Update Intensivmedizin: Das rechte Herz im Fokus

 

DGK Herztage 2024 | Intensivmedizin II: In dieser Sitzung stand das rechte Herz in der intensivmedizinischen Behandlung im Fokus. Diskutiert wurden die Diagnostik des Rechtsherzversagens, invasive Therapien der Lungenarterienembolie und die Behandlung des rechtsventrikulären Myokardinfarkts. Zum Abschluss wurde der aktuelle Stand der extrakorporalen Reanimation (eCPR) vorgestellt.

 

Rechtsherzversagen ist häufig, bleibt oft unbemerkt und erfordert eine frühzeitige Diagnosestellung, um durch gezielte Therapie die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten.

Von:

Dr. med. univ. Saskia Stegmüller  

SLK-Kliniken Heilbronn

 

Dr. Hannah Billig

Universitätsklinikum Bonn

 

Prof. Marcus Hennersdorf

Rubrikleiter Intensiv- und Notfallmedizin, SLK-Kliniken, Heilbronn

 

08.10.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Sina Ettmer Photography / Shutterstock.com

Diagnostik des Rechtsherzversagens

 

PD Dr. Jörg Schröder (Aachen) fokussierte sich auf die Diagnostik des Rechtsherzversagens, der Lungenarterienembolie und des Rechtsherzinfarkts.
Bei Verdacht auf Lungenembolie wurde der YEARS-Algorithmus zur Wahrscheinlichkeitsbestimmung empfohlen, gefolgt von Risikostratifizierungen mittels sPESI- und HESTIA-Scores. PD Dr. Schröder hob den Stellenwert der Echokardiographie bei der Diagnose hervor. Bei "intermediate high risk"-Patientinnen und -Patienten sollte die weitere Therapie interdisziplinär im Kontext eines „PERT“ (Pulmonary Embolism Team) diskutiert werden.

 

Bei Rechtsherzinfarkt wurde die Wichtigkeit der frühen Detektion eines kardiogenen Schocks mittels SCAI-Schockspirale dargestellt. In den SCAI-Stadien D und E werden bereits Mortalitätsraten von 80 bzw. 90 % beschrieben. Hierfür wird die frühzeitige Etablierung eines Pulmonaliskatheters zur hämodynamischen Messung und frühen Detektion des kardiogenen Schocks empfohlen. Zusätzlich wurden die PAPi (sys. PAP – diast. PAP / ZVD) und PaE (syst. PAP / SV) als prognostische Marker vorgestellt. Bei PaE > 0,85 mmHg/ml und PAPi < 2,95 kam es bei über 50 % der Patientinnen und Patienten mit Rechtsherzversagen zum innerklinischen Versterben.

Lokale Lyse und Katheter-Thrombektomie: neue Pfade in der Behandlung der Lungenembolie

 

Im anschließenden Vortrag stellte Dr. Scharpf aus Heilbronn die invasiven Therapiemöglichkeiten der Lungenarterienembolie vor. Vorgestellte Interventionen waren hier zum einen die kathetergestützte lokale, ultraschallunterstützte Lysetherapie mit dem  EKOS©-System, zum anderen die Thrombektomie mittels FlowTriever©.


Diese Verfahren kommen bei Patienten in Frage, die laut Risikostratifizierung (s. Abbildung) in die Gruppe „intermediate high risk“ fallen und sich unter Vollantikoagulation klinisch verschlechtern oder bei denen in der „high risk“-Gruppe eine Kontraindikation für eine systemische Lyse besteht.

Risikostratifizierung Abbildung 1: Risikostratifizierung der Lungenarterienembolie (DGK, ESC). Legende s. ganz unten

 

EKOS ist ein Verfahren zur ultraschallgestützten lokalen Lyse. Klassischerweise wird hierbei die V. femoralis punktiert (5 F-Schleuse) und nach hämodynamischer Messung und PA-Angiographie hierüber der Lysekatheter eingebracht. Unter Ultraschallenergie in Kombination mit lokaler Lyse wird so das Thrombusmaterial aufgebrochen. Eine systemische therapeutische Vollantikoagulation ist zusätzlich notwendig.


Die kathetergestützte Thrombektomie mittels FlowTriever erfolgt ebenfalls über die V. femoralis (24 F- Schleuse). Hierbei werden nach hämodynamischer Messung und PA-Angiographie unter Aspiration die Thromben aus den Lungenarterien herausgefiltert und entfernt, sodass das restliche Blut wieder zurückgegeben werden kann, um den Blutverlust so gering wie möglich zu halten.


Nach bereits in vielen Kliniken zahlreich durchgeführten erfolgsversprechenden Interventionen und deren positiven Erfolgsberichten in Bezug auf postinterventionelle sofortige hämodynamische Verbesserung und kürzere intensivmedizinische Behandlungszeiten lässt sich jedoch bereits jetzt schon eine zukünftige zunehmende invasive Therapie der Lungenembolie vorhersagen.


