Epigenetisches Editing zur dauerhaften LDL-C-Senkung

 

Das epigenetische Editing (EE) könnte eine vielversprechende neue Therapieoption darstellen, um krankheitsverursachende Gene auszuschalten, ohne die DNA-Sequenz zu verändern. In dieser Studie wurde ein spezifisches und reversibles EE für das PCSK9-Gen entwickelt. Eine einzige Anwendung reichte dabei aus, um ein nahezu vollständiges Gen-Silencing und eine anhaltende LDL-C-Senkung in Mäusen und Cynomolgus-Affen zu erreichen.1

 

Prof. Ulrich Laufs (Universitätsklinikum Leipzig) kommentiert.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

Expertenkommentar

Prof. Ulrich Laufs

Rubrikleiter Prävention

 

30.04.2025

 

Bildquelle (Bild oben): David Harmantas / Shutterstock.com

 

Das epigenetische Editing (EE) ist eine innovative Strategie, um durch zielgerichtete Methylierungen bzw. Demethylierungen einzelne Gene ein- oder abzuschalten, ohne dabei die DNA-Sequenz zu verändern. Das dauerhafte Abschalten von Genen durch EE wurde bereits in humanen Zellen in vitro demonstriert, wobei das Gen-Silencing über mehrere Monate anhielt.2-4 Allerdings wurde bisher noch nicht gezeigt, dass der Ausgangszustand auch wieder hergestellt werden kann.

 

In dieser Publikation wurde ein zielgerichtetes epigenetisches Editing für das PSCK9-Silencing entwickelt, das mit einer dauerhaften Senkung des LDL-C-Spiegels in vivo einherging. Die anhaltende Wirksamkeit des Silencings wurde sowohl für transgene Mäusen als auch für Primaten nachgewiesen. Darüber hinaus wurde die Spezifität in humanen Hepatozyten untersucht und ein Aktivator entwickelt, um das Gen-Silencing wieder aufzuheben.1

Entwicklung des epigenetischen Editings (PCSK9-EE)

 

Für das epigenetische Editing wurde ein Fusionsprotein verwendet, das aus den folgenden 4 Domänen bestand: 2 DNA-Methyltransferase-Domänen (DNMT3A und DNMT3L), eine DNA-bindende Domäne (katalytisch inaktives Cas9) und eine KRAB-Transkriptionsrepressor-Domäne.

 

Sowohl für das Gen-Silencing als auch für die Wiederherstellung der Genfunktion werden guide-RNA (gRNA) benötigt, die spezifisch und selektiv an der DNA-Zielsequenz binden und somit das DNA-modifizierende Enzym zum gewünschten Ziel-Gen hinleiten. Das gRNA-Screening erfolgte durch eine Co-Transfektion des EE-Expressionsplasmids zusammen mit für gRNA kodierenden DNA-Fragmenten. Die gRNA deckten den humanen PCSK9-Genlocus etwa 1 kb stromaufwärts und stromabwärts von der Transkriptionsstartstelle (TSS) ab. Im ersten Schritt wurden mehrere gRNA identifiziert, die das sezernierte PCSK9 deutlich senkten. Die 5 besten gRNA-Kandidaten wurden ausgewählt, die neben einer starken Wirksamkeit auch keinerlei Übereinstimmungen im menschlichen Genom außerhalb des PCSK9-Lokus aufwiesen.

 

Um den in-vivo Transport des RNA-basierten Wirkstoffs in die Leber zu imitieren, wurde die mRNA des EE-Konstruktes zusammen mit den ausgewählten gRNA in Lipidnanopartikel (LNP) formuliert. Anschließend wurden humane Hepatozyten mit LNP inkubiert unter Zugabe von rekombinantem APOE3-Protein, um die Aufnahme über einen LDL-Rezeptor-abhängigen Mechanismus zu ermöglichen. In den Hepatozyten führte die LNP-Behandlung zur schnellen Reduktion der PCSK9-Sekretion, die mindestens über 14 Tage lang anhielt.

 

Die Überprüfung der in-vivo Wirksamkeit erfolgte in gentechnisch modifizierten PCSK9-Tg-Mäusen. Bei diesen Tieren, die das humane PCSK9-Gen tragen, wurde zuvor gezeigt, dass sowohl der zirkulierende PCSK9-Spiegel als auch das Methylierungsmuster identisch zum Menschen sind. Für das in-vivo Screening wurden LNP mit den ausgewählten gRNA sowohl einzeln als auch in Kombination in verschiedenen Dosierungen getestet. Die beste Wirksamkeit wurde für die Kombination von 2 gRNA (gRNA41/gRNA49) nachgewiesen, die als PCSK9-EE bezeichnet und für alle weiteren Untersuchungen verwendet wurde.

Spezifität von PCSK9-EE in humanen Hepatozyten

 

Unspezifische epigenetische Veränderungen durch PCSK9-EE wurden anhand von Veränderungen der globalen Genexpression und der DNA-Methylierungen in humanen Hepatozyten untersucht. Mittels Deep-Read-RNA-Sequenzierung (RNA-seq) wurde analysiert, ob Off-Target-Methylierungen vorkommen und Auswirkungen auf die Genexpression haben.

 

Gegenüber den Kontrollen führte die PCSK9-EE-Behandlung ausschließlich zu Veränderungen der PCSK9-Expression mit Ausnahme eines Gens ENSG00000285976, das nur äußerst gering exprimiert wird (<4 TPM, Transcripts Per Million). Eine geringe Zunahme von Methylierungen an Off-Target-Stellen wurde zwar festgestellt und durch genomweite Methylierungssequenzierungen bestätigt, jedoch ohne signifikante Auswirkungen auf die Expression.

Wirksamkeit von PCSK9-EE in Mäusen

 

Bei PCSK9-Tg-Mäusen bewirkte die Behandlung mit PCSK9-EE in einer pharmakologisch sättigenden Dosis (3 mg/kg) eine nahezu vollständige (>98 %ige) Reduktion des zirkulierenden PCSK9, die mindestens 1 Jahr lang anhielt und mit um rund 70 % reduzierten Cholesterinwerten einherging.


Um den Wirkmechanismus des Gen-Silencings zu überprüfen, wurden die Methylierungen der CpG (Bereiche mit hoher Dichte an Cytosin und Guanin) am PCSK9-Lokus in Leberproben von Mäusen nach einmonatiger PCSK9-EE-Behandlung kontrolliert: PCSK9-EE führte zu einer robusten Methylierung mehrerer CpG im gesamten TSS von PCSK9.


Bei jeweils 6 Mäusen wurden 28 Tage nach der PCSK9-EE-Behandlung entweder eine Zweidrittel-Hepatektomie (PHx) oder eine Schein-OP durchgeführt und die Tiere anschließend bis zur vollständigen Regeneration der Leber über 90 Tage lang beobachtet. Die PCSK9-Reduktion hielt nach der Intervention dauerhaft an sowohl bei PHx-Tieren als auch bei den Kontrollen. Auch das Methylierungsmuster am PCSK9-Locus in der Leber stimmte nach PHx und Schein-OP überein. Somit wurde nachgewiesen, dass die epigenetischen Veränderungen sogar in der regenerierenden Leber bestehen blieben. 

Reversibilität von PCSK9-EE in Mäusen

 

Um den Ausgangszustand der Methylierung wieder herzustellen und das Gen-Silencing aufzuheben, wurde ein epigenetischer Aktivator entwickelt. Dazu wurden Nanopartikel mit der zuvor verwendeten gRNA-Kombination (gRNA41/gRNA49) und dem Fusionsprotein aus Cas9 und der katalytischen Domäne der Demethylase TET1 (dCas-Tet) hergestellt.


Die behandelten Mäuse erhielten 173 Tagen nach der PCSK9-EE-Gabe eine einmalige Verabreichung des Aktivators. Innerhalb von 2 Wochen wurde eine nahezu vollständige Normalisierung der PCSK9-Plasmaspiegel erreicht (90 % des Ausgangswertes). Nach 8 Wochen wurden die Tiere getötet und die Leber untersucht: Die CpG-Methylierungen am PCSK9-Lokus waren nach der Aktivator-Behandlung niedriger gegenüber den PCSK9-EE-behandelten Mäusen, aber etwas erhöht gegenüber unbehandelten Tieren oder mit Vehikel-behandelten Kontrollen. 

Wirksamkeit von PCSK9-EE in Primaten

 

Für die Experimente mit Cynomolgus-Affen wurde die zuvor getestete gRNA-Kombination im gleichen Verhältnis eingesetzt (PCSK9-EE-V2). Die PCSK9-Loci in Nähe der TSS-Region (±1 kb) von Menschen und Cynomolgus-Affen weisen einen hohen Grad an Sequenzhomologie (93,7 %) und Konservierung der CpG-Methylierungen auf. Außerdem stimmte die Zielregion der gRNA bei Cynomolgus-Affen und Menschen vollständig überein.


Eine der größten Herausforderungen bei der Translation von gentherapeutischen Ansätzen, ist die Dosis-Abschätzung beim Wechsel vom Nagetier zu höher entwickelten Spezies. Daher wurden je 3 Cynomolgus-Affen mit 3 Dosisstärken (0,5; 1,0 und 1,5 mg/kg) behandelt und 4 Tiere mit Vehikel. Die einmalige Gabe von PCSK9-EE-V2 führte zu einer raschen Senkung der zirkulierenden PCSK9-Spiegel, die mindestens 3 Monate lang anhielt und zu einer dosisabhängigen mittleren Senkung des PCSK9-Spiegels um jeweils 50 %, 84 % und 89 % und einer LDL-C-Senkung von 40 %, 68 % bzw. 64 % im Vergleich zu den Ausgangswerten führte. Der Unterschied der Dosisstärken 1 mg/kg und 1,5 mg/kg war nicht signifikant, was darauf hinwies, dass die maximale pharmakologische Wirkung mit der Dosis von 1 mg/kg erreicht wurde.


Die Leberwerte (Alanin-Transaminase, Aspartat-Transaminase und Gesamtbilirubin) stiegen an Tag 1, 3 und 7 nach der Verabreichung an, aber die Ausgangswerte wurden bis Tag 14 wieder erreicht. Die Analyse der Leberbiopsien, die am Tag 24 entnommen wurden, ergaben dass die CpG-Methylierungen in der TSS-Region dosisabhängig erhöht waren (20,0 %, 30,5 % und 35,0 %) gegenüber mit Vehikel behandelten Affen (5,9 %) und mit den PCSK9-Spiegeln korrelierten. 

Diskussion und Fazit

 

In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass das epigenetische Editing ein vielversprechender neuer Therapieansatz zur Behandlung von Hypercholesterinämie darstellen könnte. Bei Mäusen wurde eine 90%ige Reduktion der zirkulierenden PCSK9-Spiegel und eine 70%ige Reduktion der LDL-C-Spiegel erreicht. Nach einmaliger Applikation hielt das Gen-Silencing mindestens über ein Jahr lang an. Die Wirksamkeit war vergleichbar zu PCSK9-Antikörpern oder siRNA-basierten Wirkstoffen, die regelmäßig verabreicht werden müssen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Gentherapien bleibt die DNA-Sequenz beim epigenetischen Editing unverändert. Zu einem geringen Anteil wurden hier zwar auch unspezifische Methylierungen beobachtet, die jedoch nicht mit einer veränderten Genexpression verbunden waren. Zumindest bei Mäusen waren die epigenetischen Veränderungen reversibel: Mit Hilfe eines Aktivators wurde das ursprüngliche Methylierungsmuster weitestgehend wiederhergestellt und das PCSK9-Silencing aufgehoben.


Angesichts der geringen Adhärenz zur Medikamenten-Einnahme von Personen mit Hypercholesterinämie könnte das epigenetische Editing den wesentlichen Vorteil bieten, dass eine einmalige Behandlung ausreichen würde, um das kardiovaskuläre Risiko lebenslang zu senken.

Expertenkommentar

 

Die Arbeit beschreibt die potentielle Heilung der Hypercholesterinämie durch eine einmalige Gentherapie mit der Möglichkeit einer Reversierung. Die faszinierende biotechnologische Methode des epigenetischen Editings ermöglicht eine präzise lokalisierte Modifikation der DNA, die das Abschreiben der DNA zu RNA verhindert. Im Unterschied zu CRISPR/Cas-basierten Methoden der Modifikation der DNA wird durch das epigenetische Editing die Struktur der DNA nicht verändert. Eine zweite fundamentale Neuigkeit ist die Möglichkeit die epigenetische Modifikation rückgängig zu machen. Die Autoren zeigen, dass die Methode in Affen wirksam und anhaltend das LDL-Cholesterin senkt. Die Affen unterscheiden sich bezüglich der untersuchten Mechanismen nicht von Menschen.


Eine wesentliche Herausforderung für die weitere Entwicklung von DNA-Therapien liegt in dem Beweis ihrer Sicherheit, d.h. dem Ausschluss von sog. Off-Target-Effekten. Hier müssen die Anforderungen zur Behandlung von Volkskrankheiten mit jahrzehntelangem Verlauf und etablierten Therapiemöglichkeiten höher liegen als für seltene Erkrankungen mit rapide malignem Phänotyp ohne andere Therapieoptionen. Auch wenn aus diesen Gründen eine klinische Anwendung viele weitere Studien erfordert, erweitern die aktuellen Arbeiten zu epigenetischem Editing unseren Horizont. Die rasante Weiterentwicklung von RNA- und DNA-Wirkstoffen hat das Potential die Medizin zu revolutionieren. Es wäre theoretisch vorstellbar einen relevanten Anteil atherosklerotischer Erkrankungen zu verhindern.


Referenzen

 

  1. Tremblay F et al. A potent epigenetic editor targeting human PCSK9 for durable reduction of low-density lipoprotein cholesterol levels. Nat Med. 2025 Feb 10. doi: 10.1038/s41591-025-03508-x.
  2. Amabile A et al. Inheritable Silencing of Endogenous Genes by Hit-and-Run Targeted Epigenetic Editing. Cell. 2016;167(1:219-232.e14.
  3. Cappelluti MA et al. Durable and efficient gene silencing in vivo by hit-and-run epigenome editing. Nature. 2024;627(8003):416-423.
  4. Nuñez JK et al. Genome-wide programmable transcriptional memory by CRISPR-based epigenome editing. Cell. 2021;184(9):2503-2519.e17. 

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