Quick Dive: Extrakranielle Karotisstenose

 

In unserer Reihe "Quick Dive" stellen die Autorinnen und Autoren von Publikationen medizinischer Fachgesellschaften prägnant die wichtigsten Hintergründe und Inhalte der jeweiligen Veröffentlichung vor. Dieses Mal wird eingetaucht in:

 

Extrakranielle Karotisstenose: Prävalenz, Diagnostik und Therapie

Konsensuspapier der DGK und DGA

10.09.2025 | Verfasst von: Martin Andrassy, Thomas Zeller, Ralf Langhoff, Christos Rammos, Christiane Tiefenbacher, Johannes Dahm, Nikolaus Marx & Grigorios Korosoglou 


Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

16.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): vovan / Shutterstock.com

5 Fragen an den Erst- und Letztautor

Prof. Martin Andrassy, RKH Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal

Prof. Grigorios Korosoglou, GRN-Klinik Weinheim

 

Was sind Anlass und Ziel der Publikation?

 

Die Prävalenz der extrakraniellen Karotisstenose liegt ab dem 65. Lebensjahr bei 6–15 %, während ca. 15 % aller zerebralen Ischämien auf atherosklerotische Läsionen der Karotis zurückzuführen sind. Bei einer Gesamtzahl von ca. 200.000 ischämischen Schlaganfällen pro Jahr in Deutschland bedeutet dies eine Inzidenz von 30.000 Karotis-assoziierten Schlaganfällen pro Jahr. Ziel dieses DGK-Positionspapiers ist es, einen Rahmen für diagnostische und therapeutische Maßnahmen der Karotisstenose im ambulanten und stationären Bereich aus interdisziplinärer Perspektive darzustellen. Die verschiedenen Optionen der konservativen, interventionellen und operativen Therapie der Karotisstenose wurden inhaltlich neu überarbeitet und an die aktuelle Literatur angepasst. Die Entwicklungen sowohl auf dem Gebiet der chirurgischen als auch der endovaskulären Therapie sowie die Fortschritte der optimalen medikamentösen Therapie wurden berücksichtigt.

 

Was sind die wichtigsten Take-Home Messages?

 

  1. Die farbkodierte Duplexsonographie (DUS) repräsentiert den Goldstandard in der Diagnostik der extrakraniellen Karotisstenose und ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung von Kardiologinnen und Kardiologen.
  2. Aktuelle Studien betonen zusätzlich den Stellenwert der Magnetresonanz-Angiographie (MRA) zur Detektion einer Plaque-Vulnerabilität (i.e. Intra-Plaque-Hämorrhagie), die teils unabhängig vom Stenosegrad mit einem vielfach erhöhten Risiko für eine Hirnischämie assoziiert ist.
  3. Bei Patientinnen und Patienten mit asymptomatischer Karotisstenose (60–99 %) betonen aktuelle Leitlinien den Stellenwert der optimalen, konservativ-medikamentösen Therapie (OMT, Klasse I). Bei Betroffenen mit einer Lebenserwartung >5 Jahre kann zusätzlich zur OMT eine operative oder interventionelle Revaskularisation abhängig vom operativen Risiko und nach Maßgabe des interdisziplinären Gefäßteams in Erwägung gezogen werden (allerdings Klasse IIa bzw. IIb). 
  4. Bei Patientinnen und Patienten mit symptomatischer Karotisstenose (50–99 %) sollte analog zur asymptomatischen Karotisstenose die Entscheidung zur Revaskularisation und in Bezug auf die Art und Weise der Revaskularisation (operativ versus interventionell) abhängig von patienten- und läsionsspezifischen Faktoren durch ein interdisziplinäres Gefäßteam erfolgen. Insbesondere für Betroffene mit symptomatischer Karotisstenose (70–99 %) besteht bei entsprechendem Schlaganfallrisiko eine Klasse-I-Indikation zu Gunsten einer Revaskularisation.

 

Eine zentrale Abbildung aus der Publikation:

Entscheidungshilfe bei DDAF

Tabelle: Die verschiedenen Aspekte der optimalen konservativ-medikamentösen Therapie (OMT), inklusive der Lebensstil-modifizierenden Maßnahmen bei Patientinnen und Patienten mit Karotisstenose. (Quelle: Andrassy et al. 2025)

Was sind Herausforderungen bei der Umsetzung und mögliche Lösungen?

 

Die Steigerung der Awareness der Ärztinnen und Ärzte und der Bevölkerung in Bezug auf das Krankheitsbild der Karotisstenose, insbesondere der asymptomatischen Karotisstenose, stellt eine Herausforderung dar. Im Gegensatz zu Patientinnen und Patienten mit stattgehabtem Myokardinfarkt oder Schlaganfall sind die Behandelnden oft nicht sensibilisiert genug und die medikamentöse Einstellung entspricht oft nicht den aktuellen Empfehlungen. Auch die Adhärenz der Patientinnen und Patienten könnte aufgrund der mangelhaften Aufklärung über die potenziellen Folgen des Krankheitsbildes vermindert sein.

 

 

Welche Punkte sind offengeblieben?