Mit Spannung werden randomisierte Daten zu den Verfahren erwartet. In der HI-PEITHO-Studie werden das EKOS-System und die therapeutische Antikoagulation verglichen. Die Studie PEERLESS vergleicht den Einsatz des FlowTriever-Systems mit dem EKOS-System und wird von Kollegen in Mainz geleitet.

Häufig übersehen? Der rechtsventrikuläre Infarkt

 

Prof. Melchior Seyfarth (Wuppertal) präsentierte die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei rechtsventrikulärem Infarkt.
Er betonte die Bedeutung der frühzeitigen Diagnose des rechtsventrikulären Infarkts, insbesondere durch elektrokardiographische Ableitungen (V3R-V6R). Frühe Reperfusion bleibt das wichtigste therapeutische Ziel. Retrospektive Analysen sehen einen Überlebensvorteil bei totaler Revaskularisation der RCA inkl. des RV-Astes, sodass die gezielte Revaskularisierung des RV-Astes individuell in Erwägung gezogen werden solle.


Als weiteres Thema wurde die differenzierte Volumensteuerung besprochen. Eine Volumendepletion und damit Vorlastsenkung solle vermieden werden. Ein Bereich zwischen 10-15 mmHg Füllungsdruck des rechten Ventrikels wurde in diversen Publikationen als vorteilhaft beschrieben.


Nach rechtsventrikulärem Infarkt treten nicht selten bradykarde Herzrhythmusstörungen auf. Ein pharmakologischer Therapieversuch kann in solchen Fällen mittels Dobutamin unternommen werden.


Im progredienten und therapierefraktären kardiogenen Schock müssen mechanische Unterstützungssysteme als Ultima Ratio in Erwägung gezogen werden, wobei hier aufgrund der fehlenden Evidenz Einzelfallentscheidungen getroffen werden müssen.

Extrakorporale Reanimation – Aktueller Stand

 

Am Ende der Session stellte Dr. Eike Tigges (Hamburg) eine Übersicht der bereits vorhandenen Studien (ARREST, PRAGUE OHCA und INCEPTION) zum Thema eCPR mittels VA-ECMO dar und wies auf die Wichtigkeit einer raschen Entscheidungsfindung, strikten Patientenselektion, feste Miteinbeziehung in die Rettungskette und die hohen Anforderungen an ein eCPR-Zentrum hin.


Bei der Patientenselektion für eine eCPR hob Dr. Tigges neben dem Patientenalter von < 65-75 Jahren den beobachteten Kreislaufstillstand und die Laienreanimation mit einer no-flow-time von < 5 min und einer low-flow-time von weniger als 60 min hervor. Darüber hinaus sind das Vorhandensein eines schockbaren Rhythmus als Hinweis auf eine kardiale Genese des Kreislaufstillstandes oder eine andere reversible CPR-Ursache in der Entscheidungsfindung von Bedeutung.


Als besonders kritische Punkte wurden die Zeiten bis zur Etablierung der ECMO-Zirkulation („Golden Hour of eCPR“: 20 min für die Erstversorgung vor Ort, 20 min Transport und 20 min für den Anschluss an die ECMO) sowie die Teamerfahrung in der eCPR-Behandlung beschrieben. Hieraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit einer raschen, bereits präklinischen Entscheidungsfindung, ob eine eCPR- Behandlung indiziert ist.

Schlussfolgerung für den Alltag: Internistische Intensivmedizin wird immer invasiver

 

Erweiterte echokardiographische Kenntnisse zur Einschätzung der RV-Parameter sind obligat. Die Nutzung verfügbarer Algorithmen und Scores erleichtert die Diagnostik und Therapie und sollte bei allen Patientinnen und Patienten angewendet werden. Eine zeitnahe Etablierung eines PAK zur frühen Detektion eines kardiogenen Schocks sowie zum Erkennen hämodynamischer Verschlechterungen sollte, entgegen vergangener Diskussionen, fokussiert und zukünftig neu aufgearbeitet werden.


Die Therapie der akuten Lungenembolie wird in den nächsten Jahren immer invasiver. Im Vergleich zur mit Komplikationen behafteten systemischen Lysetherapie zeigen bisherige Erfahrungen invasiver Therapien (EKOS©/FlowTriever©) erfolgsversprechende Verläufe, einschließlich postinterventioneller sofortiger hämodynamischer Stabilisierung, was für die Zukunft invasiver Therapien bei Lungenarterienembolien spricht.


Bei Verdacht auf einen rechtsventrikulären Infarkt sollten stets die rechtsventrikulären elektrokardiographischen Ableitungen in Betracht gezogen werden. Die umgehende Revaskularisierung der RCA und individuell des RV-Astes hat oberste Priorität. Zudem ist eine differenzierte Volumentherapie zu berücksichtigen. Als Ultima Ratio müssen mechanische Unterstützungssysteme diskutiert werden.


