HERZMEDIZIN: Was lässt sich Ihrer Erfahrung nach trotz dieser Schwierigkeiten für die Praxis ableiten?
Wachter: Grundsätzlich lohnt das routinemäßige Screening auf COPD zum Beispiel vor einer TAVI oder einer herzchirurgischen Operation und sorgt manchmal für Überraschungen durch eine vorher nicht diagnostizierte COPD. Zudem besteht die Möglichkeit initialer Fehlklassifikationen von Fällen dekompensierter Herzinsuffizienz als COPD-Exazerbationen und umgekehrt, da sich die Symptomatik häufig überlappt – dessen sollte man sich bewusst sein.
Zentral für die Praxis halte ich in diesem Zusammenhang einen Punkt, der im klinischen Alltag oft untergeht: die Frage nach dem Raucherstatus und die Empfehlung zum Rauchstopp. Jede Ärztin, jeder Arzt würde unterschreiben, dass es wichtig ist. Aber wer im Krankenhaus Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt fragt, ob sie vom ärztlichen Personal zum Thema Rauchen angesprochen wurden, wird feststellen, dass dies zu selten geschieht.
Wenn ich Betroffene mit einem akuten Myokardinfarkt im Herzkatheterlabor behandle, frage ich sie noch dort, ob sie rauchen, und empfehle den Rauchstopp – auch für alle Angehörigen im Haushalt. Ich habe nur anekdotische Evidenz, aber ich denke, gerade ein Akutereignis kann Patientinnen und Patienten motivieren. Insgesamt brauchen wir mehr Awareness für das Thema im Praxisalltag. Denn ein Rauchstopp hilft ganz wesentlich hinsichtlich COPD-Verlauf, -Exazerbationen und kardiovaskulären Erkrankungen.
„Wenn ich Betroffene im Herzkatheterlabor behandle, frage ich sie noch dort, ob sie rauchen, und empfehle den Rauchstopp – auch für alle Angehörigen im Haushalt.“
Prof. Rolf Wachter über mehr Aufmerksamkeit hinsichtlich Raucherberatung
HERZMEDIZIN: Neben der Empfehlung zum Rauchstopp: Wie können Ärztinnen und Ärzte ihre Patient:innen noch unterstützen, um COPD-Exazerbationen zu vermeiden?
Wachter: In der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) zur COPD,2 die 2021 aktualisiert wurde, finden sich einige Verhaltensempfehlungen für die Betroffenen: Unter anderem wird körperliches Training empfohlen. Zudem der frühzeitige Arztbesuch bei Anzeichen einer Verschlechterung der Lungenfunktion. Am wichtigsten ist aber die Tabakentwöhnung hin zur totalen Abstinenz. Die medikamentöse Therapie der COPD richtet sich danach, ob bei den Betroffenen die Luftnot oder das Erleben von Exazerbationen im Vordergrund steht. Je nachdem sind unterschiedliche Therapien mit langwirksamen Anticholinergika (LAMA) und Beta-2-Sympathomimetika (LABA) angeraten.
HERZMEDIZIN: Wie sollte die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kardiolog:innen, Pneumolog:innen und anderen beteiligten Fachrichtungen gestaltet werden, um das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen bei COPD-Betroffenen zu minimieren?
Wachter: Da fehlt es leider an genaueren Fahrplänen. Wir bräuchten klare Empfehlungen für Diagnostik und Therapie. Was sollte wann getan werden? Wie intensiv sollte zum Beispiel nach einer Herzinsuffizienz oder nach einer koronaren Herzkrankheit (KHK) gesucht werden? Aktuelle Ansätze sind häufig getrieben von Biomarkern wie NT-proBNP und Troponin, aber am Ende mit zu vielen falsch positiven Befunden nicht präzise genug. Weiterhin besteht ein Bedarf an Studien, die spezifische Therapieansätze untersuchen, wie beispielsweise zu Risiken und Nutzen einer intensivierten Plättchenhemmung nach COPD-Exazerbation, um auf Basis der Diagnostik auch besser Therapieanpassungen vornehmen zu können. So ist bis auf Weiteres vor allem der interdisziplinäre Dialog entscheidend, um für den Einzelfall zu differenzieren.