Künstliche Intelligenz in der Echokardiographie im Fokus

 

AHA-Kongress 2024 | AI-ECHO & PanEcho: Die Echokardiographie ist eines der unverzichtbarsten und am häufigsten genutzten diagnostischen Werkzeuge in der kardiovaskulären Medizin. Auf dem AHA-Kongress 2024 wurden die Studien AI-ECHO und PanEcho vorgestellt, die eindrucksvoll zeigen, wie Künstliche Intelligenz die Echokardiographie transformieren kann.

Von:

PD Dr. Philipp Breitbart

Rubrikleiter Digitale Kardiologie

 

18.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Rudy Balasko / Shutterstock.com

Die Echokardiographie liefert präzise Einblicke in die Struktur und Funktion des Herzens und wird weltweit täglich millionenfach durchgeführt. In Ländern wie Japan ist die Nachfrage besonders hoch – dort werden pro Kopf 3,5-mal mehr Untersuchungen durchgeführt als in den USA, was kardiologische Labore vor immense Herausforderungen stellt. Im Gegensatz dazu ist der Zugang zur Echokardiographie in vielen Nicht-Industrienationen stark eingeschränkt. Für Milliarden von Menschen fehlen sowohl die technische Ausstattung als auch das Fachpersonal, um diesen diagnostischen Standard nicht nur qualitativ ausreichend, sondern überhaupt flächendeckend anzubieten.


Künstliche Intelligenz (KI) bietet das Potenzial, diese Probleme zu entschärfen. Automatisierte Analyseverfahren können nicht nur die Erkennung kardiologischer Pathologien beschleunigen, sondern auch die Qualität und Standardisierung der Diagnostik verbessern. Auf dem AHA-Kongress 2024 wurden mit den Studien AI-ECHO1 und PanEcho2 zwei wegweisende Ansätze vorgestellt, die das transformative Potenzial von KI in der Echokardiographie eindrucksvoll demonstrieren.

AI-ECHO: Studiendesign, Ergebnisse und Fazit

 

Die AI-ECHO-Studie war die erste prospektive, randomisierte Untersuchung, die die Nutzung eines KI-gestützten Analysewerkzeugs mit der herkömmlichen Arbeitsweise in der Echokardiographie verglich. In einem randomisierten Cross-vver-Design wurden 4 zertifizierte Echokardiographeure an einem einzigen Zentrum über 38 Tage hinweg beobachtet. An „KI-Tagen“ nutzten sie ein KI-Analyse-Tool für die automatische Auswertung, während sie an „Nicht-KI-Tagen“ ohne Unterstützung arbeiteten. Die automatisierten Auswertungen wurden jeweils noch durch erfahrene Kardiologinnen und Kardiologen überprüft und finalisiert.


An KI-Tagen wurde eine deutliche Zeiteinsparung (die durchschnittliche Untersuchungszeit sank mit KI-Unterstützung von 14,3 ± 4,2 Minuten auf 13,0 ± 3,5 Minuten (p < 0,001)), eine höhere Produktivität (Anstieg der täglichen Zahl der Untersuchungen von 14,1 ± 2,5 auf 16,7 ± 2,5 (p = 0,003)) sowie eine geringere mentale Ermüdung der Echokardiographeure (p = 0,039) beobachtet. Zudem trat eine Qualitätssteigerung auf, da KI eine Fokussierung auf die Bildakquise ermöglichte, was die Bildqualität signifikant erhöhte (p < 0,001). Die KI-unterstützte Auswertung analysierte zudem 3,4-mal mehr echokardiografische Parameter pro Studie. 90 % der KI-generierten Ergebnisse lagen innerhalb klinisch akzeptabler Abweichungen.


Die Studie zeigt, dass KI-gestützte Tools die Effizienz und Qualität in der Echokardiographie erheblich steigern können, während sie die Arbeitsbelastung der Echokardiographeure reduzieren.

PanEcho: Studiendesign, Ergebnisse und Fazit

 

PanEcho ist ein KI-Modell der nächsten Generation, das als „view-agnostisch“ beschrieben wird, da es echokardiografische Daten unabhängig vom Blickwinkel und der Akquisition analysiert. PanEcho wurde anhand von 1,23 Millionen Videos aus 33.927 transthorakalen Echokardiogrammen (TTEs) trainiert. Es kann 39 echokardiografische Aufgaben erfüllen, darunter die Analyse von Myokard- und Klappenfunktion aus parasternalen, apikalen und subkostalen Blickwinkeln sowie Doppler-Videos. Getestet wurde das Modell an drei unabhängigen Kohorten.


