z.B. Typ des Myokardinfarktes, Mehrgefäßerkrankung, Länge der Stentstrecke oder vorliegender Diabetes).

 

Die Kombination der beiden Endpunkte auf die Net adverse clinical events (NACE bestehend aus MACCE oder BARC Blutungen Typ 1-5) zeigte einen Vorteil in der Gruppe der Monotherapie (5,7 % vs. 8,2 %, p = 0,007; HR 0,68; 95%KI 0,53-0,88).

 

Limitationen

Limitationen der Arbeit sind der Einschluss von BARC-Blutungen des Typ 2 in den Sicherheitsendpunkt. Die NACE sollte man ebenfalls nur bedingt bewerten, da hier BARC-Blutungen des Typ 1-5 eingeschlossen wurden. Ebenfalls ist ein Kritikpunkt, dass ca. 40 % der Patienten aufgrund einer instabilen Angina und nicht aufgrund eines STEMI oder NSTEMI eingeschlossen wurden, und dass die Patienten bereits an der IVUS-ACS-Studie teilnahmen und somit ein Selektionsbias bestand. Zudem könnten die Daten vor allem für asiatische Patienten gelten, da 88 % der eingeschlossenen Patienten aus China stammten.

 

Fazit

Trotz der Limitationen bestätigt die ULTIMATE-DAPT-Studie die bereits bestehenden Daten hinsichtlich einer kürzeren DAPT. Die Studie zeigte, dass Patienten, die innerhalb des ersten Monats nach PCI unter DAPT keine Ereignisse aufweisen, mit einer Ticagrelor-Monotherapie im Vergleich zu einer DAPT aus ASS und Ticagrelor weniger Blutungsereignisse erleiden, ohne hierbei mehr ischämische Ereignisse zu haben. Insgesamt ist inzwischen die Datenlage zur Verkürzung der DAPT - auch bei Patienten mit ACS - immer eindrücklicher, so dass die Leitlinien und Empfehlungen hier klar überarbeitet werden sollten.


Referenzen

 

  1. Stone GW. One-month Ticagrelor Monotherapy After Pci In Acute Coronary Syndromes: Principal Results From The Double-blind, Placebo-controlled ULTIMATE-DAPT Trial. Session Late-Breaking Clinical Trials III; ACC 2024

  2. Ge Z et al. Ticagrelor alone versus ticagrelor plus aspirin from month 1 to month 12 after percutaneous coronary intervention in patients with acute coronary syndromes (ULTIMATE-DAPT): a randomised, placebo-controlled, double-blind clinical trial. Lancet. 2024 DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(24)00473-2

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