Im Falle eines Kreislaufstillstands ist die eCPR eine vielversprechende Therapieoption. Dringend zu beachten ist hierbei jedoch die rasche bereits präklinische Entscheidungsfindung, korrekte Selektion der Patienten anhand oben genannter Kriterien und die Behandlung in erfahrenen Zentren. Eine der vor allem in ländlicheren Gebieten größten Herausforderungen wird das Erreichen der „Golden Hour of eCPR“ sein. Zukünftig müssen alle Glieder der Rettungskette für dieses Anliegen sensibilisiert und in eine strukturierte Vorgehensweise eingebunden werden.

Golden Hour of eCPR Abbildung 2: Golden hour of eCPR (DGK)

Referenzen

 

  1. Intensivmedizin II – DGK Herztage, 28.09.2024, 8:00-9:30, Saal G2, Vorsitz/Chair: Benedikt Schrage (Hamburg), Andreas Schäfer (Hannover)
  2. Arrigo M, Price S, Harjola VP, et al. Diagnosis and treatment of right ventricular failure secondary to acutely increased right ventricular afterload (acute cor pulmonale): a clinical consensus statement of the Association for Acute CardioVascular Care of the European Society of Cardiology. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care. 2024;13(3):304-312. doi:10.1093/ehjacc/zuad157
  3. Konstantinides SV, Meyer G, Becattini C, et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS). Eur Heart J. 2020;41(4):543-603. doi:10.1093/eurheartj/ehz405
  4. Klok FA, Piazza G, Sharp ASP, et al. Ultrasound-facilitated, catheter-directed thrombolysis vs anticoagulation alone for acute intermediate-high-risk pulmonary embolism: Rationale and design of the HI-PEITHO study. Am Heart J. 2022;251:43-53. doi:10.1016/j.ahj.2022.05.011
  5. Inohara T, Kohsaka S, Fukuda K, Menon V. The challenges in the management of right ventricular infarction. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care. 2013;2(3):226-234. doi:10.1177/2048872613490122
  6. Ghanem A, Andrassy M, Dürschmied D, et al. Interventionelle Therapie und multidisziplinäre Managementstrategien für die akute Lungenembolie. Kardiologie 2023; 17: 141-159
  7. Michels G, Wengenmayer T, Hagl C, et al. Empfehlungen zur extrakorporalen kardiopulmonalen Reanimation (eCPR) : Konsensuspapier der DGIIN, DGK, DGTHG, DGfK, DGNI, DGAI, DIVI und GRC [Recommendations for extracorporeal cardiopulmonary resuscitation (eCPR) : Consensus statement of DGIIN, DGK, DGTHG, DGfK, DGNI, DGAI, DIVI and GRC]. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2018;113(6):478-486. doi:10.1007/s00063-018-0452-8

Legende zu Abbildung 1:

a  Eines der folgenden klinischen Erscheinungsbilder: Herzstillstand; obstruktiver Schock (systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder Vasopressoren erforderlich, um trotz ausreichendem Füllungszustand einen BP ≥ 90 mmHg zu erreichen, in Kombination mit Endorgan-Minderperfusion); oder anhaltende Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder ein systolischer Druckabfall um ≥ 40 mmHg für > 15 Minuten, nicht durch neu aufgetretene Arrhythmie, Hypovolämie oder Sepsis verursacht).


b Prognostisch relevante Bildgebungsbefunde (TTE oder CTPA) bei Patienten mit akuter LE.


c Die Erhöhung weiterer laborchemische Biomarker, wie NT-proBNP ≥ 600 ng/l, Heart-type fatty acid-binding protein (h-FABP) ≥ 6 ng/ml oder Copeptin ≥ 24  pmol/l kann zusätzliche prognostische Information liefern. Diese Marker wurden in Kohortenstudien validiert, jedoch noch nicht zur Steuerung von Therapieentscheidungen in randomisierten kontrollierten Studien eingesetzt.


d Hämodynamische Instabilität, in Kombination mit einer Bestätigung der LE in der CTPA und/ oder Nachweis einer RV-Dysfunktion in der TTE, ist ausreichend, um einen Patienten in die Hochrisiko-LE-Kategorie einzustufen. In diesen Fällen ist weder eine Berechnung des PESI noch eine Bestimmung von Troponinen oder anderen kardialen Biomarkern erforderlich.


e Trotz eines berechneten PESI von I–II oder eines sPESI von 0 können Anzeichen einer RV- Dysfunktion in der TTE (oder CTPA) oder erhöhte kardiale Biomarker-Spiegel vorliegen. Bis die Auswirkungen solcher Diskrepanzen auf die Behandlung der LE geklärt sind, sollten diese Patienten in die Kategorie intermediäres Risiko eingestuft werden.

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