Prof. Stephan Baldus hat 2023 als Präsident der DGK zusammen mit Prof. Karl Lauterbach auf die prekäre Situation zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hingewiesen3, welches u. a. auch in den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz, GHG) für das Kabinett vom 28.8.2024 eingegangen ist: „Ziel des Gesetzentwurfs ist es, durch ein Bündel an Maßnahmen die Früherkennung und die Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern und so die Herz-Kreislauf-Gesundheit in der Bevölkerung zu stärken.“
Nicht-übertragbare chronische Krankheiten (NCDs), wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, fassen aber auch Krankheiten zusammen, wie z. B. Diabetes, Hypertonie, Dyslipidämien, Krebsformen, COPD sowie bestimmte psychische und neurodegenerative Erkrankungen etc., die nicht ansteckend sind, und durch Lebensstilmodifikationen effektiv verhindert werden können. Ein Treiber der NCDs sind Übergewicht und seine Folgen, wobei neue Modellierungen davon ausgehen, dass die Adipositas-Prävalenz sich 2050 gegenüber 1990 verdoppelt haben könnte.4
Daher ist ein Ziel in der Primärprävention Gewichtszunahme zu vermeiden. Dies ist nicht nur im kürzlichen Consensus Statement zur Adipositas der ESC5 formuliert, sondern auch in Bezug einer Vermeidung der Entwicklung vom kardiovaskulär-renalen-metabolischem Syndrom (CKM).6,7
Die American Heart Association empfiehlt daher 8 Lebensregeln: “Life’s Essential 8 are the key measures for improving and maintaining cardiovascular health, as defined by the American Heart Association. Better cardiovascular health helps lower the risk for heart disease, stroke and other major health problems.” Diese 8 Forderungen zur Primärprävention adressieren 4 Gesundheitsfaktoren (Gewichtsmanagement, Cholesterinkontrolle und Management von Blutzucker sowie Blutdruck) und 4 Maßnahmen zum Gesundheitsverhalten (neben gesund schlafen, sind es tabak-frei werden, körperlich aktiver sein und gesünder essen). Hier setzen offensichtlich auch die politischen Forderungen der DANK an (siehe oben).
Grundsätzlich werden bei der Prävention 2 unterschiedliche Strategien verfolgt, eine Individual- und Verhältnisprävention. Die Individualprävention von NCDs spricht Risiko-Individuen direkt an. Durch Maßnahmen zur Verhältnisprävention hingegen sollen allgemeine Lebensbedingungen geschaffen werden, die es den Menschen erleichtern, sich gesund zu verhalten. Maßnahmen und Vorschläge zur Verhältnisprävention, wie u. a. von DANK, sind in aller Regel politischer Natur, da sie durch den Gesetzgeber in der Breite umgesetzt werden müssten. Die wissenschaftliche Evidenz beruht zumeist auf epidemiologischen Beobachtungsdaten sowie Assoziationen, allerdings nur eher selten auf kontrollierten Interventionsstudien. Dennoch sollte dies nicht die Begründung sein, keine politischen Maßnahmen zu ergreifen, sondern die besten Maßnahmen müssen im demokratischen Diskurs errungen werden.
Der Krankheitswert von Übergewicht/Adipositas liegt aber nicht allein in der Fettmenge, sondern wesentlich in der Verteilung von Fett sowie in der Aktivität von Fettzellen und den Verbindungen zu Insulinresistenz, metabolischem Syndrom, Inflammation etc. begründet. Dies spiegelt sich auch in dem kürzlichen Vorschlag wider in Ergänzung zum BMI zwischen präklinischer und klinischer Adipositas zu unterscheiden.8 Die Notwendigkeit, die Fettverteilung auch des Herzens besser zu verstehen, ist ebenfalls im kürzlichen Consensus Statement der ESC formuliert.5 Wer wird wann und wie bei Übergewicht/Adipositas „krank“ ist eine Kernfrage für die Zukunft.
Auf Grund des präventiven und medizinischen Potentials auch neuer Therapiestrategien zur Gewichtsreduktion sollte aus meiner Sicht, last but not least, auch ein Vorschlag an eine neue Bundesregierung sein, wohlüberlegt und medizinisch evidenz-basiert den §34 (Ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel) Abs 2 des SGB V zu modifizieren, der da u. a. heißt „Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen […] zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts […]“. Die NCDs werden ein Hauptthema sein für unser Gesundheitssystem und für die Gesundheitsfürsorge unserer Bevölkerung.