In den letzten 2 Jahren hat die Zahl der Ross-Operation in den USA um mehr als 500 % zugenommen. Dies wirft die Frage auf, ob es sich hierbei lediglich um einen Modetrend handelt, oder ob harte Daten diese Veränderung rechtfertigen.
In den letzten 2 Jahren hat die Zahl der Ross-Operation in den USA um mehr als 500 % zugenommen. Dies wirft die Frage auf, ob es sich hierbei lediglich um einen Modetrend handelt, oder ob harte Daten diese Veränderung rechtfertigen.
Von:
Prof. Hans-Joachim Schäfers
Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern
19.11.2024
Bildquelle (Bild oben): Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com
Der Ersatz der Aortenklappe durch die patienteneigene Pulmonalklappe war eines der ersten Operationsverfahren für die Aortenklappe, das keine langfristige Antikoagulation erforderte. Mit der Einführung von Bioprothesen trat dieses Operationsverfahren in den Hintergrund; es wurde fast ausschließlich bei Kindern eingesetzt. In den 80er und 90er Jahren wurde die begrenzte Haltbarkeit der Bioprothesen evident, und das Interesse an der Ross-Operation wuchs erneut.
Zu dieser Zeit kamen verschiedene Modifikationen der Implantation des sog. Autografts zum Einsatz. Die sog. subkoronare Implantation erwies sich als technisch anspruchsvoll und eine Verziehung der kommissuralen Anordnung konnte zur Insuffizienz des Autografts führen. Die Implantation mit einem Segment des Truncus pulmonalis als sog. Wurzelersatz minimierte die früh auftretende Insuffizienz des Autografts, resultierte jedoch nicht selten in einer späteren Dilatation des Autografts mit konsekutiver Insuffizienz. Bestimmte klinische Aspekte – wie z. B. die bikuspide Aortenklappenanlage – erschienen als Prädiktoren für eine Reoperation.
Die Ergebnisse bezüglich des Langzeit-Überlebens waren einhellig gut, die Rate an Reoperationen führte jedoch zu einer kritischen Einschätzung der Ross-Operation. Sie wurde gesehen als eine „Zwei-Klappen-Operation“ zur Behandlung einer Ein-Klappen-Erkrankung, die mit hoher Morbidität und Letalität verbunden war und nur bei sehr wenigen, hochselektierten Patientinnen und Patienten sinnvoll sein konnte.
Inzwischen hat das Wissen um den konventionellen Aortenklappenersatz zugenommen. In Langzeitstudien sind der mechanische wie auch der biologische Ersatz der Aortenklappe mit nennenswerten Raten an klappenassoziierten Komplikationen verbunden. Bedeutsam ist die klappenassoziierte Sterblichkeit, die vor allem bei jüngeren Patientinnen und Patienten zu einer deutlichen Einschränkung der Lebenserwartung führt. Eine zusätzliche Übersterblichkeit wurde auch bei Einsatz von Bioprothesen unter einem Patientenalter von 60 Jahren beobachtet. Dies steht im Gegensatz zur Ross-Operation, bei der das Überleben nach 20 und 30 Jahren dem von gematchten, gesunden Menschen entspricht.
In einer groß angelegten retrospektiven Studie wurden die 3 Operationsverfahren (mechanischer Ersatz, biologischer Ersatz oder Ross-Operation) verglichen.1 Analysiert wurden klappenassoziierte Komplikationen und das Überleben der Patientinnen und Patienten. Blutung, Schlaganfall oder Endokarditis waren mit einem nennenswerten 30-Tages-Sterblichkeitsrisiko verbunden (bis 13,5 % bei Endokarditis). Die Häufigkeit der Komplikationen war am geringsten nach der Ross-Operation. Die Rate an Reoperationen (sehr geringes Sterblichkeitsrisiko) war erwartungsgemäß am niedrigsten nach mechanischem Klappenersatz, das signifikant beste 15-Jahres-Überleben wurde mit der Ross-Operation erzielt. Diese Ergebnisse waren der entscheidende Stimulus für die aktuell vermehrte Anwendung des Ross-Prinzips.
Heute ist zunehmend klar, dass eine Stabilisierung des Autografts ein wichtiger Teil der Operation ist. Bei korrekter Operationstechnik sind die meisten der bisher propagierten Kontraindikationen nur noch von untergeordneter Bedeutung. Das Operationsrisiko ist gering, und die Langzeit-Daten sind denen der anderen Optionen deutlich überlegen, ähnlich der Rekonstruktion der Aortenklappe. Die Ross-Operation ist für die meisten Patientinnen und Patienten bis zu einem Alter von 50 Jahren (bei denen die Aortenklappe nicht rekonstruierbar ist) die beste Behandlungsmöglichkeit. Sie erscheint auch bei ausgewählten Patienten bis zum 60. Lebensjahr als sinnvoll.