Gehstrecken-Verbesserung unter Semaglutid – neue Optionen bei pAVK 

 

Für Patientinnen und Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) gibt es wenig medikamentöse Optionen, um die Einschränkungen im Alltag durch eine reduzierte Gehstrecke zu verbessern. GLP-1-Agonisten wie Semaglutid sind in den letzten Jahren zunehmend „in aller Munde“ und in der STRIDE-Studie wurde nun erstmalig der Einfluss auf die funktionelle Kapazität von Personen mit pAVK und Typ-2-Diabetes untersucht. 

 

Prof. Christos Rammos (Universitätsklinikum Essen) kommentiert.

Von:

Dr. Greta Ullrich

Universitätsklinikum Essen

 

Expertenkommentar: 

Prof. Christos Rammos

Universitätsklinikum Essen

 

21.08.2025

 

Bildquelle (Bild oben): ustas777 / Shutterstock.com

 

Bei pAVK-Patientinnen und -Patienten besteht eine in den meisten Fällen moderate bis schwere Belastung durch eine reduzierte Gehstrecke im Alltag, das Leitsymptom der Claudicatio intermittens. Die wenigen vorhandenen medikamentösen Therapieoptionen wie Cilostazol sind mittlerweile mehrere Jahrzehnte alt. GLP-1-Agonisten sind in den vergangenen Jahren vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt, da sie positive Effekte in einigen Bereichen außerhalb ihres ursprünglichen Einsatzgebietes – der Diabeteseinstellung – zeigen konnten. So wurden sie mittlerweile erfolgreich zur Gewichtsreduktion sowie in der Herzinsuffizienztherapie eingesetzt.

Entwicklung der Gehstrecke nach einem Jahr: Semaglutid im Vergleich zu Placebo

 

In der STRIDE-Studie, die im Mai diesen Jahres im Lancet von der Arbeitsgruppe um Dr. Marc Bonaca publiziert wurde, wurde erstmals der Einfluss von GLP-1-Agonisten auf die funktionelle Kapazität und Gehstrecke von Personen mit pAVK untersucht. Es handelte sich um eine multinationale Studie, die in insgesamt 20 Ländern in Asien, Europa und Nordamerika durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden insgesamt 792 Patientinnen und Patienten über 18 Jahre mit einer pAVK im Stadium IIa nach Fontaine und entsprechend einer Gehstrecke von >200 Metern sowie einem bekannten Diabetes mellitus Typ 2. Die Teilnehmenden wurden 1:1 randomisiert in eine Interventions- und Kontrollgruppe, wobei die Interventionsgruppe in der 12-monatigen Studienphase 1 mg Semaglutid wöchentlich subkutan erhielt und die Kontrollgruppe Placebo. Als primärer Endpunkt diente die Entwicklung der Gehstrecke nach 12 Monaten im Vergleich zur Baseline.

Signifikante Verbesserung der Gehstrecke in der Interventionsgruppe 

 

In der Interventionsgruppe zeigte sich nach 12-monatiger Studienphase eine signifikante Verbesserung der medianen Gehstrecke im Verhältnis zur Baseline (Median IQR 1,2 [0,95 bis 1,55]) verglichen mit der Kontrollgruppe (IQR 1,08 [0,86 bis 1,36]). Auch die maximale Gehstrecke sowie schmerzfreie Gehstrecke zeigten sich nach der Studienphase in der Interventionsgruppe signifikant verbessert verglichen mit der Kontrollgruppe. Der Effekt ließ sich auch nach 57 Wochen, entsprechend 5 Wochen nach Beendigung der Therapie, nachweisen. 

STRIDE-Studie - Gehstreckenvergleich Abbildung: Entwicklung der Gehstrecke im Vergleich zur Baseline-Untersuchung.

 

Entsprechend der bekannten Haupteffekte von GLP-1-Agonisten zeigte sich weiterhin eine signifikante Reduktion des Körpergewichts sowie des HbA1c-Wertes, darüber hinaus konnte allerdings auch eine deutliche – wenn auch statistisch nicht signifikante – Verbesserung des Ankle-Brachial-Index (ABI) verzeichnet werden. Die Gewichtsabnahme war mit durchschnittlich <5 kg lediglich moderat, interessanterweise lag der mediane BMI mit 28 kg/m2 zu Studienbeginn eher im Bereich des Übergewichts als im Bereich der morbiden Adipositas. 


