Schweineherz-Transplantation: Neue Details zur Todesursache des Patienten

Anfang Januar wurde einem Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz in den USA ein Schweineherz implantiert. Zwei Monate später ist er verstorben. In einer Publikation im „New England Journal of Medicine“ sind nun erste Details zur Todesursache zu erfahren.  

Von Veronika Schlimpert

 

23.06.2022

Anfang dieses Jahres ist es erstmalig gelungen, einem Menschen ein Schweineherz zu transplantierten (wir berichteten). Die erste erfolgreiche Xenotransplantation beim Menschen sorgte weltweit für Schlagzeilen. Experten sprachen von einem „Meilenstein für die Transplantationsmedizin“. Und in Deutschland säte dies Hoffnung, dass Xenotransplantationen in Zukunft eine Lösung für den hierzulande herrschenden Mangel an Spenderorganen sein könnten.

Spenderherz funktionierte wochenlang gut

Die Aussichten sahen durchaus vielversprechend aus: Die Transplantation gelang und das Spenderorgan vollbrachte wochenlang die erhoffte Leistung. Doch dann verstarb der 57-jährige Mann circa zwei Monate nach dem Eingriff. Und an dem Fall Interessierte fragten sich, was den Tod des Mannes verursacht hat: Lag es an einer Abstoßungsreaktion, funktionierte das Spenderorgan nicht mehr oder lag die Todesursache ganz woanders?

Es gab keine typische Abstoßungsreaktion

Über Details zum Fall, inklusive erster Erkenntnisse zur Todesursache, berichten jetzt der verantwortliche Chirurg Prof. Bartley Griffith und sein Team von der Universität Maryland im „New England Journal of Medicine“. So viel lässt sich jetzt bereits sagen: Eine klassische Abstoßungsreaktion hat es offenbar nicht gegeben. In der postmortem vorgenommenen Autopsie waren verstreute Myozytennekrosen, interstitielle Ödeme und eine Erythrozyten-Extravasation nachweisbar, ohne Hinweise auf mikrovaskuläre Thrombosen – das seien Befunde, die nicht zu einer typischen Abstoßungsreaktion passten, erläutern Griffith und Kollegen. Die US-Mediziner schließen daraus, dass ihre Vorkehrungen zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion offenbar funktioniert haben, dazu gehörten genetische Modifikationen des Spendertiers und eine umfassende immunsuppressive Behandlung. „Das Xenoherz war in der Lage, den Patienten für sieben Wochen lang zu unterstützen“, machen sie deutlich.

Spenderherz vergrößerte sich stark

Doch was passierte dann? Wie der Publikation zu entnehmen ist, hatte das Spenderorgan am Tag 49 nach dem Eingriff aufgehört, richtig zu arbeiten. Eine zu dieser Zeit durchgeführte Echokardiografie ergab zwar eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von 65 bis 70%. Doch zeigte sich eine dramatische Zunahme der linksventrikulären Wanddicke (1,7 cm), und auch die Wand des rechten Ventrikels hatte sich stark verdickt (1,4 cm). Die linke Ventrikelkammer war stark verkleinert (3,2–3,5 cm) und der Global Longitudinal Strain hat sich dramatisch verschlechtert.

 

„Wir schlossen daraus, dass das Xenograft irreversibel geschädigt ist und entschieden uns im Beisein der Familie des Patienten, die lebenserhaltenden Maßnahmen am Tag 60 nach der Transplantation abzuschalten“, berichten die Ärzte. Der Patient war zu diesem Zeitpunkt bereits stark dekonditioniert und hatte einige postoperative Komplikationen hinter sich gebracht (Peritonitis, Infiltrationen in beiden Lungen, usw.) Postmortem ließ sich eine deutliche Gewichtszunahme des Spenderorgans feststellen: von 328 Gramm zum Zeitpunkt der Transplantation auf 600 Gramm.

Genaue Mechanismen noch unklar

Welche Mechanismen zu der plötzlich aufgetretenen, ausgeprägten diastolischen Dysfunktion und der globalen Myokardverdickung (ohne Entwicklung einer systolischen Dysfunktion) des Spenderherzens geführt haben, können Griffith und sein Team derzeit nicht sagen. Solche Befunde sehe man für gewöhnlich nicht bei menschlichen Allotransplantationen, erläutern die US-Mediziner. Durch weitere Untersuchungen hoffen sie, die verantwortlichen Mechanismen ausfindig zu machen.

Organ war offenbar mit Virus infiziert

In der aktuellen Publikation steht aber noch ein weiteres brisantes Detail, das wichtig sein könnte: 20 Tage nach der Transplantation wurde bei dem Patienten das porcine Cytomegalievirus (PCMV) nachgewiesen. Dieser Befund sei unerwartet gewesen, so Griffith und Kollegen. Unerwartet deshalb, weil die Firma, die das Spendertier gezüchtet hatte, zugesichert hatte, dass das Tier das Virus nicht in sich trägt, untersucht wurde dies durch einen PCR-Test von einem Nasenabstrich. Nach Vermutung von Griffith und Kollegen war das Spendertier aber wahrscheinlich latent mit dem Virus infiziert. Denn auch in der Milz des Schweines haben sich PCMV-Viren nachweisen lassen. Der Mann erhielt als Reaktion auf den Virusnachweis eine antivirale Therapie mit Cidofovir.

 

Unklar ist jedoch, ob die Virusinfektion tatsächlich für den Funktionsausfall des Xenografts oder für die klinische Verschlechterung des Patienten verantwortlich gemacht werden kann, wie Prof. Elizabeth Phimister in einem begleitenden Editorial ausführt. Vorläufige Analysen von postmortem gewonnenen Proben aus dem Brust- und Abdomenbereich des Patienten hätten keine Anzeichen einer PCMV-Infektion gezeigt, macht die Editorin des NEJM deutlich. Man weiß allerdings aus Xenograft-Experimenten mit nichthumanen Primaten, dass der Nachweis von PCMV mit einer schlechteren Prognose einhergeht, aus Gründen, die derzeit nicht bekannt sind. 


Literatur

Griffith B et al. Genetically Modified Porcine-to-Human Cardiac Xenotransplantation. Engl J Med. 2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2201422

 

Phimister E et al. Genetic Modification in Pig-to-Human Transplantation. Engl J Med. 2022; DOI: 10.1056/NEJMe2207422

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