 

Obwohl es Hinweise für die Fähigkeit der MRA gibt, Patientinnen und Patienten mit Hochrisiko-Karotisstenosen zu identifizieren, die auch im Stadium der asymptomatischen Karotisstenose von einer Revaskularisation profitieren würden, sind solche speziellen Läsionscharakteristika in den bisherigen Studien unzureichend berücksichtigt worden. Hier sind in Zukunft weitere prospektive Studien notwendig. 


Auch für die Wahl einer interventionellen versus operativen Behandlung bei Patientinnen und Patienten mit Karotisstenose gibt es keine klaren Evidenzen. Aktuelle Leitlinien betonen deswegen in der Indikationsstellung und auch bei der Wahl der Methode, CEA versus CAS, eine individuelle Risikoabschätzung unter der Berücksichtigung von sowohl klinischen als auch anatomischen Faktoren durch das interdisziplinäre Gefäßteam.

 

Ausblick: Welche Entwicklungen zum Thema zeichnen sich ab?

 

Durch die jüngsten Weiterentwicklungen der Stent-Plattformen und endovaskulären Therapiestrategien unter Berücksichtigung der Neuroprotektion mittels entsprechender Embolie-Protektionssysteme (feinporige Filtersysteme mit einer Porengröße bis zu ca. 40 µm) und/oder sogenannter „double layer“ oder „micro-mesh“ Stents, werden sämtliche aktuellen Qualitätsanforderungen bezüglich Schlaganfall und Tod erreicht. Sogenannte „double layer“ oder „micro-mesh“ Stents bieten durch ihre engmaschige Plaqueabdeckung einen zusätzlichen Embolieschutz. Somit stellt die interventionelle Therapie der Karotisstenose in erfahrenen Zentren eine vergleichbare Alternative zur operativen Revaskularisation dar. Neuere randomisierte klinische Studien, die die aktuelle Praxis widerspiegeln werden, sind auf dem Feld allerdings noch erforderlich. 

Weiter zur vorgestellten Publikation:

DGK/DGA-Konsensuspapier: Extrakranielle Karotisstenose: Prävalenz, Diagnostik und Therapie

Literaturnachweis:

Andrassy, M., Zeller, T., Langhoff, R. et al.
Extrakranielle Karotisstenose: Prävalenz, Diagnostik und Therapie
Kardiologie 2025 
https://doi.org/10.1007/s12181-025-00768-2

Zur Person

Prof. Martin Andrassy

Prof. Martin Andrassy ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Diabetologie, Neurologie und Intensivmedizin an der RKH Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal. Sein klinischer Schwerpunkt liegt insbesondere auf kardiovaskulärer Intensiv- und Notfallmedizin und Angiologie.

Prof. Martin Andrassy

Zur Person

Prof. Grigorios Korosoglou

Prof. Grigorios Korosoglou ist als Chefarzt der Abteilung für Kardiologie und Angiologie der GRN-Klinik Weinheim und Eberbach tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Kardiale MRT- und CT-Bildgebung und interventionelle Kardiologie sowie periphere Gefäßeingriffe. 

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Kurzinfo: Die Formate der DGK-Publikationen

Leitlinien sind für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Stütze im klinischen Alltag, um ihre Patientinnen und Patienten nach neuestem Stand der Wissenschaft bestmöglich zu behandeln. Dabei dienen die Leitlinien als verlässliche Handlungsempfehlungen in spezifischen Situationen.

Pocket-Leitlinien sind Leitlinien in kompakter, praxisorientierter Form. Bei Übersetzungen von Pocket-Leitlinien der ESC werden alle Empfehlungsklassen und Evidenzgrade der Langfassung übernommen.

Master Pocket-Leitlinien stellen eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der Leitlinienempfehlungen in Form von grafischen Diagnose- und Therapiealgorithmen dar. Als Quelle der Empfehlungen dienen dabei vorwiegend die nach strengen wissenschaftlichen Kriterien erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sowie deren deutsche Übersetzung durch die DGK.

CardioCards behandeln im Wesentlichen Themen der Diagnostik und Akuttherapie für den ambulanten Bereich. Hier werden die essenziellen Informationen von Leitlinien komprimiert und übersichtlich zusammengefasst.

Kommentare beinhalten Hinweise, wie sich die neuen von den alten Leitlinien unterscheiden, Hinweise auf wesentliche Neuerungen, die seit dem Erscheinen der ESC-Leitlinien bekannt geworden sind, Diskussion kontroverser Empfehlungen in den ESC-Leitlinien sowie Möglichkeiten und Grenzen der Leitlinienumsetzung im Bereich des deutschen Gesundheitswesens.

Ein Positionspapier behandelt eine Fragestellung von großem allgemeinen Interesse, für die keine aktuelle Leitlinie vorliegt.

Bei einem Konsensuspapier handelt es sich um ein von mehreren Fachgesellschaften getragenes Statement.

Diese Veröffentlichungen enthalten Empfehlungen einer DGK-Arbeitsgruppe zu einer speziellen Frage von großem Interesse.

Stellungnahmen der DGK beziehen sich auf gesundheitspolitische Fragestellungen und erfolgen durch den Vorstand, gemeinsam mit Kommissionen und Projektgruppen. Sofern möglich und sinnvoll, werden auch Fachgesellschaft-übergreifende Stellungnahmen ausgearbeitet.

Ein Manual ist eine praktisch orientierte Expertenempfehlung für wesentliche kardiovaskuläre Prozeduren.

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