Gesundheitsempfehlungen ohne Klimabezug werden besser angenommen

 

Weniger Fleisch essen, mehr zu Fuß gehen – das fördert nicht nur die kardiovaskuläre Gesundheit, sondern leistet auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Allerdings zeigt eine aktuelle Studie, die in The Lancet Planetary Health veröffentlicht wurde: Patientinnen und Patienten akzeptieren ärztliche Ratschläge eher, wenn diese ausschließlich auf gesundheitliche Argumente fokussiert sind.1 Wie Ärztinnen und Ärzte dennoch positiv zum Klimabewusstsein beitragen können.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

08.08.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Sorapop Udomsri / Shutterstock.com

Die ärztliche Beratung zu Lebensstilinterventionen ist ein wichtiger Bestandteil der kardiologischen Prävention, Therapie und Nachsorge. Dabei können die individuellen gesundheitlichen Vorteile betont werden, aber auch positive Effekte auf Umwelt und Klima, z. B. durch Radfahren statt Autofahren oder pflanzenbasierte statt fleischbetonter Ernährung. Doch können solche Bezüge zum Gemeinwohl im Sinne einer planetaren Gesundheit die Motivation der Patientinnen und Patienten tatsächlich erhöhen? Laut Umfragen befürchten Ärztinnen und Ärzte dadurch eher demotivierende Effekte, da der Klimabezug das Thema politisieren könnte.


Eine aktuelle Studie der Universitätsmedizin Halle und der Universität Heidelberg untersuchte daher, wie Patientinnen und Patienten auf ärztliche Beratung mit und ohne Klimabezug reagieren. Befragt wurden knapp 1.500 Teilnehmende des Online-Panels Health-Related Beliefs and Health Care Experiences (HeReCa) in Deutschland. Das durchschnittliche Alter lag bei 55,6 Jahren; 57 % der Teilnehmenden waren Frauen. Die Altersgruppe von 41–80 Jahren war leicht überrepräsentiert, das Bildungsniveau lag über dem Bevölkerungsdurchschnitt.

3 Beratungsvarianten im Vergleich

 

Die Teilnehmenden wurden 1:1 randomisiert einem Thema zugeordnet – Ernährung oder körperliche Aktivität – und bekamen die folgende Ausgangssituation präsentiert: „Bei Ihnen wurden Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte diagnostiziert [...] Da Sie auch proaktiv etwas für Ihre Gesundheit tun wollen, fragen Sie, ob Sie an Ihrem Lebensstil arbeiten können.“


Anschließend erhielten die Teilnehmenden für ihr zugewiesenes Thema in zufälliger Reihenfolge 3 Beratungsszenarien mit einer fiktiven Ärztin in unterschiedlichen Framings (hier am Beispiel körperliche Aktivität):

 

  • Nur individueller Gesundheitsbezug – Empfehlung, im Alltagsleben öfter zu Fuß zu gehen oder das Fahrrad zu nutzen, um das Herz-Kreislauf-System zu trainieren
  • Gesundheit und Zusatznutzen für das Klima – zusätzlich der Hinweis, dass Autofahren zu Luftverschmutzung und Klimawandel beiträgt
  • Gesundheit, Zusatznutzen für das Klima und die Klimarisiken – zusätzlich der Hinweis, dass der Klimawandel durch häufigere Hitzewellen die Gesundheit weiter belastet


Anhand standardisierter Fragen wurde ermittelt, welches Szenario die Teilnehmenden am ehesten akzeptierten, wie die Einstellung der Befragten zum Klimawandel ist (53 % höchst besorgt) und wie sie sich auf dem politischen Spektrum einordnen (49 % links oder gemäßigt links).