Der Sicherheitspunkt – zusammengesetzt aus Tod jeglicher Ursache und Notwendigkeit einer Rescue-Therapie – trat in der Semaglutid-Gruppe mit 14/396 Fällen ebenfalls signifikant seltener auf als in der Placebo-Gruppe mit 30/396 Fällen. Als Rescue-Therapie wurde durch die Autorinnen und Autoren eine Revaskularisation – ob offen-chirurgisch oder endovaskulär – oder der Start einer medikamentösen Alternativtherapie wie Cilostazol definiert. 


Schlussendlich zeigte sich zudem eine gute Verträglichkeit der Therapie, die häufigsten therapieassoziierten Nebenwirkungen waren gastrointestinale Beschwerden, wie aus vorherigen Studien zu GLP-1-Analoga bekannt. Schwere therapieassoziierte Nebenwirkungen traten nicht auf.

Neue Chance für pAVK

 

Die Erkenntnisse aus der STRIDE-Studie machen Hoffnung, dass GLP-1-Agonisten in Zukunft erfolgreich zur Besserung der funktionellen Kapazität bei Patientinnen und Patienten mit pAVK eingesetzt werden können. In Zukunft werden weitere Studien notwendig sein, die den Einsatz von GLP-1-Agonisten bei Personen mit pAVK ohne komorbiden Typ-2-Diabetes untersuchen. Nur so könnte man in Zukunft die Aussage treffen, ob die Therapie Vorteile für alle Patientinnen und Patienten mit pAVK mit sich bringt.

Expertenkommentar

 

Die Ergebnisse der STRIDE-Studie stellen einen potenziellen Paradigmenwechsel in der Therapie der pAVK dar. Zum ersten Mal konnte in einer groß angelegten, internationalen Studie gezeigt werden, dass ein GLP-1-Agonist – konkret Semaglutid – die funktionelle Kapazität und Gehstrecke bei pAVK-Patientinnen und -Patienten mit Typ-2-Diabetes signifikant verbessert.


Angesichts der sehr limitierten medikamentösen Optionen zur Verbesserung der Lebensqualität bei pAVK, insbesondere bei Claudicatio intermittens, ist dies ein bemerkenswerter Fortschritt. Die beobachteten Effekte auf Gehstrecke, Gewicht, HbA1c und sogar auf den ABI deuten auf ein breites, möglicherweise gefäßprotektives Wirkprofil von Semaglutid hin. Besonders relevant: Der beobachtete Nutzen hielt auch nach Absetzen der Therapie an und ging mit einer guten Verträglichkeit sowie einem signifikant geringeren Bedarf an Rescue-Therapien einher.


Auch wenn bislang nur Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes eingeschlossen wurden, zeigen die Ergebnisse klar das Potenzial von GLP-1-Analoga über die klassische Diabetestherapie hinaus. Weitere Studien bei pAVK-Betroffenen ohne Diabetes sind nun essenziell, um den Einsatzbereich zu erweitern und die zugrundeliegenden Mechanismen besser zu verstehen.


Insgesamt liefert die STRIDE-Studie Argumente dafür, GLP-1-Agonisten künftig als festen Bestandteil in der Therapie von pAVK bei bestehendem Diabetes zu prüfen – insbesondere, wenn konservative Maßnahmen ausgeschöpft sind und eine invasive Therapie (noch) nicht indiziert ist.

Zur Autorin

Dr. Greta Ullrich

Dr. Greta Ullrich ist Assistenzärztin in der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Universitätsmedizin Essen. Sie hat am Junior Clinician Scientist Programm teilgenommen und forschte zur Auswirkung von digitalen Gesundheitsanwendungen mit visueller Risikoaufklärung auf das Herz-Kreislauf-Risiko von Betroffenen.

Dr. Greta Ullrich

Zur Person

Prof. Christos Rammos

Prof. Christos Rammos ist als Stellvertretender Klinikdirektor und Leiter der diagnostischen und interventionellen Angiologie am Universitätsklinikum Essen tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der kardiovaskulären Funktionsstörung mit besonderem Fokus auf Endothelfunktion, mikrobiomvermittelte Effekte und diätetische Interventionen sowie ferner Interventionen bei peripherer Verschlusskrankheit.


Referenzen

Bonaca MP et al. Semaglutide and walking capacity in people with symptomatic peripheral artery disease and type 2 diabetes (STRIDE): a phase 3b, double-blind, randomised, placebo-controlled trial. Lancet. 2025 May 3;405(10489):1580-1593. doi: 10.1016/S0140-6736(25)00509-4. Epub 2025 Mar 29. PMID: 40169145.

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