Die ACC/AHA-Leitlinie befasst sich mit dem perioperativen kardiovaskulären Management bei nicht-kardiologischen Eingriffen. Insgesamt stehen die Empfehlungen weitgehend im Einklang mit den europäischen Leitlinien, insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der Patientengebrechlichkeit, die kardiologische Evaluation von Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulären Symptomen oder bekannten Herzerkrankungen sowie die selektive Anwendung kardialer Bildgebung, wie der transthorakalen Echokardiographie, der nicht-invasiven und invasiven Koronarangiographie und der medikamentösen Therapie. Das perioperative Management der antithrombotischen Therapie erfährt eine zunehmende Individualisierung, abhängig vom Ischämie- bzw. Blutungsrisiko des geplanten Eingriffs.
Ein wesentlicher und praxisrelevanter Unterschied zwischen den beiden Leitlinien betrifft die perioperative kardiovaskuläre Risikostratifizierung. Während beide Leitlinien den Einsatz kardialer Biomarker zur präoperativen Risikoeinschätzung empfehlen, betonen die europäischen Leitlinien insbesondere die Bedeutung des hochsensitiven kardialen Troponins (hs-cTn) sowohl zur präoperativen Risikostratifizierung als auch zur Erkennung peri- und postoperativer Komplikationen. Im Gegensatz zu den amerikanischen Leitlinien wird in den europäischen Leitlinien für alle Patientinnen und Patienten mit einem geplanten nicht-kardialen Eingriff mittleren bis hohen operativen Risikos – ab einem Alter von 65 Jahren oder jünger mit kardiovaskulären Risikofaktoren bzw. einer bekannten Herzerkrankung – die Bestimmung von hochsensitivem kardialem Troponin T/I (hs-cTn T/I) als Klasse-I-Empfehlung sowie die Bestimmung von BNP bzw. NT-proBNP als Klasse-IIa-Empfehlung vorgesehen.
Obwohl beide Biomarker eine vergleichbare Genauigkeit bei der Vorhersage unerwünschter kardialer Ereignisse aufweisen, bietet hs-cTn einige Vorteile gegenüber BNP/NT-proBNP. Erstens ermöglicht ein hs-cTn-Wert im Normbereich den Ausschluss einer akuten Myokardischämie. Zweitens erlaubt das Vorliegen eines präoperativen hs-cTn-Wertes eine zuverlässige Diagnose perioperativer Myokardschäden und Infarkte. Darüber hinaus ist die Bestimmung von hs-cTn kostengünstiger und weiter verbreitet als die von BNP/NT-proBNP, was die Integration dieser Empfehlung in die klinische Praxis erleichtert.
Die Leitlinien enthalten zudem detaillierte, risikoadaptierte Diagnose- und Behandlungsalgorithmen für Betroffene mit häufigen kardialen Erkrankungen, die sich einem nicht-kardiologischen Eingriff unterziehen müssen. Ihre routinemäßige Anwendung könnte den postoperativen Verlauf dieser Patientinnen und Patienten erheblich verbessern.