Diese 5 Gefahren birgt Cannabis fürs Herz

Der Cannabis-Konsum steigt, und damit stellt sich die Frage nach den Folgen. Viel spricht dafür, dass das Herz nicht so gechillt auf die Droge reagiert wie der Rest des Menschen.

Von Philipp Grätzel

 

22.01.2020

Immer mehr vor allem junge Menschen konsumieren Cannabis. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat im vergangenen Jahr eine Studie vorgelegt, wonach 22% der 18- bis 25-Jährigen und immerhin 8% der 12- bis 17-Jährigen in den zwölf Monaten vor Befragung wenigstens einmal Cannabis konsumiert haben. Das war jeweils rund doppelt so viel wie im Jahr 2008. In den USA ist die Situation ähnlich, denn mehr und mehr US-Bundesstaaten legalisieren Cannabis-Produkte, und zumindest teilweise werden diese Produkte auch aggressiv beworben.

 

Herz-Kreislauf-Experten vom Brigham and Women’s Hospital in Boston haben jetzt in einer Übersichtsarbeit zusammengetragen, welche Folgen der zunehmend Cannabis-Konsum für Herz und Kreislauf haben könnte. Das Risikospektrum ist dabei erstaunlich breit:

 

  1. Kardiale Schädigung durch Bestandteile des Zigarettenrauchs. Wird Tetrahydrocannabinol (THC) als Joint geraucht, dann unterscheidet sich die chemische Zusammensetzung der Verbrennungsprodukte kaum von denen bei nikotinhaltigen Zigaretten. Dass beim Joint im Schnitt weniger Züge mit größeren Zugvolumen inhaliert werden, macht die zigarettenrauchbezogenen Schäden pro Zigarette/Joint eher größer, weil mehr inhaliert wird.
  2. Verschlechterung einer KHK. Auf mechanistisch nicht ganz geklärte Weise scheint Cannabis-Konsum zu einer Verschlechterung und/oder Entstehung einer koronaren Herzerkrankung sowie zu akuten koronaren Ereignissen beizutragen. Dies könnte ein genuiner THC-Effekt sein. Über den Cannabinoid-Rezeptor 1 werden Kardiomyozyten, Endothelzellen und glatte Muskelzellen aktiviert, was oxidativen Stress, Entzündungsreaktion und negative Inotropie zur Folge haben könnte. Es gibt auch Hinweise, dass Cannabis-Konsum mit einer Produktion oxidierter LDL-Partikel assoziiert ist. Cannabis-Konsum ist zudem nicht selten mit akuten koronaren Ereignissen vergesellschaftet. In einer Metaanalyse aus 36 epidemiologischen Studien war Marihuana einer der drei wichtigsten, statistisch unabhängig assoziierten Trigger für Myokardinfarkte. (Die beiden anderen waren Kokain und große Mahlzeiten.) In einer weiteren Übersichtsarbeit fand sich eine Assoziation mit akuten Koronarsyndromen.
  3. THC-assoziierte Arrhythmien. Im Zusammenhang mit Marihuana-Konsum ist in der Literatur ein breites Spektrum an supraventrikulären und auch ventrikulären Arrhythmien beschrieben. Eine THC-bedingte, verstärkte betadrenerge Stimulation des Herzens könnte dem zugrunde liegen.
  4. Verschlechterung nicht-koronarer Kardiomyopathien. In Tierexperimenten waren Cannabis-Bestandteile mit einer KHK-unabhängigen Verschlechterung der Herzfunktion assoziiert. So reduzierten Agonisten am Cannabinoid-Rezeptor 2 die kardiale Kontraktilität bei Kaninchen. Beim Menschen gibt es Kasuistiken zu einer Assoziation von Cannabis-Konsum mit Stress-Kardiomyopathie und Myokarditis.
  5. Arzneimittelinteraktionen. Cannabinoide hemmen in unterschiedlicher Ausprägung Abbauenzyme der Cytochrom p450-Familie und verstärken so die Wirksamkeit unterschiedlichster Medikamente. Cannabidiol (CBN) ist ein potenter Inhibitor von CYP3A und CYP2D6. Sowohl CBN als auch THC hemmen CYP2C9 und CYP3A4. Auch zu diversen synthetischen Cannabinoiden gibt es In-vitro-Studie, die zeigen, dass sie unterschiedliche Cytochrom p450-Subtypen beeinflussen können. Damit besteht prinzipiell das Risiko eines breiten Spektrums an Arzneimittelinteraktionen mit kardiovaskulären Medikamenten.

Jüngere Patienten screenen

Insgesamt sei die Evidenzlage zu den kardiovaskulären Folgen von Cannabis-Konsum relativ dürftig, so die US-Experten. Fast alle klinischen Zusammenhänge kämen aus Kasuistiken oder aus Beobachtungsstudien. Erst in jüngster Zeit würden vereinzelt randomisierte Untersuchungen initiiert. Mit der wachsenden Verbreitung von Cannabis steige aber der Forschungsbedarf sowohl in der klinischen Forschung als auch in der mechanistischen Forschung. Bis auf weiteres empfehlen die Autoren des Reviews, Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko dahingehend zu beraten, kein oder wenigstens nur sehr wenig Marihuana zu konsumieren. Es könne zudem nicht schaden, insbesondere jüngere Patienten mit kardiovaskulären Ereignissen häufiger auf Cannabis-Konsum zu screenen bzw. Blutspiegel zu messen, um bessere Daten zur Prävalenz zu bekommen.

 

Die Teilnehmenden hatten sich an eines von vier gesunden Ernährungsmustern gehalten, die bestimmte Komponenten gemeinsam hatten, wie große Mengen Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte und wenig oder kein Zucker, Salz, rotes und verarbeitetes Fleisch sowie raffiniertes Getreide (Weißmehlprodukte). Das Sterberisiko war bei Einhaltung des „Alternativen Index für gesunde Ernährung“ (AHEI) um 20% und bei Berücksichtigung des „Healthy Eating Index 2015“ (HEI-2015) um 19% reduziert. Die „Alternative Mittelmeerdiät“ (AMED) und der „Healthful Plant-Based Diet Index“ (HPDI) schienen es um 18% bzw. 14% zu verringern.


Literatur

DeFilippis EM et al. Marijuana Use in Patients With Cardiovascular Disease. J Am Coll Cardiol 2020; 75:320-32.

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