Das KI-Modell zeigte eine sehr hohe diagnostische Präzision: PanEcho erreichte eine mittlere AUC von 0,91 über 18 Klassifikationsaufgaben, z. B. 0,99 bei schwerer Aortenstenose und 0,98 bei mittel-schwerer linksventrikulärer Dysfunktion. Zudem konnten exakte Messungen generiert werden: kontinuierliche Parameter, wie die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), wurden mit einer mittleren absoluten Fehlerquote (MAE) von 4,4 % präzise bestimmt. Ein weiteres Ergebnis war die Flexibilität des KI-Modells, da PanEcho erfolgreich auf neue Populationen wie pädiatrische Patientinnen und Patienten angewandt werden konnte und dabei bestehende Ansätze in der Genauigkeit übertraf.

PanEcho repräsentiert ein flexibles und robustes Modell für die echokardiografische Analyse. Es bietet eine Grundlage für zukünftige KI-Anwendungen und ermöglicht umfassende, automatisierte Interpretationen, unabhängig von Blickwinkeln oder spezifischen Bedingungen.

Abschließendes Fazit: Künstliche Intelligenz in der Echokardiographie

 

Die Studien AI-ECHO und PanEcho verdeutlichen das transformative Potenzial von KI in der Echokardiographie. KI kann die Effizienz und Qualität der Diagnostik erheblich steigern, indem sie menschliche Fehler reduziert, Befundungen standardisiert und Fachpersonal bei knappen personellen und finanziellen Ressourcen entlastet. AI-ECHO demonstriert, wie KI-Tools den Workflow in klinischen Laboren optimieren, während PanEcho als vielseitiges und präzises Modell eine breite Anwendbarkeit zeigt, die über bestehende Ansätze hinausgeht.

Ein besonderer Vorteil von KI liegt darin, die diagnostische Qualität zwischen hochfrequentierten Echokardiographiezentren und Laboren mit geringerer Expertise anzugleichen. Darüber hinaus könnte sie den Zugang zu hochwertiger Echokardiographie in Regionen mit eingeschränkten Ressourcen verbessern, indem sie Untersuchende entlastet und standardisierte Befundungen ermöglicht. Allerdings bleibt die faire Verteilung solcher Technologien eine Herausforderung: Derzeit sind die meisten zugelassenen KI-Modelle auf Industrienationen beschränkt, was die bestehende Ungleichheit im globalen Zugang verschärfen könnte.

Zusätzlich bestehen technische und ethische Herausforderungen. Dazu gehören Voreingenommenheit in den Eingangsdaten, fehlende Transparenz, Datenschutzrisiken sowie die Gefahr einer unkritischen Übernahme von KI-generierten Diagnosen, die Fehlinformationen begünstigen könnte. Gleichzeitig wird sich die Rolle von Ärztinnen, Ärzten und MTAs in der Echokardiographie verändern: Obwohl KI viele Aufgaben automatisiert, bleibt die menschliche Überprüfung unverzichtbar, um die Qualität der Patientenversorgung zu sichern.

Insgesamt bietet Künstliche Intelligenz enorme Chancen, die Echokardiographie weltweit effizienter und zugänglicher zu machen. Eine verantwortungsvolle und faire Implementierung ist jedoch entscheidend, um ihre Vorteile vollständig zu nutzen und gleichzeitig Ungleichheiten und Risiken zu minimieren. Künstliche Intelligenz könnte die Echokardiographie nicht nur effektiver, sondern auch menschlicher gestalten, indem sie die diagnostischen Möglichkeiten erweitert und die Arbeitsbedingungen für die Untersuchenden verbessert.

Zum Autor

PD Dr. Philipp Breitbart

PD Dr. Philipp Breitbart ist als Oberarzt der interventionellen Kardiologie und Teil des Ärztlichen Leitungsteams am Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen des Universitätsklinikums Freiburg tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der kardialen CT- und MRT-Bildgebung, komplexen Koronarinterventionen sowie den Bereichen eCardiology und Social Media.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

 

  1. Nobuyuki Kagiyama. Artificial Intelligence-based Automated ECHOcardiographic Measurements and the Workflow of Sonographers (AI-ECHO): Randomized Crossover Trial. Late-Breaking Science 3, AHA 2024.
  2. Holste G & Khera R. PanEcho: Complete AI-enabled echocardiography interpretation with multi-task deep learning. Late-Breaking Science 3, AHA 2024.

Das könnte Sie auch interessieren

Neue AHA-Leitlinie pAVK

AHA-Kongress 2024 | Guidelines: Die AHA/ACC-Guideline PAD (Peripheral Artery Disease) aus dem Jahr 2016 wurde aktualisiert. Kommentiert von Prof. C. Rammos.

Basic Science im Interview

Modelle des menschlichen Herzmuskels in der funktionellen medizinischen Forschung: Chancen und Herausforderungen. Mit Prof. P. Kohl.

Kommt HU6 als neuer Wirkstoff für HFpEF in Betracht?

HFSA Annual Scientific Meeting 2024 | HuMAIN-HFpEF: HU6 reduzierte zwar das Körperfett, aber es bleiben dennoch erhebliche Zweifel. Kommentiert von Prof. F. Kahles.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen