Für die klinische Praxis lassen sich einige Schlüsse ziehen: Tirzepatid ist kardiovaskulär sicher, metabolisch überlegen und nephroprotektiv - Eigenschaften, die es zu einer wertvollen Option für multimodale Strategien bei Typ 2 Diabetes machen, die auch SGLT2-Inhibitoren, RAAS-Hemmer, nicht-steroidale Mineralrezeptorantagonisten und Statine einschließen. Die fehlende formale Überlegenheit für den kombinierten primären Endpunkt gegenüber Dulaglutid bremst überzogene Erwartungen, zeigt aber zugleich, dass wir uns in einer neuen therapeutischen Bandbreite bewegen: von klassischen GLP1-RA bis hin zu potenteren dualen Substanzen, deren Einsatz eine präzisere Patientenselektion erfordert.Insgesamt deuten die Daten daher weniger auf eine qualitativ neue kardioprotektive Achse hin, sondern vielmehr auf eine quantitative Verstärkung bereits bekannter Effekte. Das Nebenwirkungsprofil ähnelt dem von GLP1-RA, lediglich mit leicht erhöhter Rate gastrointestinaler Ereignisse. Dennoch erhielten nach 3 Jahren 72,7 % der Patientinnen und Patienten im Tirzepatid-Arm die 15 mg Dosis. Damit erscheint Tirzepatid eher als potenter Vertreter einer erweiterten Wirkstoffklasse denn als völlig neue Entität.
SURPASS-CVOT liefert nicht nur relevante Ergebnisse zur kardiovaskulären Sicherheit, metabolischen Überlegenheit und Nephroprotektion von Tirzepatid, sondern setzt auch einen methodischen Maßstab. Die Studie gibt zentrale Impulse für künftige kardiometabolische Endpunktstudien in einer Zeit, in der Placebo-Kontrollen oft nicht mehr vertretbar sind. Die fehlende formale Überlegenheit gegenüber Dulaglutid relativiert Erwartungen an einen „Klassenwechsel“, schmälert aber nicht den klinischen Wert: SURPASS-CVOT zeigt, dass wir am Beginn einer Phase differenzierter Inkretintherapie stehen, mit einer Bandbreite an Potenzstufen, die Patientenselektion und individuelle Strategien noch wichtiger macht.