Höchste Akzeptanz bei reinem Gesundheits-Framing

 

Am besten akzeptiert wurde die rein gesundheitsbezogene Beratung: mit durchschnittlich 4,09 (±0,71) von 5 Punkten. Es folgte das Szenario mit Klimanutzen (3,67±0,91), knapp dahinter das Szenario mit Klimanutzen und Klimarisiken (3,55±0,97). Die Varianzanalyse (Mixed ANOVA) ergab einen signifikanten und deutlichen Framing-Effekt (partielle η2=0,18; p<0,001). Ob die Beratung im Kontext von Ernährung oder Bewegung erfolgte, spielte dagegen kaum eine Rolle (partielle η2=0,004; p=0,021).


Das Ausmaß der Akzeptanzunterschiede zwischen den Szenarien variierte abhängig von der politischen Orientierung:

 

  • Politisch links orientiert: gering (η2=0,05; p<0,001)
  • Gemäßigt links bis gemäßigt rechts: groß (η2=0,17–0,23; p<0,001)
  • Rechts orientiert: ebenfalls groß, aber nicht signifikant (geringe Stichprobengröße; η2=0,24; p=0,062)


Auch die Einstellung zum Klimawandel beeinflusste, wie groß die Akzeptanzunterschiede zwischen den Szenarien waren:

 

  • Höchst besorgt über den Klimawandel: mittel (η2 = 0,09; p < 0,001)
  • Besorgt: groß (η2 = 0,26; p < 0,001)
  • Zurückhaltend oder skeptisch: sehr groß (η2 = 0,39 bzw. 0,47; p < 0,001)


Klimabezüge in der Gesundheitsberatung führten also zu einer deutlich geringeren Akzeptanz der Empfehlungen, wenn die Personen politisch nicht links orientiert waren oder dem Klimawandel zweifelnd gegenüberstanden.


Trotz der geringeren Akzeptanz der klimabezogenen Beratung war die Bereitschaft, die zu Klimavorteilen und -risiken beratende Ärztin weiterzuempfehlen, ähnlich hoch wie im rein gesundheitsbezogenen Szenario (38–40 % vs. 41–43 %). Die fiktive Ärztin, die neben den individuellen Gesundheitsvorteilen nur zu Klimavorteilen und nicht zu Klimarisiken informierte, wurde hingegen seltener weiterempfohlen (17 %).

Implikationen für die ärztliche Praxis

 

Insgesamt zeigte sich: Ein reines Gesundheits-Framing führte – unabhängig von politischen Einstellungen oder Klimaüberzeugungen – zu einer höheren Akzeptanz. Ärztinnen und Ärzte befinden sich hier in einem Spannungsfeld: Während die Einbindung von Klimaaspekten im Sinne der planetaren Gesundheit gesellschaftlich sinnvoll sein kann, um soziale Normen in Richtung eines nachhaltigen Verhaltens zu verändern, kann sie die Arzt-Patienten-Beziehung belasten. Eine patientenzentrierte Kommunikation, die individuelle Werte und Einstellungen berücksichtigt, kann helfen, potenzielle Konflikte zu vermeiden. Auch rein gesundheitsfokussierte Empfehlungen können zur Erreichung von Klimazielen beitragen.


Eine weitere Option stellt Informationsmaterial im Wartezimmer dar. Die Forschenden verweisen auf eine deutsche Studie aus dem Jahr 2024 mit 1.275 Teilnehmenden, die zeigte, dass über 74 % der Befragten das Auslegen von Informationsmaterial über Klima und Gesundheit für ein geeignetes Mittel hielten, um über Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit aufzuklären.2 Demgegenüber fanden nur etwa 56 % ein persönliches Beratungsgespräch geeignet. Ungefähr 17 % lehnten beides ab.


Referenzen

 

  1. Herrmann A et al. Acceptability of health-only versus climate-and-health framings in lifestyle-related climate-sensitive health counselling: results of a randomised survey experiment in Germany. Lancet Planet Health. 2025;9(6):e456-e466. doi:10.1016/S2542-5196(25)00110-X
  2. Krippl N et al. Climate-sensitive health counselling in Germany: a cross-sectional study about previous participation and preferences in the general public. BMC Public Health. 2024;24(1):1519. Published 2024 Jun 6. doi:10.1186/s12889-024-18998-6

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